OGH 12Os126/20a

OGH12Os126/20a2.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in der Strafsache gegen Rijad K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Muhammed C*****, Ahmet S***** und Semin Ca***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Jugendschöffengericht vom 30. Juni 2020, GZ 25 Hv 26/20s‑300b, und die Beschwerde des Angeklagten Ahmet S***** gegen einen zugleich gefassten Beschluss auf Anordnung von Bewährungshilfe und auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00126.20A.0302.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten Muhammed C*****, Ahmet S***** und Semin Ca***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuld- und Freisprüche Mitangeklagter enthaltenden Urteil wurden

Muhammed C***** des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB (I./), jeweils eines Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall StGB (II./1./ und 6./), der Verbrechen des Raubes nach §§ 142 Abs 1 und 2, 15 StGB (II./5./), (richtig:) der Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 12 zweiter Fall, 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 2 StGB (III./1./a./ und b./), der Verbrechen der Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 12 zweiter Fall, 15 StGB (III./1./c./ bis e./), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (IV./), der Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2 StGB (V./2./), des Vergehens des Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 130 Abs 1 zweiter Fall StGB (VI./) und der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB ([richtig:] nur VII./1./ – vgl US 6, 22 f, 27 f);

Ahmet S***** des Verbrechens des „schweren“ (vgl aber US 12, 14, 19 ff, 37, 41, 64 f, 69) Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB (II./1./) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 12 dritter Fall, 105 Abs 1 StGB (IV./) und

Semin Ca***** des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./), des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster Fall StGB (II./1./), der Verbrechen der Erpressung nach §§ 12 dritter Fall, 144 Abs 1 StGB (III./2./c./), des Vergehens der Nötigung nach §§ 12 dritter Fall, 105 Abs 1 StGB (IV./), des Vergehens des Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 130 Abs 1 zweiter Fall StGB (VI./) und der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (VII./1./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben – soweit hier von Bedeutung –

I./ in L***** und an anderen Orten von Sommer 2018 bis zum 13. Dezember 2019 Muhammed C*****, Semin Ca***** sowie weitere Mitangeklagte und gesondert verfolgte Mittäter sich an einer kriminellen Vereinigung beteiligt, nämlich an der von Muhammed C***** gegründeten „SMW‑Bande“, welche ein auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen war, der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung mehrere Verbrechen, insbesondere (auch schwere) Erpressungen und (auch schwere) Raubtaten, andere erhebliche Gewalttaten gegen Leib und Leben sowie nicht nur geringfügige Sachbeschädigungen, Diebstähle und Betrügereien ausgeführt werden, wobei Muhammed C***** die Vereinigung gründete und ebenso wie Semin Ca***** und weitere Mitangeklagte bei im einzeln bezeichneten Straftaten in unterschiedlichen Beteiligungsformen als Täter fungierten;

II./ anderen mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), teils unter Verwendung einer Waffe und (zu 1./, 2./, 4./ und 6./) als Mitglied der zu I./ genannten kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung von anderen Mitgliedern dieser Vereinigung (§ 12 StGB) Bargeld und andere Gegenstände mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt oder weggenommen, und zwar:

1./ im April oder Mai 2019 in A***** Muhammed C***** unter Verwendung einer Waffe dem Alexander B***** 20 Euro, indem er ihm ein Springmesser vorhielt und sagte: „Geld her oder ich tu dir was!“, ihm einen Faustschlag gegen die linke Gesichtshälfte und einer der Mittäter ihm einen Fußtritt ins Gesicht versetzte, wobei Semin Ca*****, Ahmet S***** und weitere Mitangeklagte zur Ausführung der strafbaren Handlung beitrugen, indem Semin Ca***** vor das Auto des Alexander B***** sprang und ihn so am Weiterfahren hinderte, und Ahmet S***** sowie weitere Mitangeklagte das Fahrzeug umstellten und in alle Richtungen Aufpasserdienste leisteten;

5./ von Sommer 2018 bis zum Frühjahr 2019 in L***** und an anderen Orten Muhammed C***** in mehreren Angriffen im Beisein von weiteren Mittätern dem Jakob Ba***** kleinere Münzgeldbeträge, indem er im Wissen, dass der Genannte durch vorangegangene Drohungen mit Schlägen und das Auftreten in der Gruppe Angst vor unmittelbar drohenden körperlichen Übergriffen im Fall der Verweigerung der Forderungen hatte, ihn forsch nach Bargeld fragte und im Falle der Weigerung das Vorzeigen der Geldtasche einforderte, wobei es teilweise mangels Bargelds beim Versuch geblieben ist und er die Tat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen hat und die Taten nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen haben;

6./ im Mai 2019 in L***** Muhammed C***** und der Mitangeklagte Rijad K***** einem Jugendlichen Bargeld in unbekannter Höhe, indem sie ihm den Weg verstellten, beide Geld forderten, Muhammed C***** eine Schreckschusspistole gegen dessen Kopf richtete und dabei äußerte „Geld her oder du siehst, was passiert!“, ihm die Geldtasche aus der Hand riss und Bargeld entnahm;

III./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere Personen mit gefährlicher Drohung mit der Zufügung von Körperverletzungen zu Handlungen, nämlich der Herausgabe von Bargeld, genötigt, wobei Muhammed C***** die Erpressung (zu III./1./a./ und b./) gegen dieselben Personen längere Zeit hindurch fortsetzte, und zwar:

1./ Eren Bay***** in A***** jeweils über Bestimmung von Muhammed C*****, der die Opfer aussuchte, die Frequenz der Taten bestimmte sowie im Anschluss die Hälfte der Beute von Eren Bay***** für sich beanspruchte, indem er ankündigte, dass Muhammed C***** mit der „SMW‑Bande“ zu ihnen kommen und sie zusammenschlagen werde, falls sie ihm das Geld nicht gäben,

a./ von Sommer 2018 bis zum 21. November 2019 Alexander R***** in zahlreichen Angriffen Bargeldbeträge zwischen 50 und 80 Euro;

b./ von Sommer 2018 bis zum 21. November 2019 Marcel Kö***** in zahlreichen Angriffen kleinere Bargeldbeträge;

c./ im Zeitraum Juli/August 2019 Jan P***** Bargeld, wobei es beim Versuch blieb;

d./ im Zeitraum Juli/August 2019 Pascal G***** in zwei Fällen jeweils 100 Euro;

e./ zwischen 2018 und 2019 in mehreren Angriffen Marcel N***** jeweils Kleingeld im Gesamtwert von etwa 50 Euro und einem weiteren bislang unbekannten Opfer Bargeld zwischen 50 und 80 Euro;

2./ Muhammed C*****

a./ im März/April 2019 in T***** und L***** Jakob Ba*****, indem er im bedrohlichen Beisein mehrerer Mitglieder der „SMW‑Bande“ angab, diese hätten bereits nach ihm gesucht, und er aggressiv die Übergabe von Schutzgeld in Höhe von 900 Euro forderte, zur Übergabe dieses Betrags einige Tage später;

b./ im Herbst 2018 in L***** Timon Kl***** zur Übergabe von 200 bis 300 Euro Bargeld durch die Äußerung, wenn er ihm diesen Geldbetrag zahle, würde er ihn in Ruhe lassen, ansonsten würde er Probleme mit ihm und seinen Leuten bekommen;

c./ von Sommer 2018 bis Herbst 2019 in L***** und an anderen Orten in zahlreichen Fällen bislang unbekannte Personen zur Leistung unbekannter Bargeldbeträge durch die Androhung von Schlägen und körperlicher Gewalt durch Muhammed C***** und seine „SMW‑Bande“, wobei Semin Ca***** in mehreren Fällen durch Abholung der Geldbeträge bei den Opfern und – nach Abzug eines Entgelts für sich selbst – Übergabe an Muhammed C***** zu dessen strafbaren Handlungen beitrug;

(richtig:) IV./ Muhammed C***** in A***** im Anschluss an die zu II./1./ beschriebene Tat Alexander B***** durch Drohung zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung, indem er ihm weiterhin das Springmesser vorhielt, und mit einer Verletzung seines Eigentums, indem er ankündigte, er werde ihm sein Auto wegnehmen, wenn er ihn und seine Mittäter nicht zum Bahnhof bringe, zu einer Handlung, nämlich zur Leistung von Chauffeurdiensten genötigt, wobei Semin Ca***** und andere Mitangeklagte zur Ausführung der strafbaren Handlung durch Umstellen des PKWs und Leistung von Aufpasserdiensten beitrugen;

V./ Fahrzeuge, die zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet sind, ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen, wobei sie sich die Gewalt über die Fahrzeuge durch eine der in den §§ 129 bis 131 StGB geschilderten Handlungen, nämlich durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), verschafften, und zwar

1./ (…)

2./ im zweiten Halbjahr 2018 Muhammed C***** in zwei Fällen das Moped des Jakob Ba*****, und zwar:

a./ in T***** mit Rijad K***** und weiteren sieben bis acht unbekannten Mittätern, indem die Gruppe das Opfer drohend umzingelte und Muhammed C***** die Übergabe des Mopeds aggressiv forderte;

b./ in L***** im Beisein von etwa vier weiteren unbekannten Mittätern, die Jakob Ba***** bedrängten;

VI./ im November 2018 in L***** Rijad K*****, Muhammed C***** und Semin Ca***** als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung dem Cédric D***** fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldbörse mit 190 Euro Bargeld aus dessen Wohnung mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen;

VII./ in L***** Urkunden, über die sie nicht oder nicht allein verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar:

1./ im November 2018 Rijad K*****, Muhammed C***** und Semin Ca*****im Zuge der zu (richtig:) VI./ beschriebenen Tat die e‑card, den belgischen Personalausweis und den Aktivpass des Cédric D*****.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die Muhammed C***** auf Z 5, 5a und 9 lit a, Ahmet S***** auf Z 3, 5 und 9 lit a sowie Semin Ca***** auf Z 4, 5 und 5a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO stützen.

 

[4] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Muhammed C*****:

Die gegen den Schuldspruch I./ gerichtete Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) spricht mit dem Einwand, die Feststellungen zur subjektiven Ausrichtung des Angeklagten in Bezug auf die Gründung einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 1 erster Fall StGB) seien unbegründet geblieben, keine entscheidenden Tatsachen an. Denn dem Angeklagten liegt nach den (insoweit unbekämpft gebliebenen) Konstatierungen zudem – als alternative Tatvariante (vgl Plöchl in WK 2 StGB § 278 Rz 40) – zur Last, sich als Mitglied an dieser kriminellen Vereinigung beteiligt zu haben (§ 278 Abs 1 zweiter Fall StGB).

[5] Dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider haben die Tatrichter vorsätzliches Handeln des Angeklagten hinsichtlich der Raubtat zum Nachteil des Jakob Ba***** (II./5./) aus der wiederholten und rechtsgrundlosen, von Drohungen und Gewalt begleiteten Forderung nach Bargeld abgeleitet (US 48). Der – solcherart – gezogene Schluss von einem objektiven Verhalten auf die subjektive Ausrichtung ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl RIS‑Justiz RS0116882).

[6] Ob der Angeklagte zudem gewusst hat, dass sich der Zeuge Jakob Ba***** aufgrund früherer Drohungen und des Auftretens in der Gruppe gefürchtet hat, ist für eine Tatbeurteilung nach § 142 StGB nicht entscheidend.

[7] Soweit der Rechtsmittelwerber die zum Schuldspruch II./5./ erstattete Kritik undifferenziert auch zu den Schuldsprüchen VI./ und VII./1./ erstattet („Gleich verhält es sich“) und mit dem pauschalen Vorbringen verknüpft, dass der „jeweilige deliktstypische Vorsatz im Rahmen der Beweiswürdigung festgestellt“ worden sei, spricht er ein Begründungsdefizit nicht deutlich und bestimmt an. Bleibt lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Tatrichter die subjektive Tatseite des Angeklagten hinsichtlich der Wegnahme der Geldtasche des Cédric D***** samt Inhalt auf die von diesem Zeugen berichtete Reaktion des Angeklagten und der weiteren Mittäter und ebenso auf den objektiven Tathergang stützten (US 56 f).

[8] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

[9] An diesen Anfechtungsvoraussetzungen scheitert die Beschwerde, die nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung zum Schuldspruch I./ neuerlich die (wie bereits dargelegt: im Übrigen nicht entscheidende) Gründung einer kriminellen Vereinigung durch den Angeklagten bestreitet, die Glaubwürdigkeit der Angaben des Angeklagten Ca***** als geringer bewertet als jene der übrigen Angeklagten, das geringe Alter des Angeklagten C***** herausstreicht und die Depositionen des Angeklagten Eren Bay***** hervorkehrt, wonach dieser im Umfang der zu III./1./ und 2./c./ abgeurteilten Taten aus eigenem Antrieb gehandelt habe.

[10] Soweit die Tatsachenrüge in Ansehung des Schuldspruchs IV./ die Konstatierungen zum Einsatz eines Messers als Nötigungsmittel bezweifelt, übt sie erneut bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik an den Schlussfolgerungen der Tatrichter, die den Waffeneinsatz aus den Angaben des Opfers vor der Polizei ableiteten (vgl US 38 iVm ON 27 S 86).

[11] Mit dem unsubstantiierten Einwand, wonach die Beweiswürdigung des Schöffengerichts in Bezug auf die Schuldsprüche II./6./ und V./2./a./ und b./ „durch die in der Hauptverhandlung getätigten Aussagen der Beteiligten“ nicht gedeckt sei, weckt der Beschwerdeführer ebenfalls keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

[12] Gleiches gilt für die zu VI./ und VII./1./ erhobene Beschwerdekritik, das Erstgericht hätte allein daraus, dass die – mit dem Vorwurf der Wegnahme der Geldbörse durch das Opfer konfrontierten – Angeklagten lediglich „grinsten“, nicht auf vorsätzliches Handeln schließen dürfen.

[13] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst zum Schuldspruch II./5./ Feststellungen zum Einsatz eines Raubmittels. Dabei lässt die Beschwerde jedoch die Gesamtheit der Konstatierungen des Erstgerichts (US 23 f) außer Acht, wonach der Angeklagte im Zusammenwirken mit weiteren „Bandenmitgliedern als drohende Unterstützung“ vom Opfer, das den „Ruf des Angeklagten als Schläger und den Rückhalt bei seiner 'SMW‑Bande' kannte“, Geld in „aggressiver Weise“ forderte. Weshalb in einem solchen Verhalten nicht der Bedeutungsgehalt einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 142 Abs 1 StGB) zu erblicken sein soll, erklärt der Beschwerdeführer nicht.

[14] Indem die gegen die Schuldsprüche III./2./a./ und b./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) auf Basis ihrer Behauptung, Muhammed C***** habe mit dem Zeugen Kl***** eine „Security‑Vereinbarung“ geschlossen, den Bereicherungsvorsatz des Angeklagten bestreitet, verfehlt sie den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (vgl RIS‑Justiz RS0099810; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.208 f).

[15] Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht den Angeklagten C***** „zu VII./1./ und VII./2./“ der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannte, obwohl dieser nach den Entscheidungsgründen (US 22 f; siehe auch US 6) an der zu VII./2./ inkriminierten strafbaren Handlung nicht beteiligt war (und insoweit auch keine Anklage vorlag). Dieses offenkundige Versehen, das sich im Übrigen schon deshalb nicht nachteilig auswirkt, weil C***** bereits zu VII./1./ (rechtsrichtig) mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung schuldig erkannt wurde, bietet somit lediglich Anlass zur Klarstellung.

 

[16] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ahmet S*****:

[17] Die Beschwerde (nominell Z 3) weist zu II./1./ zwar zutreffend darauf hin, dass der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO insofern fehlerhaft ist, als Ahmet S***** danach des Verbrechens des „schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB“ schuldig erkannt wurde (US 12; vgl demgegenüber ON 300a S 23).

[18] Doch ist bei gesamthafter Betrachtung von Spruch und Gründen zweifelsfrei zu erkennen, dass die Tatrichter (lediglich) den Grundtatbestand des Raubes (§ 142 Abs 1 StGB), nicht jedoch die Qualifikation nach § 143 StGB als verwirklicht angesehen haben (vgl US 14, 19 ff, 37, 41, 64 f, 69). Somit liegt weder Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO, noch ein Subsumtionsfehler nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO, sondern auch insoweit bloß ein Anlass zu Klarstellung vor (vgl RIS‑Justiz RS0116669; Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 32; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 622 f).

[19] Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der subjektiven Tatseite zu den Schuldsprüchen II./1./ und IV./ (US 21 f) aus dem objektiven Tatgeschehen (US 41) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671).

[20] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten in Bezug auf die Kausalität seiner Beitragshandlung. Sie legt jedoch nicht dar, weshalb die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte S***** sich – nach dem gemeinschaftlich gefassten Beschluss, Alexander B***** zu berauben – hinter dem Fahrzeug des Opfers postierte, um einerseits dessen Flucht zu verhindern, und andererseits Aufpasserdienste zu leisten (US 21), keine tragfähige Sachverhaltsbasis (auch) in Bezug auf den Beitragsvorsatz (vgl Kienapfel/Höpfel/Kert AT16 35.29) bilden sollten (siehe im Übrigen die sogar die Annahme einer unmittelbaren [Mit‑]Täterschaft [§§ 12 erster Fall, 142 Abs 1 StGB; vgl Eder-Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 53] tragenden Feststellungen auf US 21 f; vgl RIS‑Justiz RS0117604).

 

[21] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Semin Ca*****:

[22] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider hat die Vorsitzende dem „Antrag auf Auswertung der Standortdaten der damaligen Mobiltelefone [...] des Semin Ca*****“ (ON 261 S 29 f) dahin entsprochen, indem sie die Kriminalpolizei ersucht hat, die Verfügbarkeit der Standortdaten zu erheben (ON 267). Mit Blick auf den in der Hauptverhandlung am 30. Juni 2020 (ON 300a S 16) erfolgten Vortrag des erheblichen Inhalts der Aktenstücke (§ 252 Abs 2a StPO), der somit auch den kriminalpolizeilichen Bericht vom 10. Juni 2020 umfasste, demzufolge die Standortdaten für April/Mai 2019 nicht mehr verfügbar seien (ON 273 S 10; vgl auch US 39), hätte es somit noch in der Hauptverhandlung eines Vorbringens bedurft, aus welchen Gründen die Durchführbarkeit der begehrten Beweisaufnahme dennoch zu erwarten wäre (vgl RIS‑Justiz RS0118444). Die erstmals im Rechtsmittel aufgestellte Argumentation, die nicht mehr gespeicherten Daten könnten durch datenforensische Techniken wieder sichtbar gemacht werden, stellt damit eine unzulässige Neuerung dar (vgl Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.103).

[23] Die Tatrichter haben die Beteiligung des Angeklagten Ca***** am schweren Raub und an der Nötigung zum Nachteil des Alexander B***** in A***** (II./1./ und IV./; US 21) aus den Angaben des Opfers im Ermittlungsverfahren (US 37 f), insbesondere aus dem Umstand der Identifizierung des Angeklagten durch das Opfer bei einer Wahllichtbildvorlage (ON 27 S 83 ff), sowie mit Blick auch auf die Aussage des Angeklagten K***** in der Hauptverhandlung (ON 261 S 26) geschlossen (US 39). Die Einlassung des Ca*****, wonach er zum Tatzeitpunkt gar nicht am Tatort gewesen sei, haben sie dabei nicht unberücksichtigt (Z 5 zweiter Fall) gelassen (US 34, 39). Dass der Schöffensenat der Aussage des Zeugen B***** bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung – im Vergleich zu seinen Angaben in der Hauptverhandlung – höhere Glaubwürdigkeit zuerkannte, ist einer Anfechtung mit Mängelrüge (Z 5) entzogen (RIS‑Justiz RS0106588).

[24] Die weitere Kritik (nominell Z 5 dritter Fall), der Schöffensenat hätte dem Opfer B***** die unmittelbarsten Wahrnehmungen und damit erhöhte Glaubwürdigkeit attestiert (US 37), während „gerichtsbekannt“ sei, dass Opfer fehlende Wahrnehmungen unbewusst durch Konfabulation ergänzen würden, präsentiert sich als ein im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässiger Angriff auf die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

[25] Dem Umstand, dass das Gericht „andere Feststellungen“ (gemeint offenbar: zu anderen Schuldsprüchen) ausdrücklich auch auf die (sowohl sich selbst als auch andere Angeklagte belastende) Aussage des Angeklagten Ca***** im Ermittlungsverfahren stützte, steht keineswegs entgegen (Z 5 dritter Fall), dass es seinen Angaben zur (fehlenden) eigenen Beteiligung an dem zu II./1./ und IV./ inkriminierten Geschehen keinen Glauben schenkte (RIS‑Justiz RS0098372). Weshalb die Aussage des Zeugen M***** (US 38) die Darstellung des Beschwerdeführers „indirekt bestätigen“ und welcher Begründungsmangel (Z 5) dahingehend vorliegen soll, legt die Beschwerde nicht dar.

[26] Die Tatsachenrüge (Z 5a) wendet sich ebenfalls (pauschal) gegen die Feststellungen zur Beteiligung des Beschwerdeführers am schweren Raub und an der Nötigung zum Nachteil des Alexander B***** (II./1./ und IV./). Sie verweist dazu im Wesentlichen auf die diesbezüglich leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers, auf den Umstand, dass die Zeugen F***** und M***** den Angeklagten Ca***** nicht als Täter zu identifizieren vermochten und spekuliert erneut über eine angebliche Konfabulation des Opfers. Solcherart weckt die Rüge aber keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

[27] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[28] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten sowie über jene der Staatsanwaltschaft und über die (implizite) Beschwerde des Ahmet S***** gegen den Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe und auf Verlängerung einer Probezeit (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[29] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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