OGH 8ObA104/20g

OGH8ObA104/20g3.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** W*****, vertreten durch Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Andreas Joklik, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen 4.200 EUR brutto und Feststellung, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ und die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. August 2020, GZ 10 Ra 68/20y‑15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00104.20G.0503.000

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist seit 1999 als Kontrollorgan in der Parkraumüberwachung bei der Beklagten beschäftigt. Sein Dienstverhältnis unterliegt der Wiener Vertragsbedienstetenordnung 1995 (VBO 1995). Bedienstete der Parkraumüberwachung werden auch für die Überwachung des Fließverkehrs herangezogen.

[2] Für alle ab dem 1. 1. 2018 neu in den Dienst der Beklagten eintretenden Bediensteten gilt das Wiener Bedienstetengesetz, LGBl 33/2017 (W‑BedG), das für Parkraumüberwachungsorgane eine ruhegenussfähige Erschwernisabgeltung vorsieht. Der Kläger unterliegt weiterhin dem Besoldungssystem der VBO 1995, nach welcher diese Erschwernisabgeltung nicht gebührt. Er erhält auch keine Erschwerniszulage laut Nebengebührenkatalog der Stadt Wien.

[3] Die Vorinstanzen haben übereinstimmend das Begehren des Klägers, ihm ebenfalls eine monatliche Erschwernisabgeltung bzw -zulage zu bezahlen, abgewiesen. Darüber hinaus gab das Berufungsgericht dem unter einem erhobenen Rekurs des Klägers gegen die erstinstanzliche Zurückweisung einer Klagsänderung keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung des Rekursgerichts, mit der es den erstinstanzlichen Beschluss auf Nichtzulassung einer Klageänderung bestätigt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO absolut unanfechtbar (RIS‑Justiz RS0039426; RS0044535 [T1 bis T3]). Vereinzelt gebliebene anderslautende ältere Entscheidungen, auf die sich der Kläger beruft, sind überholt (RS0039426 [T12]).

[5] 2. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wurde vom Senat geprüft, er liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[6] 3. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Revision nicht auf.

[7] Nach ständiger Rechtsprechung können die Rechte und Pflichten von Vertragsbediensteten nur unter den im Gesetz vorgesehenen Rahmenbedingungen geändert werden (RIS‑Justiz RS0050823 [T2]). Insbesondere müssen auch Entgeltansprüche auf dem Gesetz beruhen. Die für den Kläger geltende VBO 1995 sieht für seine Tätigkeit keine Erschwernisabgeltung vor. Der zwingende Charakter der Entgeltvorschriften der VBO 1995 verbietet insoweit eine nicht auf einem Sondervertrag beruhende Erweiterung der Ansprüche des Klägers durch eine sonstige vertragliche Vereinbarung oder eine betriebliche Übung. Das Vorliegen eines Sondervertrags wird vom Kläger gar nicht behauptet. Auch die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes findet aber in den Bestimmungen von Gesetzen, Verordnungen und dergleichen ihre Grenze (RS0016684; jüngst einschlägig: 8 ObA 117/20v).

[8] Aus dem Revisionsvorbringen, der Kläger sei teilweise auch zur Überwachung des Fließverkehrs und damit zu einer berufsfremden Tätigkeit herangezogen worden, die sowohl die Grenzen seines Arbeitsvertrags als auch die Grenzen der zwischen dem Bund und der Beklagten geschlossenen Vereinbarung gemäß Art 15a B‑VG über die Parkraumüberwachung in Wien überschreite, ist für den Standpunkt des Rechtsmittelwerbers nichts abzuleiten. Abgesehen davon, dass der Kläger in erster Instanz nicht sein Hauptbegehren, sondern nur das rechtskräftig zurückgewiesene und daher nicht Teil des Verfahrens gewordene Eventualbegehren auf den Rechtsgrund einer Entlohnung für berufsfremde Tätigkeiten gestützt hat, wäre der geltend gemachte Anspruch daraus auch nicht zu begründen, sondern nur ein Recht des Vertragsbediensteten, außerhalb des ihm zugewiesenen Pflichtenkreises liegende Dienstverrichtungen abzulehnen (8 ObA 117/20v).

[9] Die Entscheidung des Berufungsgerichts stimmt auch dahingehend mit der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung überein, dass es durchaus zulässig ist, wenn mit jeweils auf den Eintrittstag bezogenen Änderungen von Dienstbestimmungen Gruppen von Arbeitnehmern geschaffen werden, die unterschiedlichen Regelungen unterliegen und deren Lage aus diesem Grund nicht unmittelbar vergleichbar ist. Der parallele Bestand unterschiedlicher vertraglicher Systeme bedeutet nicht, dass ältere Regelungen, die für andere Gruppen von vornherein nicht gelten, in Zukunft einzementiert bleiben müssen und keiner verschlechternden Veränderung mehr unterliegen können. Dasselbe muss aber auch gelten, wenn stichtagsbezogen ein neues Besoldungssystem geschaffen wird, das in einzelnen Punkten auch Verbesserungen vorsieht (8 ObA 55/19z; 9 ObA 103/20t). An der besoldungsrechtlichen Stellung des Klägers hat sich durch die Einführung des neuen Besoldungssystems nichts geändert, insbesondere auch nichts verschlechtert.

[10] Die übereinstimmende Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass dem Kläger keine Erschwernisabgeltung nach dem allgemeinen Zulagensystem des Nebengebührenkatalogs zusteht, weil keine der begehrten Zulagen für Mitarbeiter der Parkraumüberwachung vorgesehen ist, ist basierend auf dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Verordnung nicht zu beanstanden. Der äußerste mögliche Wortsinn einer Gesetzes‑ oder Verordnungsbestimmung ist die Grenze jeglicher Auslegung (RS0031382).

[11] 4. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision zurückzuweisen.

Stichworte