OGH 9Ob11/21i

OGH9Ob11/21i24.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen Dr. Fichtenau, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R*****, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher, Dr. Renate Erlacher‑Philadelphy und Mag. Katharina Erlacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. L*****, vertreten durch Dr. Christian Prader, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Jänner 2020, GZ 5 R 120/20p‑8, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00011.21I.0324.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Unstrittig ist, dass das zwischen den Streitteilen bestehende Mietverhältnis in den Teilanwendungsbereich des § 1 Abs 4 MRG fällt, sodass die zwingenden Befristungsregelungen des § 29 MRG Anwendung finden.

[2] Eine Befristung bei Wohnungsmietverhältnissen ist durchsetzbar, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und wenn von vornherein durch Datum oder Fristablauf ein Endtermin bestimmt ist (RS0090569). Die Befristungsvereinbarung muss ausreichend bestimmt und unzweifelhaft erfolgen. Der Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags muss von vornherein objektiv feststellbar und darf nicht vollkommen ungewiss sein. Der Endtermin kann auch durch den Eintritt eines bestimmten Ereignisses oder eines besonderen Umstands bestimmt sein, dessen Eintritt zum Zeitpunkt der Vereinbarung feststeht (RS0090569 [T8]).

[3] Dem Mieter soll noch vor der vertraglichen Bindung eindringlich vor Augen geführt werden, dass er sich auf einen Zeitmietvertrag einlässt (5 Ob 208/10i, immolex 2012/4, 15 [Prader]). Nur wenn der Mieter entsprechend der Intention des Gesetzgebers davon ausgehen musste bzw sich darauf einstellen kann, dass das Mietverhältnis ohne sein weiteres Zutun zu einem bestimmten Zeitpunkt enden werde, ist der Endtermin ausreichend bestimmt (RS0070201).

[4] Ob die konkrete Vertragsgestaltung diesen Grundsätzen entspricht, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln (RS0090569 [T8]). Für die Frage der Wirksamkeit der Befristung nach § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG kommt es nur darauf an, ob sie sich aus dem Wortlaut der Urkunde selbst ergibt (1 Ob 221/12z mwN).

[5] Ist die Voraussetzung, dass die Befristung schriftlich sowie mit unbedingtem, datumsmäßig feststehendem Endtermin vereinbart werden muss, nicht erfüllt, ist die Befristung nicht durchsetzbar und gilt der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann vom Vermieter nur unter sinngemäßer Anwendung der spezialgesetzlichen Kündigungsvorschriften beendet werden (Lovrek in Rummel/Lukas 4 § 1115 ABGB Rz 6 und 20).

[6] Im vorliegenden Fall vereinbarten die Parteien, dass das auf die Dauer von drei Jahren abgeschlossene Mietverhältnis, das am 1. 4. 2016 beginnt, nach Ablauf von drei Jahren am 31. 3. 2019 endet, ohne dass es einer Aufkündigung bedarf. Diese Vereinbarung wurde mit einem dem Mieter eingeräumten „Vormietrecht“ kombiniert: Wie sich aus Punkt 2 des im Akt erliegenden Mietvertrags Blg ./A ergibt, lautet die dazu getroffenen Vereinbarung wie folgt: „Sollte der Vermieter nicht jeweils 6 Monate vor Ablauf des Vertrags erklären, diesen nicht zu verlängern, so gilt der Vertrag zu gleichen Bedingungen um weitere drei Jahre verlängert.“ Dieses „Vormietrecht“ war nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nach dem Willen der Vertragsteile so gedacht und gewollt, dass sich das Vertragsverhältnis automatisch um weitere drei Jahre verlängert, wenn der Vermieter nicht innerhalb der vereinbarten 6-Monatsfrist vor Ablauf des Vertrags erklärt, diesen nicht zu verlängern. 2019 unterließ der Beklagte (als Vermieter) die Erklärung, den Vertrag nicht verlängern zu wollen. Nach Unterlassen dieser Erklärung wurde das Mietverhältnis unverändert weitergeführt.

[7] Bereits im Jahr 2010 hatten die Streitteile über die selbe Wohnung einen schriftlichen Mietvertrag mit einer analogen Abrede zur Auflösung des Mietvertrags (Bestanddauer) abgeschlossen. Auch schon 2013 war das Mietverhältnis nach Unterlassen der Erklärung des Vermieters weitergeführt worden.

[8] Das Erstgericht wertete diese Abrede nicht als Einräumung eines Vormietrechts für den Fall, dass der Vermieter nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer das Mietobjekt zu neuen Bedingungen weiter vermieten wollte, sondern als eine im Vorhinein (allein) dem Vermieter zustehende „Verlängerungsoption“. Die Durchsetzbarkeit der Befristung sei zu verneinen, weil Optionsrechte, bei denen die Verlängerung von einem – bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags – unbestimmten Verhalten des Vermieters abhänge, dem Bestimmtheitsgebot des § 29 MRG entgegenstehen. Wesentlich sei, ob der Endtermin für den Mieter ohne weiteres Zutun von Vermieterseite absehbar sei. Da die Dauer des Mietverhältnisses bzw die jeweilige Verlängerung um drei Jahre ausschließlich in die Hände des Bestandgebers gelegt worden sei und von dessen zukünftigem Verhalten abhänge, habe sich der Mieter nicht von vornherein auf eine bestimmte Vertragsdauer einstellen können.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge.

[10] Die außerordentliche Revision des Beklagten ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

[11] 1.1 Die Auslegung des Inhalts einer konkreten vertraglichen Beziehung ist regelmäßig von der Kasuistik des Einzelfalls geprägt und bildet grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage (RS0090569 [T3]). Eine solche läge nur vor, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0042776).

[12] 1.2 Dies ist hier zu verneinen:

[13] Dass der übereinstimmende Parteiwille nicht auf die Einräumung eines bloßen Rechts, einen neuen Mietvertrag zu neuen Bedingungen nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer abzuschließen gerichtet war („Vormietrecht“), wird vom Revisionswerber nicht bezweifelt (zur Befristungsunschädlichkeit von Vormietrechten siehe jüngst (10 Ob 88/18s, krit: Vonkilch in wobl 2020/331 [337]; 6 Ob 124/20h jeweils mwN). Davon, dass nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien vom Abschluss einer Befristungsvereinbarung auszugehen ist, die mit einer Abrede über die Verlängerung des Mietverhältnisses über den vertraglich genannten Termin hinaus („Verlängerungsoption“) kombiniert ist, geht der Revisionswerber in seiner Rechtsmittelschrift selbst aus.

[14] 2.1 Nach der Rechtsprechung steht eine „Verlängerungsoption“ einer wirksamen Befristung des Mietvertrags nicht entgegen, sofern das Erlöschen des Mietverhältnisses als solches nicht von einer Bedingung abhängig gemacht wird. Eine Verlängerungsoption gewährleistet den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zweck dann, wenn die Verlängerung des Mietverhältnisses von einer Erklärung bloß des Mieters oder einem eindeutig objektivierbaren Verhalten des Vermieters abhängig gemacht wird, nicht aber wenn sie an eine auslegungsbedürftige Bedingung geknüpft wird (3 Ob 219/13x zu der Bedingung eines „friktionsfreien Ablaufs des Mietverhältnisses“). Als (weitere) Beispiele für (unzulässige) Bedingungen wurde in der Entscheidung 5 Ob 26/11a immolex 2011/75 [Schlein] eine vorhergehende Erklärung genannt, bei deren Unterlassung das Bestandverhältnis als stillschweigend erneuert gilt oder die Unterlassung einer Erklärung, wie bei Nichtausübung von Optionsrechten.

[15] 2.2 In der Entscheidung 4 Ob 133/18i (immolex 2018/84 [Prader]) wurden einige Entscheidungen zu Vertragsklauseln, die eine Befristungsvereinbarung mit einer Verlängerungsoption kombinieren, dahin zusammengefasst, dass zu einem festgelegten Endtermin eine einmalige Verlängerung eines auf (drei Jahre befristeten) Mietvertrags (um drei Jahre) akzeptiert werde, wenn der Vermieter nicht vor Beendigung rechtzeitig kündigt, sodass von einer rechtswirksam vereinbarten Befristung von insgesamt sechs Jahren auszugehen sei. Dieser Lösung stünden Formulierungen wie „jeweils um drei Jahre“ oder „immer wieder um drei Jahre“ als unzulässig gegenüber (7 Ob 85/99x wobl 1999/158 [krit Prader]). Auch im Fall einer dem Mieter eingeräumten Verlängerungsoption müsse der Endtermin, zu dem das Mietverhältnis jedenfalls (spätestens) endet, datumsmäßig (durch Endtermin oder Anfangsdatum und Vertragsdauer) bestimmt sein (7 Ob 168/05i immolex LS 2006/5). Die Beendigung zum bestimmten Datum bzw das Erlöschen des (befristeten) Mietvertrags dürfe nicht von einer Bedingung wie von der Unterlassung einer Erklärung wie bei Nichtausübung von Optionsrechten abhängig gemacht werden (5 Ob 26/11a immolex 2011/75 [Schlein]).

[16] 2.3 Im vorliegenden Fall soll sich das Mietverhältnis „automatisch“ um drei Jahre verlängern, sofern der Vermieter „jeweils“ keine Verlängerungserklärung abgeben sollte (siehe Punkt 2 des Mietvertrags Blg ./A). Im Hinblick auf diese Vertragsgestaltung hält sich die Rechtsansicht der Vorinstanzen, aus dem Mietvertrag ergebe sich keine durchsetzbare Befristungsvereinbarung innerhalb des Rahmens der bisherigen Rechtsprechung. Das Auslegungsergebnis, die Vereinbarung entspreche nicht den Anforderungen an einen unbedingten, ausreichend transparenten Endtermin iSd § 29 MRG ist nach der Lage des Falls vertretbar. Indem das Mietverhältnis im Ergebnis nicht zum genannten Endigungstermin von selbst erlischt, wird die Beendigung des Mietvertrags an eine Bedingung geknüpft. Darüber hinaus wird dem Vermieter nicht nur die Möglichkeit in die Hände gelegt, die Abgabe der Verlängerungserklärung einmal, sondern mehrmals zu unterlassen (was sich aus der Formulierung „jeweils“ ergibt). Für den Mieter bleibt – ungeachtet des im Vertrag datumsmäßig genannten Endtermins – von Anfang an objektiv unklar, wann das Mietverhältnis erlöschen bzw beendet sein wird. Der Absicht des Gesetzgebers, der Mieter solle sich von vornherein auf eine bestimmte Vertragsdauer einstellen können, wird nicht erreicht. Wurde eine konkrete Vertragsgestaltung, die zu einer Aushöhlung des Begriffs des unbedingten Endtermins führen könnte, von den Vorinstanzen als nicht durchsetzbar beurteilt, bedarf es keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

[17] 3. Die Vertretbarkeit des von den Vorinstanzen erzielten Auslegungsergebnisses wird auch durch die in der außerordentlichen Revision zitierte (weitere) Rechtsprechung nicht in Frage gestellt. Der Entscheidung 2 Ob 109/07d lag eine Vereinbarung zugrunde, nach der dem Vermieter die Möglichkeit eingeräumt war, durch Nichtabgabe einer Erklärung das auf vier Jahre befristet abgeschlossene Mietverhältnis einmal um ein Jahr zu verlängern. Die Ansicht der dortigen Vorinstanzen, darin sei eine durchsetzbare Befristungsvereinbarung zu sehen, wurde vom Obersten Gerichtshof im Rahmen eines Zurückweisungsbeschlusses nicht als aufzugreifende Fehlbeurteilung erachtet, was auf Kritik gestoßen ist ( Würth/Zingher/Kovanyi , Miet- und Wohnrecht 23 MRG § 29 Rz 13; Hausmann/Vonkilch 3 § 29 MRG Rz 37).

[18] 4.1 Ein unvertretbares Auslegungsergebnis zeigt der Revisionswerber auch nicht mit seinem Standpunkt auf, die nahezu wörtliche Aufnahme bzw Abbildung des Gesetzestextes des § 29 Abs 3 lit b MRG über die gesetzliche Anordnung der stillschweigenden Verlängerung der Vertragsdauer auf drei Jahre in die zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsklausel müsse zur Durchsetzbarkeit der Befristungsvereinbarung führen:

[19] 4.2 Nach der mit der WRN 2006 BGBl I 2006/14 zum Schutz der Vermieter eingefügten Bestimmung des § 29 Abs 3 lit b MRG gelten Mietverträge auf bestimmte Zeit, die nach Ablauf der wirksam vereinbarten oder verlängerten Vertragsdauer weder vertraglich verlängert noch aufgelöst werden, einmalig als auf drei Jahre erneuert. Wird der Mietvertrag nach Ablauf dieser drei Jahre ein weiteres Mal aufgelöst, gilt er jedoch als auf unbestimmte Zeit erneuert.

[20] 4.3 Dem Revisionsvorbringen, durch die im vorliegenden Fall vertraglich vereinbarte Möglichkeit der Erklärung des Vermieters spätestens sechs Monate vor Vertragsende verfüge der Mieter sogar über eine frühere Gewissheit über das Vertragsende als im Fall der gesetzlichen Regelung des § 29 Abs 3 lit b MRG, ist entgegenzuhalten, dass in § 29 Abs 3 lit b MRG auf ein Verhalten des Vermieters (durch unbeanstandete Gewährung der Weiterbenützung des Mietobjekts) nach Verstreichen des unbedingten Endtermins abgestellt wird, ohne dass für den Mieter Zweifel an der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer entstehen können.

[21] 5. Die außerordentliche Revision war daher mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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