OGH 7Ob33/21k

OGH7Ob33/21k24.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. I* E*, vertreten durch Dr. Josef Broinger und Mag. Markus Miedl, LL.M., Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei H* S*, vertreten durch die Grünbart‑Lison Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Jänner 2021, GZ 6 R 156/20h‑37, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131480

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1. Der Bauführer haftet im Innenverhältnis gegenüber dem Bauherrn nur für die von ihm vertraglich übernommenen Aufgaben (8 Ob 8/17k mwN = RS0112778 [T5]).

[2] § 1168a Satz 3 ABGB bringt die allgemeine Schutzpflicht und Sorgfaltspflicht des Schuldners in der speziell auf den Werkvertrag zugeschnittenen Warnpflicht zum Ausdruck (RS0022086). Sie besteht grundsätzlich auch gegenüber einem sachkundigen Besteller (RS0021906). Der Unternehmer wird von der Warnpflicht aber dann befreit, wenn er davon ausgehen darf, dass der Besteller über Mängel in seiner Sphäre durchaus Bescheid weiß und das Risiko der Werkbestellung dennoch übernimmt (RS0021906 [T4, T6]; 8 Ob 8/17k; 10 Ob 21/15h; 2 Ob 77/08m = ZVB 2010/38, 123 [zustimmend Michl], jeweils mwN).

[3] 1.2. Die Beurteilung, ob der Beklagte als Werkauftragnehmer die nach § 1168a Satz 3 ABGB bestehende Warnpflicht verletzt hat, ist typischerweise eine Frage des Einzelfalls. Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre in seiner Entscheidung eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte (8 Ob 8/17k; RS0116074 [T1, T2]). Das ist nicht der Fall.

[4] 1.3. Die Klägerin wusste – bereits lange vor der Beauftragung des Beklagten mit der Durchführung der Bauarbeiten –, dass die ihm ausgefolgten und seinem Auftrag zugrundeliegenden Pläne von der Bauplatzgenehmigung und der Baubewilligung erheblich abwichen und die Einholung entsprechender baubehördlicher Bewilligungen erforderlich ist, die sie (trotz Zusage) nicht einholte. Sie beauftragte den Beklagten mit der Errichtung des Rohbaus in Kenntnis der konsenswidrigen Baupläne. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, den Beklagten habe keine Verletzung der Warnpflichten nach § 1168a ABGB getroffen, weil die Klägerin von der wesentlichen Planabweichung Bescheid gewusst habe und er sie nicht – über für sie – Selbstverständliches aufklären habe müssen, ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Meinung der Klägerin muss sie der Beklagte nicht über einen Umstand warnen, der ihr vollkommen klar war und den sie selbst bewusst in Kauf genommen hat.

[5] 2. Der Beklagte war Bauführer im Sinn des § 40 Abs 1 Oö Bauordnung 1994 (LGBl 1994/66 idF LGBl 2013/34; folgend: Oö BauO 1994). Nach der klaren und eindeutigen Anordnung in § 40 Abs 3 Oö BauO 1994 besteht die Verantwortlichkeit des Bauführers (speziell für die bewilligungsgemäße Ausführung) nur gegenüber der Baubehörde; die zivilrechtliche Haftung bleibt unberührt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne aus der verwaltungsrechtlichen Verantwortung des Beklagten als Bauführer mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs zwischen § 40 Oö BauO 1994 und dem behaupteten Schaden (frustrierter Bauaufwand, Abbruchkosten) keine zivilrechtliche Haftung ableiten, ist nicht korrekturbedürftig. Allein aus der Übernahme der Bauführerschaft, die den Beklagten gemäß § 40 Abs 3 Oö BauO 1994 gegenüber der Baubehörde verantwortlich macht, ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin keine vertragliche Verpflichtung, auch „für die Einhaltung der öffentlich‑rechtlichen Bauvorschriften und Baugenehmigungen Sorge zu tragen“, deren Fehlen ihr ja bekannt war.

[6] 3. Auf das vom Berufungsgericht verneinte rechtliche Interesse im Sinn des § 228 ZPO an der begehrten Feststellung, weil die Klägerin bereits eine Leistungsklage erheben könnte, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte