European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00030.21Z.0323.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind schuldig, den erst- und zweitklagenden Parteien je die Hälfte der mit 1.078,75 EUR (darin enthalten 179,96 EUR USt) und der drittklagenden Partei die mit 1.032,90 EUR (darin enthalten 172,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Mit Schenkungsvertrag vom 4. 8. 2017 erhielten die Erstklägerin das Grundstück 1320/3 und die Zweitklägerin das Grundstück 1320/2 von ihrer Mutter. Diese Grundstücke gingen aus der im Verlassenschaftsverfahren nach dem verstorbenen Bruder der Mutter und der Drittklägerin erfolgten Teilung des Grundstücks 1320 hervor. Die Drittklägerin erhielt nach der Liegenschaftsteilung unter anderem das Grundstück 1320/1. Die Erst- und Zweitbeklagte sind Miteigentümer unter anderem des Grundstücks 1361/3, über das ein (nunmehr) asphaltierter Weg führt. Dieses Grundstück und das Grundstück 1320, aus dem die nunmehrigen Grundstücke der Klägerinnen hervorgegangen sind, befanden sich ursprünglich im Eigentum des Großvaters der Erst- und Zweiklägerin und der Zweitbeklagten. Die Erstbeklagte ist deren Mutter. Sie und die Erstbeklagte erhielten das Grundstück 1361/3 als Erben nach ihrem Ehemann bzw Vater, der es seinerseits mit Schenkungsvertrag vom 8. 1. 1976 von seinem Vater erhalten hatte, der in den 1960iger‑Jahren auf den am Grundstück 1320 gebildeten Bauparzellen ein Wohnhaus errichtet hatte, in dem auch Fremdenzimmer vermietet wurden. Dieses Haus ist ausschließlich auf dem Weg über das Grundstück 1361/3 erreichbar. Die Grundstücke der Klägerinnen liegen direkt an diesem Weg und können ebenfalls nur über ihn erreicht werden. Sie grenzen aneinander, wobei jenes der Zweitklägerin an die Liegenschaft der Beklagten anschließt. Die Erst- und Zweitklägerinnen bzw die Kinder der Drittklägerin möchten auf diesen Grundstücken Wohnhäuser errichten.
[2] Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass zu Gunsten ihrer jeweiligen Grundstücke das Geh- und Fahrrecht über das Grundstück 1361/3 der Beklagten besteht und deren Verurteilung, in die Einverleibung dieser Grunddienstbarkeiten zuzustimmen.
[3] Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung – soweit noch von Interesse – mit der (von den Klägerinnen unbeanstandet gebliebenen) Maßgabe, dass es den Umfang der festgestellten Grunddienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts für Wohngebäude zugunsten der jeweiligen Grundstücke im Ausmaß der derzeit in der Natur bestehenden asphaltierten Wegtrasse beschrieb. Die Revision erklärte es für zulässig, weil zur Frage der Verjährung einer Dienstbarkeit im Zusammenhang mit einer angestrebten aber noch nicht erfolgten Umwidmung einer Liegenschaft ‒ soweit überschaubar ‒ keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
[4] Die von den Klägerinnen beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1.1 Bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von welchen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, entsteht auch ohne Verbücherung eine Dienstbarkeit. Der durch den Übertragungsakt tatsächlich geschaffene Zustand hat in einem solchen Fall die Natur einer Dienstbarkeit, sodass die Servitut unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht (RIS‑Justiz RS0011618; vgl auch RS0011643; RS0119170). Auf diese Weise kann die Servitut nicht nur für den Erwerber, sondern auch für den Veräußerer eines Grundstücks begründet werden (2 Ob 28/10x). Im Zeitpunkt der Übereignung des dienenden Grundstücks müssen jedoch Anlagen vorhanden sein, die offenkundig machen, dass ein Grundstück dem anderen dient. Der Erwerber der dienenden Liegenschaft muss die bisher faktisch bestehende Dienstbarkeit entweder gekannt haben oder er hätte sie wegen ihrer Offenkundigkeit zumindest kennen müssen (RS0011643; RS0011618). All dies gilt auch in den Fällen der Teilung einer Liegenschaft, sofern eine der dadurch entstandenen „neuen“ Liegenschaften erkennbar einer Dienstbarkeit (idR eines Wegerechts) bedarf (vgl 1 Ob 220/20i = RS0011618 [T33]).
[6] 1.2 Ohne nähere Auseinandersetzung mit den in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen oder mit dem Meinungsstand in der Lehre (vgl nur Hofmann in Rummel 3 § 481 ABGB Rz 2; Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.01 § 481 Rz 12) vertreten die Revisionswerberinnen, dass allein aus der Teilung von zwei Grundstücken keine Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts entstehen kann, wenden sich damit in Wahrheit aber nicht gegen die aus der Teilung aufgrund des Schenkungsvertrags vom 8. 1. 1976 entstandene Servitut zugunsten des Grundstücks 1320, sondern gehen erkennbar davon aus, dass wegen der derzeitigen Widmung der daraus abgetrennten Grundstücke der Klägerinnen nur eine solche zu landwirtschaftlichen Zwecken bestehe. Sie hätten sich nie dagegen ausgesprochen, dass die jeweiligen Eigentümer der herrschenden Grundstücke über den Weg auf ihrer Liegenschaft zufahren, um Landwirtschaft zu betreiben, seien jedoch gegen eine weitere Verbauung. Damit sind nicht Fragen der Verjährung einer Dienstbarkeit, sondern solche nach einer (allenfalls unzulässigen) Erweiterung der Servitut angesprochen, die aber stets nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden kann (vgl nur 2 Ob 88/03k).
[7] 2.1 Unstrittig ist, dass bis zur Teilung des Grundbesitzes durch den gemeinsamen Vorfahren der Streitteile mit Schenkungsvertrag vom 8. 1. 1976 der Weg über das nunmehrige Grundstück 1361/3 nicht nur landwirtschaftlichen Zwecken, sondern insbesondere auch der Zufahrt zu dem am Grundstück 1320 errichteten Wohnhaus gedient hat und nach wie vor dient. Das Bestehen einer solchen Servitut des uneingeschränkten Gehens und Fahrens stellen die Beklagten auch nicht in Abrede, wenn sie darauf abstellen, 1976 habe der Weg offenkundig dazu gedient, den landwirtschaftlichen Betrieb des Rechtsvorgängers der Klägerinnen am Grundstück 1320 aufrechtzuerhalten, nicht aber der weiteren Erschließung.
[8] 2.2 Wird das herrschende Gut geteilt, besteht eine Grunddienstbarkeit mangels Vereinbarung zugunsten aller Teile fort (§ 844 Satz 4 ABGB). Die Teilung des herrschenden Guts lässt daher nicht Teilrechte, sondern eine Mehrheit selbständiger Dienstbarkeiten zugunsten der Sachteile entstehen (Klang in Klang, Komm² 1135; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas, ABGB4 § 844 ABGB Rz 9 [Stand 1. 8. 2015, rdb.at]; Parapatits in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 844 Rz 3 [Stand 1. 10. 2016, rdb.at]). Grundsätzlich darf eine Dienstbarkeit durch eine Teilung des herrschenden Grundstücks zwar nicht erweitert oder beschwerlicher gemacht werden; eine Mehrbelastung des dienenden Grundstücks ist aber zulässig, wenn bei der Begründung der Dienstbarkeit an eine durch Teilung des herrschenden Grundstücks künftig entstehende Mehrbelastung gedacht wurde oder daran nach den Umständen zu denken war (RS0011815; RS0011660). Bereits in der Entscheidung zu 2 Ob 88/03k hat der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf Vorjudikatur ausgesprochen, dass bei Entstehen der Servitut noch keine konkrete Teilungsabsicht absehbar sein muss; es genügt, dass nach objektiven Gesichtspunkten, nämlich Größe und Lage des Grundstücks, schon bei der Bestellung der Dienstbarkeit damit zu rechnen ist, dass es (etwa durch Rechtsnachfolger) weiter geteilt würde, deren Eigentümer dann keinen anderen Zugang zum öffentlichen Wegenetz als über den Dienstbarkeitsweg haben konnten. Allein die Steigerung der Zahl der Benützungsfälle stellt noch keine unzulässige Erweiterung der Servitut dar (RS0011748 [T3]).
[9] 2.3 Im vorliegenden Fall steht fest, dass den Beteiligten bei Abschluss des Schenkungsvertrags vom 8. 1. 1976 bewusst war, dass weitere Bauplätze, die dann nur über den Sevitutsweg erreicht werden konnten, geschaffen werden sollten, weil der ursprüngliche Alleineigentümer beider Liegenschaften und Rechtsvorgänger der Klägerinnen seinen Nachkommen eine solche Möglichkeit eröffnen wollte und das auch so besprochen hat. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen angenommen hat, mit einer Teilung des herrschenden Grundstücks 1320 sei bereits bei Entstehung der Servitut zugunsten dieses Grundstücks zu rechnen gewesen, hat es die Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums nicht überschritten und im Einzelfall vertretbar eine unzulässige Erweiterung der Servitut durch die Teilung verneint.
[10] 2.4 Das Geh- und Fahrrecht zugunsten der ungeteilten herrschenden Liegenschaft war bereits ursprünglich nicht auf landwirtschaftliche Zwecke beschränkt, sondern erfasste auch die Zufahrt zu (aktuellen und künftigen) Wohnzwecken und besteht nach der Teilung inhaltlich unverändert fort. Die Servitut zugunsten der Trennstücke der Klägerinnen erfasst daher auch diesen Benützungszweck. Fragen der zur Zeit für die Trennstücke geltenden Widmung sind hier nicht zu klären. Grundsätzlich richtig ist, dass die Dienstbarkeit nach § 1479 ABGB verjähren kann, wenn der Berechtigte sie 30 Jahre nicht ausübt. Als Zufahrt zu dem auf dem Grundstück 1320 errichteten Wohnhaus wurde der Servitutsweg stets verwendet. Eine Erweiterung der Servitut des Gehens und Fahrens zugunsten der jeweiligen Trennstücke der Klägerinnen ist erst mit der Teilung des bis dahin allein herrschenden Grundstücks 1320 im Verlassenschaftsverfahren nach dem am 2. 7. 2014 verstorbenen Onkel bzw Bruder der Klägerinnen entstanden. Fragen der Verjährung wegen Nichtausübung, weil – wie die Beklagten meinen – auf den Trennstücken seit mehr als 30 Jahren keine Wohnhäuser errichtet worden sind und der Servitutsweg bislang nicht zu Wohnzwecken zu Gunsten dieser Grundstücke benutzt worden ist und damit die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage, stellen sich in einem solchen Fall nicht. Inwieweit bei dieser Sachlage die im Schenkungsvertrag vom 8. 1. 1976 erwähnte Servitut des Fußsteigs zum Tragen kommen soll, vermögen die Revisionswerber mit ihrem Hinweis auf deren Wiederaufleben aufgrund der Durchführung der im Vertrag angeordneten Liegenschaftsteilung nicht aufzuzeigen, zumal sie jeden Hinweis auf einen Bezug zur gegenständlichen Zufahrtsmöglichkeit (die in der Natur schon damals vorhandene und genutzte Wegtrasse) missen lassen. Die in der Revision aufgeworfenen Fragen der Ersitzung sind ebenfalls ohne Relevanz.
[11] 3. Nach der Rechtsprechung hindert ein Veräußerungs- und Belastungsverbot nicht das Entstehen von Dienstbarkeiten, die nicht auf vertraglicher Grundlage beruhen, sondern – wie hier durch die (weitere) Teilung – (ex lege) unmittelbar entstehen (5 Ob 85/00m SZ 73/192; RS0011618 [T16]). Die ursprüngliche Servitut zugunsten des Grundstücks 1320 wurde zudem anlässlich der Liegenschaftsteilung im Jahr 1976 und damit lange vor dem bücherlichen Verbot begründet. Auch mit dem Verweis auf das zu ihren Gunsten (wechselweise) einverleibte Veräußerungs- und Belastungsverbot sprechen die Beklagten daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung an.
[12] 4. Richtig ist, dass nach § 12 Abs 2 GBG bei Dienstbarkeiten, die auf bestimmte räumliche Grenzen beschränkt sein sollen, diese genau bezeichnet werden müssen, sodass eine unzureichende Beschreibung des Umfangs der Dienstbarkeit wegen deren mangelnder Bestimmtheit der Eintragung im Grundbuch entgegenstehen kann (RS0119604). Ob ein Gesuch auf Einverleibung einer Dienstbarkeit dem Bestimmtheitsgebot entspricht, und ob der Anschluss einer planlichen Darstellung des Verlaufs des Servitutswegs erforderlich ist, stellt aber typischerweise eine Frage des Einzelfalls dar, deren Beantwortung insbesondere vom Inhalt des zu verbüchernden Rechts und der die Eintragungsgrundlage bildenden Urkunde(n) abhängt (RS0119604 [T2; T8]). Das Berufungsgericht hat der Entscheidung erster Instanz eine deutlichere Fassung gegeben und den räumlichen Umfang des Geh- und Fahrrechts mit der derzeit in der Natur bestehenden asphaltierten Wegtrasse konkretisiert. Deren exakter Verlauf in Bezug zu den hier gegenständlichen Grundstücken ist überdies der dem Ersturteil angeschlossenen Luftbildaufnahme „Vorarlberg Atlas Planung und Kataster“ unzweifelhaft zu entnehmen, sodass weder die von den Beklagten behaupteten Mängel der Bestimmtheit noch die daraus abgeleitete Unschlüssigkeit des Klagebegehrens zu erkennen sind.
[13] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht.
[14] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerinnen haben darauf hingewiesen, dass die Revision nicht zulässig ist und haben daher Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten der Revisionsbeantwortungen. Der Streitgenossenzuschlag gemäß § 15 RATG beträgt für die Rechtsmittelgegenschrift der Erst- und Zweitklägerinnen 15 %, für jene der Drittklägerin 10 %. Zudem war der Einheitssatz für die Revisionsbeantwortung der Drittklägerin auf 50 % zu berichtigen.
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