European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130769
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Abgeordnete zum Nationalrat und Klubobfrau des Grünen Klubs im Parlament.
[2] Ein Fotograf stellte am 8. 11. 2017 folgendes Foto von der Klägerin her und übertrug ihr in der Folge die alleinigen Werknutzungsrechte daran:
[3] Die Beklagte ist eine politische Partei und Medieninhaberin der Facebook-Seite „F*“. Seit 15. 4. 2020 veröffentlicht sie dort – ohne Zustimmung oder Rücksprache mit der Klägerin oder dem Fotografen – folgendes Posting:
[4] Das Erstgericht erließ die von der Klägerin beantragte Sicherungsverfügung, mit der der Beklagten verboten wurde, das oben dargestellte Lichtbildwerk ohne Zustimmung der Klägerin zu vervielfältigen und/oder zur Verfügung zu stellen, insbesondere wenn das Lichtbildwerk eigenmächtig beschnitten und/oder auf sonstige eigenmächtige Weise bearbeitet wird. Die Beklagte habe rechtswidrigerweise in das ausschließliche Werknutzungsrecht der Klägerin eingegriffen.
[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
[6] Die Beklagte beantragt in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs, den Sicherungsantrag abzuweisen.
[7] Der außerordentliche Revisionsrekurs ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[8] 1. Zum Zitaterecht (§ 42f UrhG)
[9] 1.1. Für die Zulässigkeit der Veröffentlichung der Lichtbilder als Bildzitat ist Voraussetzung, dass das in den Berichten jeweils wiedergegebene Bild Zitat- und Belegfunktion hatte und nicht nur dazu diente, die Berichterstattung zu illustrieren, um so die Aufmerksamkeit der Leser auf den Bericht zu lenken (RIS‑Justiz RS0124069). Ein nach § 42f UrhG zulässiges Bildzitat muss erkennbar der Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen, etwa als Beleg oder Hilfsmittel der eigenen Darstellung. Es muss eine innere Verbindung zwischen dem eigenen und dem fremden Werk hergestellt werden (4 Ob 81/17s [3.3.1.], Bild des Wilderers; 4 Ob 7/19m [2.2.], Schlagersänger mit Kopftuch).
[10] 1.2. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art 5 Abs 3 lit d RL 2001/29 muss die Nutzung des zitierten Werks gegenüber den Aussagen des Nutzers akzessorischer Natur sein und das Zitat eines geschützten Werks darf nicht so umfangreich sein, dass es die normale Verwertung des Werks beeinträchtigt oder die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers ungebührlich verletzt werden (EuGH C‑516/17 , Spiegel Online GmbH [Rn 79]). Im Rahmen dieser Prüfung ist auch zu berücksichtigen, ob die Verneinung der freien Werknutzung einem dringenden sozialen Bedürfnis im Sinne der Judikatur des EGMR zur Notwendigkeit eines Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft dient (4 Ob 53/19a [2.1.], Maria J). Erforderlich ist eine Abwägung der vom Urheber oder seinem Werknutzungsberechtigten verfolgten Interessen mit dem Recht der freien Meinungsäußerung (4 Ob 16/20m [1.4.], retuschiertes Foto; RS0115377), wobei das Grundrecht ohne den Eingriff nur unzureichend ausgeübt werden können muss (RS0115377 [T12]; 4 Ob 42/12y [3.3.], Einspruch S).
[11] 1.3. Eine ungebührliche Beeinträchtigung der Interessen des Urhebers im Sinn der Rechtsprechung des EuGH kann sich auch durch eine Entstellung des (zitierten) Werks ergeben. Eine Entstellung ist eine tiefgreifend verändernde, verfälschende, verzerrende oder zerstückelnde Einwirkung, durch die das Werk eine andere Aussage, Färbung oder Tendenz erhält. Eine Entstellung ist nach objektiven Kriterien auszulegen (RS0132625). Eine Entstellung kann sich auch durch Art und Umfeld der Nutzung ergeben (4 Ob 250/18w [2.], Draußen bleiben = ÖBl 2020, 41 = MR 2019, 126).
[12] 1.4. Eine von den Umständen des Einzelfalls geprägte Abwägung wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn die Vorinstanzen ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten haben. Das ist hier nicht der Fall:
[13] Das von der Beklagten verwendete Lichtbild zeigt die Klägerin mit ausgestrecktem Mittelfinger. Es wurde als Reaktion und „Antwort“ auf Hassnachrichten aufgenommen, welche die Klägerin im Zuge einer Debatte um behauptete sexuelle Übergriffe des P* P* erhielt. Dem entgegen verwendete es die Beklagte in einer Collage, welche die Sätze Grüne wollen Rentner ins „Pfandl“ treiben und Schluss mit der Verhöhnung unserer Pensionisten, Frau Maurer! enthält. In dem Text zu diesem Bild wird ausgeführt: Jetzt empfiehlt die grüne Klubobfrau den von der Corona-Krise gebeutelten Pensionisten, ihre Wertgegenstände in die Pfandleihanstalt zu tragen und sich zu verschulden.
[14] 1.5. Wenn das Rekursgericht unter diesen Umständen annahm, die Veröffentlichung der Beklagten diene nicht der erkennbaren Auseinandersetzung mit dem zitierten Werk und als Beleg der eigenen Darstellung und stelle keine innere (iSv inhaltliche) Verbindung zu diesem her, sondern führe durch das Umfeld der Nutzung zu einer ungebührlichen Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin, ist darin keine grobe Fehlbeurteilung zu erkennen.
[15] 1.6. Auch der Revisionsrekurs zeigt eine solche nicht auf. Seine Behauptung, das Rekursgericht sei bei der Abwägung der Interessen von der Entscheidung 4 Ob 194/01k abgewichen, trifft nicht zu. Dort wurde für entscheidend erachtet, dass der Begleittext nicht suggeriere, er stamme vom Kläger oder unterstelle ihm eine politische Auffassung, die er nicht teile. Im Gegensatz dazu wird der Klägerin im vorliegenden Fall eindeutig unterstellt, sie habe Pensionisten geraten, ihre Wertgegenstände zu verpfänden und sich doch zu verschulden. Damit wird der Eindruck erweckt, die Klägerin befürworte eine herzlose und kalte Politik, sie wolle aufgrund der Corona‑Krise bedürftigen Pensionisten keine staatliche Unterstützung zur Linderung ihrer finanziellen Not zukommen lassen, sondern verweise sie auf die Verpfändung ihrer letzten Habseligkeiten.
[16] 1.7. Soweit der Revisionsrekurs dazu auf dem Standpunkt steht, die Klägerin habe zu dieser Behauptung Anlass gegeben, weicht er vom festgestellten Sachverhalt ab. Eine derartige Äußerung hat die Klägerin nicht getätigt. Sie hat auf Twitter die Wiedereröffnung von Pfandleihanstalten damit erklärt, es gebe viele Leute, die bei einer Bank keinen Kredit mehr bekommen und so auf die Pfandleihhäuser angewiesen seien. Dem ist auch nicht im Kern zu entnehmen, sie habe (armen) Pensionisten geraten, sich zu verschulden oder wolle ihnen nicht helfen. Zu einer derartigen Deutung hat die Klägerin keinen Anlass gegeben (vgl 6 Ob 52/16i, Ihr kann diese Aussage zugetraut werden; 4 Ob 31/20t, Twitter‑Spoofing).
[17] 2. Parodie
[18] 2.1. Die Frage, ob – wie der Revisionsrekurs vorträgt – die Berufung auf eine Parodie nach der Rechtsprechung des EuGH zu C‑476/17 , Pelham GmbH ua, und anders als zu 4 Ob 66/10z ausgesprochen, eine Neuschöpfung iSd § 5 Abs 2 UrhG nicht zwingend voraussetzt, kann hier offen bleiben. Die Entscheidung hängt von dieser Frage nicht ab. Auch bei einer Parodie darf der mitgeteilte Tatsachenkern nämlich nicht unwahr oder ehrenrührig sein (4 Ob 66/10z [5.6.]). Daran hat sich durch die Rechtsprechung des EuGH nichts geändert. In der Entscheidung C‑201/13 , Johan Deckmyn ua, hat der EuGH ausgesprochen, dass bei der Anwendung der Ausnahme für Parodien im Sinne von Art 5 Abs 3 lit k der RL 2001/29 ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten des Rechteinhabers auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werks, der sich auf die Ausnahme für Parodien beruft, auf der anderen Seite gewahrt werden muss [Rn 27]. Dabei sind sämtliche Umstände des Falls zu berücksichtigen [Rn 28], wobei insbesondere zu prüfen ist, ob durch die Parodie das Werk des Urhebers mit einer von ihm abgelehnten und verächtlichen [dort: rassistischen] Geisteshaltung in Verbindung gebracht wird [Rn 29, 31].
[19] 2.2. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen angenommen, dass die Beklagte die Klägerin durch die Verwendung des gegenständlichen Lichtbildwerks in einen – unzutreffenden – Zusammenhang mit einer unsozialen Geisteshaltung gebracht hat. Insoweit die Beklagte behauptet, ihre Darstellung karikiere den „völlig verfehlten Vorschlag (der Klägerin), die Pfandleihhäuser aufgrund der Corona‑Pandemie für Pensionisten zu öffnen“, geht sie nicht vom bescheinigten Sachverhalt aus.
[20] Die Vorinstanzen haben daher vertretbar das Vorliegen einer zulässigen Parodie verneint.
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