OGH 2Ob211/20y

OGH2Ob211/20y28.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** H*****, vertreten durch Mag. Johannes Polt, Rechtsanwalt in Horn, gegen die beklagte Partei G***** M*****, vertreten durch Dr. Gerhard Krammer und Mag. Philipp Penz, Rechtsanwälte in Horn, wegen Rechnungslegung (Streitwert 16.000 EUR) und Zahlung (Streitwert 16.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. November 2020, GZ 13 R 139/20m‑18, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00211.20Y.0128.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine bei Einbringen des Rechtsmittels noch erhebliche Rechtsfrage fällt daher weg, wenn sie durch eine spätere (oder wie hier später veröffentlichte) Entscheidung des Obersten Gerichtshofs geklärt wurde (RS0112921 [T5]).

[2] 2. Der Senat hat zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Auskunftsanspruch nach § 786 ABGB besteht, in der Entscheidung 2 Ob 227/19z (= RS0133354) ausführlich Stellung genommen. Danach muss der Anspruchswerber Umstände behaupten und beweisen, die auf pflichtteilsrelevante Zuwendungen des Erblassers schließen lassen. Beim Anspruch gegen einen (möglichen) Geschenknehmer sind Indizien erforderlich, dass der Erblasser die betreffende Person beschenkt hat. Innerhalb des engeren Familienkreises sind an diese Indizien – insbesondere bei Pflichtteilsberechtigung der möglichen Geschenknehmer – keine hohen Anforderungen zu stellen. Wird etwa bewiesen, dass der Pflichtteilsberechtigte bereits hinzuzurechnende Schenkungen erhalten hat, liegt schon darin ein ausreichendes Indiz, dass auch noch weitere solche Zuwendungen erfolgt sein könnten. In diesem Fall besteht ein Auskunftsanspruch nach § 786 ABGB, der als zivilrechtliche Verpflichtung zur Angabe von Vermögen (hier von erhaltenen Schenkungen) iSv Art XLII Abs 1 Fall 1 EGZPO zu werten ist (vgl zur Anwendbarkeit der letztgenannten Bestimmung Welser , Erbrechts‑Kommentar § 786 Rz 3; Umlauft , Die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen im Erb- und Pflichtteilsrecht 2 [2018] 333).

[3] 3. Ob die festgestellten Umstände auf die Möglichkeit (weiterer) Schenkungen schließen lassen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten: Als einzige möglicherweise pflichtteilsrelevante Zuwendung wurde ein Übergabevertrag festgestellt, der beträchtliche entgeltliche Elemente enthielt. Schenkungsabsicht konnten die Vorinstanzen nicht feststellen. Ein diese Absicht indizierendes krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (RS0019293 [T3, T4]), das sich allenfalls auch aus der Rechtsprechung zu mit dem Tod wegfallenden Nutzungsrechten ergeben könnte (2 Ob 64/19d = RS0133183), hat der Kläger in erster Instanz nicht konkret behauptet. Ebenso wenig hat er dargelegt, aus welchen Gründen der Übergabevertrag unter § 781 Abs 2 Z 6 ABGB fallen sollte. Unter diesen Umständen ist es vertretbar, den Übergabevertrag für sich allein nicht als Indiz für weitere Schenkungen iSv § 781 ABGB zu werten. Andere Indizien liegen nach den Feststellungen nicht vor.

[4] 4. Die vom Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung für möglich gehaltene Aneignung von Sparbüchern führte zu einem Herausgabeanspruch des ruhenden Nachlasses gegen die Beklagte, nicht zu einem Anspruch des Klägers nach § 789 ABGB. Bei Verheimlichung angeeigneter Sparbücher hätte daher unter Umständen der Nachlass eine Klage nach Art XLII Abs 1 Fall 2 EGZPO erheben können. Auf Schenkungen an die Beklagte ließe eine solche Aneignung nicht schließen.

Stichworte