OGH 4Ob213/20g

OGH4Ob213/20g22.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei D***** B.V., *****, vertreten durch Maybach Görg Lenneis Gered Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. August 2020, GZ 1 R 124/19s‑22, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. Juni 2019, GZ 58 Cg 15/18s‑16, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00213.20G.1222.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.119,14 EUR (darin enthalten 353,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist ein nach § 29 KSchG klageberechtigter Verband. Die Beklagte ist eine Investmentgesellschaft mit einer Lizenz in den Niederlanden, die ihre Online‑Broker‑Dienstleistungen in 19 Staaten, darunter auch in Österreich, in Deutschland und in der Schweiz anbietet. Zu diesem Zweck betreibt sie unter anderem die Website d*****.at und stellt einen Online‑Webtrader zur Verfügung, über den ihre Kunden Finanzprodukte, wie Wertpapiere oder Fondsanteile, erwerben können. Sowohl die Website der Beklagten als auch der Online‑Webtrader sind in deutscher Sprache gehalten. Um die Dienstleistungen der Beklagten in Anspruch nehmen zu können, müssen die Kunden dem Hauptvertrag samt AGB, den Sonderbedingungen Debit Geld und den Sonderbedingungen Debit Wertpapiere zustimmen. Der Kunde kann entweder im Online‑Portal oder per Telefon oder E‑Mail die Finanztransaktionen vornehmen. Für Transaktionen im Online‑Portal fallen keine Gebühren an, für Aufträge per Telefon oder E‑Mail verrechnet die Beklagte eine Gebühr von 10 EUR.

[2] Der Kläger begehrte – gestützt auf § 28 KSchG iVm §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB, §§ 6, 14 KSchG; §§ 922 VKrG und §§ 58, 63 WAG 2018 – der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen 51 näher bezeichnete Klauseln oder sinngleiche Klauseln zu verwenden oder sich darauf zu berufen; zudem erhob er ein Begehren auf Urteilsveröffentlichung.

[3] Die Beklagte trat dem Klagebegehren entgegen und berief sich auf die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Klauseln.

[4] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, jener des Klägers hingegen teilweise Folge. Davon ausgehend wurde der Beklagten verboten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt, folgende (im einzelnen angeführte) Klauseln (oder sinngleiche Klauseln) zu verwenden sowie sich darauf zu berufen, soweit diese unzulässigerweise vereinbart wurden:

[6] Klauseln 1 bis 14, Klausel 15 2. Teil, Klauseln 16 bis 21, Klauseln 23 bis 25 und Klauseln 27 bis 51.

[7] In diesem Umfang wurde auch dem Veröffentlichungsbegehren stattgegeben.

[8] Das Mehrbegehren hinsichtlich der Klauseln 15 1. Teil, 22 und 26 wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die rechtlichen Vorgaben für einen Online‑Broker mit Sitz im Ausland, insbesondere die Anwendbarkeit des WAG 2018 und des VKrG, noch nicht ausjudiziert seien.

[9] Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung, also in Bezug auf die Klauseln 1 bis 14, 15 2. Teil, 16 bis 21, 23 bis 25 und 27 bis 51 richtet sich die Revision der Beklagten, die auf eine gänzliche Abweisung des Klagebegehrens abzielt.

[10] Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[12] Grundsätze:

[13] 1. Der Beurteilung sind folgende Rechtsprechungsgrundsätze voranzustellen:

[14] Allgemein gilt, dass im Verbandsprozess nach § 28 KSchG die Auslegung der AGB‑Klauseln im kundenfeindlichsten Sinn zu erfolgen hat (RIS‑Justiz RS0016590). Es ist daher von jener Auslegungsvariante auszugehen, die für die Kunden der Beklagten die nachteiligste ist. Zudem ist eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess unzulässig, weshalb auf eine allfällige teilweise Zulässigkeit einer Klausel nicht Rücksicht genommen werden kann (RS0038205; 1 Ob 57/18s; 4 Ob 179/18d; zu den Schranken einer ausnahmsweise zulässigen Vertragsanpassung siehe EuGH C‑269/19, Banca B ).

[15] Die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB bezieht sich auf nachteilige überraschende und ungewöhnliche Klauseln. Objektiv ungewöhnlich ist eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht so rechnen braucht. Der Klausel muss ein Überrumpelungseffekt innewohnen (RS0014646). Entscheidend ist, ob die Klausel beim jeweiligen Geschäftstyp unüblich ist oder ob sie den redlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht (RS0105643 [T3]; RS0014627 [T3]). Dabei kommt es nicht allein auf den Inhalt der Klausel an. Diesem kommt vielmehr im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes Bedeutung zu, weil sich das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt (RS0014659 [T2]). Die Bestimmung darf im Text nicht derart versteckt sein, dass sie der Vertragspartner nicht dort vermutet, wo er sie findet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RS0105643 [T2]; RS0014646 [T14]). Die Geltungskontrolle ist nicht allein auf Nebenabreden beschränkt, sondern umfasst auch Vertragsbestimmungen über die Begründung, Umgestaltung und Erweiterung der Hauptpflichten (RS0014603).

[16] Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt (vgl dazu 1 Ob 57/18s), nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt (vgl RS0016914). Weicht eine Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften ab, so liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn es für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung gibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (RS0014676 [T21]; vgl auch RS0016914 [T3, T4 und T6]).

[17] Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher durchschaubar sind (RS0122169 [T2]). Damit sollen auch Klauseln beseitigt werden, die den Verbraucher – durch ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild über seine vertragliche Position – von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten oder ihm in unberechtigter Weise Pflichten auferlegen sollen (RS0115219; RS0115217 [T8]; RS0121951 [T4]).

[18] Zu den Klauseln 1 bis 14, 15 2. Teil, 16 bis 21, 23 bis 25 und 27 bis 51 – Verbraucherleitbild:

[19] 2.1 Das Berufungsgericht legte der Auslegung dieser Klauseln – so wie schon das Erstgericht – das Verständnis eines Durchschnittsösterreichers zugrunde. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei nicht von Kunden mit einem deutlich höheren Grad an Information, Aufmerksamkeit und Verständnis auszugehen, weil im vorliegenden Verfahren nicht die Irreführungseignung zu beurteilen sei, sondern es um die abstrakte Auslegung von Vertragsklauseln gehe.

[20] 2.2 Die Beklagte wendet dagegen ein, dass das Berufungsgericht von einem unzutreffenden Verbraucherleitbild ausgegangen sei. Maßgebend sei nicht das Verständnis des Durchschnittsösterreichers, sondern vielmehr jenes eines für die jeweilige Vertragsart typischen Durchschnittskunden. Im Anlassfall komme es daher auf das Verständnis eines typischen privaten Wertpapierinvestors an, bei dem ein deutlich höherer Grad an Information, Aufmerksamkeit und Verständnis vorliege.

[21] 2.3  Aufgrund des – durch die Klausel-RL 93/13/EWG – gegebenen Unionsrechtsbezugs ist für die Beurteilung das Verständnis des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers maßgebend (EuGH C‑562/15, Carrefour Hypermarches , Rn 31 mwN).

[22] Grundsätzlich mag es richtig sein, dass es auf das Verständnis des für die jeweilige Vertragsart typischen Durchschnittsverbrauchers ankommt (vgl RS0115217 [T12 und T19]). In dieser Hinsicht ist jedoch maßgebend, an welche Kunden sich das konkret zu beurteilende Angebot richtet. Heutzutage sind Investitionen in Wertpapiere auch für Kleinanleger keineswegs außergewöhnlich. Insbesondere die Angebote im Internet haben zu einer Verbreiterung des Kundenkreises beigetragen. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass dem durchschnittlichen Kleinanleger ein höheres Verständnis als dem gewöhnlichen Durchschnittsverbraucher zukommt und jeder Anleger über Fachwissen in Bezug auf die angebotenen Finanzprodukte verfügt. Da sich das Angebot der Beklagten, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, an ein allgemeines Verbraucherpublikum richtet, ist auch das Klauselverständnis des informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers zugrunde zu legen.

[23] 2.4  Abgesehen von diesen Überlegungen vermag die Beklagte nicht näher darzulegen, in Bezug auf welche konkreten Anordnungen in den einzelnen bekämpften Klauseln in welchem Umfang und in welchem Sinn das von ihr vertretene Verbraucherleitbild zu einer anderen rechtlichen Beurteilung und damit zu einem gegenteiligen Ergebnis führen soll.

[24] Zu Klausel 7 – Funktionseinschränkung:

„D***** gibt keine Garantie für eine ununterbrochene und fehlerfreie Funktionsweise des Webtraders und ist dazu berechtigt, den Zugang zum Webtrader bzw dessen Funktionsweise vorübergehend einzuschränken, zB bei technischen Störungen oder Wartungsarbeiten.“

[25] 3.1 Zu dieser Klausel hielt das Berufungsgericht fest, dass die technischen Störungen oder Wartungsarbeiten nur beispielhaft genannt seien. Eine gröbliche Benachteiligung ergäbe sich daher schon daraus, dass die Einschränkung nicht auf das erforderliche Ausmaß abstelle und keine korrespondierende Entgeltminderung vorsehe. Außerdem werde dem Kunden ein unklares oder falsches Bild vom Leistungs- und Haftungsumfang der Beklagten vermittelt, weshalb die Klausel auch intransparent sei.

[26] 3.2 Die Beklagte führt dagegen ins Treffen, dass das Berufungsgericht dem Begriff „Garantie“ ein falsches Kundenverständnis zugrunde lege. Die Wendung, dass keine Garantie übernommen werde, heiße nur, dass eine Verantwortung „nicht unter allen Umständen“ bestehen soll. Außerdem sei eine weitere Einschränkung dieser Klausel nicht geboten, weil den Begriffen „technische Störung“ und „Wartungsarbeiten“ ohnedies ein Erforderlichkeitskriterium immanent sei. Das Publikum rechne durchaus mit der Möglichkeit, dass ein Online-Kommunikationstool nicht stets klaglos funktioniere. Bei Nichtverfügbarkeit des Webtraders bestehe ohnedies die Möglichkeit, Order jederzeit, etwa via Telefon oder E‑Mail, zu platzieren. Gewährleistungsansprüche seien vor diesem Hintergrund ausgeschlossen.

[27] 3.3  Mit der in Rede stehenden Klausel will die Beklagte die Haftung für den Fall ausschließen, dass ihr Webtrader für die Verbraucher nicht erreichbar ist oder nicht funktioniert, insbesondere also keine Order platziert werden können. Davon ausgehend widerspricht diese Klausel dem Transparenzgebot, das sich nicht nur mit formeller Textverständlichkeit begnügt, sondern darüber hinaus verlangt, dass Inhalt und Tragweite der Vertragsklausel für den Verbraucher durchschaubar sind (RS0122169).

[28] In diesem Zusammenhang ist schon der Begriff „Garantie“ unklar, weil der Verbraucher nicht beurteilen kann, ob damit Gewährleistungsansprüche oder nur ein darüber hinausgehendes Einstehenmüssen der Beklagten im Sinn einer echten Garantie gemeint ist. Der Zusammenhang zu allfälligen Schadenersatzansprüchen geht aus der Bestimmung überhaupt nicht hervor. Zudem ist der Begriff „vorübergehend“ unbestimmt und lässt für den Verbraucher nicht erkennen, ob die Beklagte die Funktionsfähigkeit des Webtraders so rasch wie möglich wiederherstellt oder ob sie dafür auch eine beliebige Zeitspanne in Anspruch nehmen kann. Der Verbraucher kann damit nicht abschätzen, ob er zur Vornahme einer Online‑Transaktion nur eine kurze Zeitspanne zuwarten oder ob er auf eine andere, mit Kosten verbundene Möglichkeit der Auftragsübermittlung per Telefon oder E‑Mail ausweichen muss.

[29] 3.4 Davon abgesehen ist die Beklagte nach dem Wortlaut dieser Klausel berechtigt, die Funktionsfähigkeit des Webtraders aus beliebigen Gründen, also auch willkürlich, zu beschränken, zumal technische Störungen und Wartungsarbeiten nur als Beispiele genannt werden. Eine Einschränkung auf Fälle, auf die die Beklagte keinen Einfluss hat oder die nicht in ihre Sphäre fallen, enthält die Klausel nicht. Der Haftungsausschluss erfasst damit auch Fälle willkürlicher Zugangsbeschränkungen und Funktionsbeeinträchtigungen und damit auch allfällige Schäden, die im Verantwortungsbereich der Beklagten liegen oder von ihr in Verletzung des vertraglichen Pflichtenkatalogs verschuldet sind, wofür etwa auch ein Organisationsverschulden in Betracht kommt. Ein derart weitgehender und allgemeiner Haftungsausschluss für die Verletzung vertraglich geschuldeter Verpflichtungen erweist sich als gröblich benachteiligend.

[30] 3.5 In diesem Zusammenhang liegt auch ein Verstoß gegen § 9 Abs 1 KSchG vor. Nach dieser Bestimmung können Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers vor Kenntnis des Mangels nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Das Verbot des Gewährleistungsausschlusses darf nicht durch einschränkende Leistungsbeschreibungen umgangen werden. Eine solche Umgehung ist dann anzunehmen, wenn die Leistungsbeschreibung nicht den realen Gegebenheiten entspricht oder wenn mit umfassenden Formulierungen versucht wird, die Pflicht des Unternehmers zum Erbringen einer mangelfreien Leistung überhaupt auszuschließen, also kein Gewährleistungsfall übrig bleibt (vgl RS0122042; 4 Ob 179/18d).

[31] Da mit dem weit formulierten Haftungsausschluss auch jeder Gewährleistungsfall ausgeschlossen oder eine von der Beklagten verschuldete Betriebsunterbrechung vom Gewährleistungsausschluss erfasst werden soll, steht die Klausel mit § 9 KSchG nicht im Einklang.

[32] Zu Klausel 16 – Gemeinsame Ausführung von Kundenaufträgen:

„D***** ist dazu berechtigt, Orders verschiedener Kunden zu bündeln und diese dann in gebündelter Form an die Ausführungsstelle (Börse, OTC Counterparty oder sonstige Stelle) weiterzuleiten. D***** wird dies nur dann tun, wenn die Bündelung des Orders aller Voraussicht nach keine Nachteile für die betreffenden Kunden mit sich bringt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Bündelung nachteilig für den Kunden ist.“

[33] 4.1 Das Berufungsgericht beurteilte dazu, dass nach Art 68 Abs 1 lit c der Delegierten Verordnung 2017/565/EU der Europäischen Kommission zur Ergänzung der MiFID II‑RL 2014/65/EU jedem Kunden, dessen Auftrag mit anderen zusammengelegt werden soll, mitgeteilt werden müsse, dass eine derartige Zusammenlegung in Bezug auf einen bestimmten Auftrag nachteilig sein könne. Eine solche Information müsse vor der Bearbeitung des jeweiligen Auftrags erfolgen. Dieser Schutzzweck könne nicht auch durch eine abstrakte Formulierung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen erreicht werden.

[34] 4.2 Die Beklagte meint dazu, dass die Offenlegung der Nachteiligkeit einer Auftragsbündelung auch schon vorab erfolgen könne und eine nochmalige Information aus Anlass des konkreten Bündelungsvorgangs nicht erforderlich sei, weil dem Kunden kein Widerspruchsrecht gegen die Bündelung zustehe.

[35] 4.3 Die zu beurteilende Klausel ist widersprüchlich formuliert, weil sie beim Verbraucher zunächst den Eindruck erweckt, dass die Bündelung ohnedies mit keinen Nachteilen verbunden sei. Dazu bedient sich die Beklagte eines unbestimmten Vorbehalts („aller Voraussicht nach“), mit dem sie das Risiko verharmlost. Gleichzeitig will sich die Beklagte jedoch einen Freibrief für den Fall der Nachteiligkeit ausstellen lassen. Die in Rede stehende Wendung „aller Voraussicht nach“ ist vollkommen unbestimmt und im Hinblick auf das Risiko und die möglichen Nachteile für den Verbraucher nicht fassbar. Er kann daher nicht abschätzen, ob er mit Nachteilen aus der Bündelung rechnen muss oder solche im Normalfall vermieden werden. Ebenso bleibt unklar, ob sich die möglichen Nachteile nur auf solche beziehen, die marktbedingt eintreten und unvorhersehbar sind, oder aber auch auf solche, die aufgrund einer Fehleinschätzung der Beklagten verschuldet sind. Die Klausel widerspricht damit dem Transparenzgebot.

[36] 4.4  Inhaltlich wird im gegebenen Zusammenhang in § 65 Abs 1 WAG 2018 bestimmt, dass ein Rechtsträger bei der Bearbeitung von Kundenaufträgen Verfahren und Systeme einzurichten hat, welche die unverzügliche, redliche und rasche Ausführung von Kundenaufträgen im Verhältnis zu anderen Kundenaufträgen und den Handelsinteressen des Rechtsträgers gewährleisten. Diese Verfahren oder Systeme haben es zu ermöglichen, dass ansonsten vergleichbare Kundenaufträge gemäß dem Zeitpunkt ihres Eingangs bei dem Rechtsträger ausgeführt werden.

[37] Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung folgt der Grundsatz, dass Kundenaufträge nach dem Prioritätsprinzip gesondert ausgeführt, dh an den jeweiligen Handelsplatz weitergeleitet werden müssen.

[38] In diesem Sinn bestimmt auch Art 67 Abs 1 lit b der Delegierten Verordnung 2017/565/EU , dass Wertpapierfirmen bei der Ausführung von Kundenaufträgen vergleichbare Kundenaufträge der Reihe nach und unverzüglich ausführen, es sei denn, die Art des Auftrags oder die vorherrschenden Marktbedingungen machen dies unmöglich oder im Interesse des Kunden ist anderweitig zu handeln. Nach Art 68 Abs 1 lit a dieser Verordnung führen Wertpapierfirmen einen Kundenauftrag oder ein Geschäft für eigene Rechnung zusammen mit einem anderen Kundenauftrag nur aus, wenn es unwahrscheinlich ist, dass die Zusammenlegung der Aufträge und Geschäfte für den Kunden insgesamt nachteilig ist. Nach lit b leg cit wird jedem Kunden, dessen Auftrag mit anderen zusammengelegt werden soll, mitgeteilt, dass eine derartige Zusammenlegung in Bezug auf einen bestimmten Auftrag nachteilig sein kann.

[39] Auch nach den Bestimmungen der in Rede stehenden Verordnung ergibt sich somit, dass die Bündelung einer vorausschauenden Beurteilung bedarf und unter Zugrundelegung dieser Beurteilung nicht zum Nachteil des Anlegers erfolgen darf. Eine solche Beurteilung kann nur anlässlich eines konkreten Kundenauftrags erfolgen. Dementsprechend wird in Art 68 Abs 1 lit b der Verordnung dazu ausdrücklich normiert, dass dem Kunden „in Bezug auf einen bestimmten Auftrag“ mitgeteilt werden muss, dass die geplante Zusammenlegung für ihn nachteilig sein kann. Dies bedeutet, dass diese Mitteilung im Einzelfall erfolgen muss und ein entsprechender Hinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht genügt. Die in Rede stehende Klausel widerspricht damit auch der klaren Rechtslage und erweist sich als gröblich benachteiligend.

[40] Zu den Klauseln 24 und 42 – Sprache der weiteren Kommunikation sowie der AGB in Streitfällen:

„D***** kommuniziert grundsätzlich mit Kunden in der englischen oder niederländischen Sprache. D***** ist nicht gehalten, mit Kunden in einer anderen Sprache zu kommunizieren.“ (Klausel 24)

„Zur Annehmlichkeit ihrer Kunden stellt D***** den Kundenvertrag in mehreren Sprachen zur Verfügung. Im Streitfall ist jedoch die englische Version des Kundenvertrags und nicht dessen Übersetzung entscheidend. Die englische Version des Kundenvertrags ist auf www.d ***** zu finden.“ (Klausel 42)

[41] 5.1 Das Berufungsgericht beurteilte diese Klausel als ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB, weil die Kunden angesichts des gesamten Geschäftsauftritts der Beklagten und des Vertragsabschlusses auf Deutsch nicht damit rechnen müssten, dass sich in einem Unterpunkt der in Rede stehenden Klauseln Regelungen finden, die eine Kommunikation auf Deutsch und die Anwendung der deutschsprachigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausschließen. Diese Regelungen seien auch gröblich benachteiligend, weil dem Verbraucher eine ihm unbekannte Version der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einer anderen als seiner Muttersprache entgegengehalten werden könne.

[42] 5.2 Die Beklagte hält dem entgegen, dass die Verwendung der deutschen Sprache bzw von entsprechenden Übersetzungen lediglich der Annehmlichkeit der Kunden diene. Der Durchschnittsanleger sei der englischen Sprache hinreichend mächtig, sodass deren Verwendung für ihn nicht unzumutbar sei. Außerdem erbringe sie keine Beratungsdienstleistungen, weshalb sich der Kunde um die Informationsbeschaffung selbst kümmern müsse. Nach den Bestimmungen vor allem der EC‑RL stehe dem Dienstleistungsanbieter die Wahl zu, welche Sprache oder Sprachen er im Rahmen seiner Leistungserbringung verwendet.

[43] 5.3 Zur Zulässigkeit der Verwendung fremdsprachiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Die Verwendung einer Fremdsprache in Allgemeinen Geschäftsbedingungen genügt nur dann dem Transparenzgebot, wenn vom Publikum die Kenntnis dieser Sprache in dem für das Verständnis des Klauselwerks notwendigen Maß erwartet werden kann. Trotz Sprachunkenntnis des Vertragspartners können fremdsprachige Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann wirksam vereinbart werden, wenn in der Verhandlungs- und Vertragssprache auf die fremdsprachigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen wurde und der Vertragspartner dennoch eine uneingeschränkte Annahmeerklärung abgegeben hat. Für den Fall unterschiedlicher Verhandlungs- und Vertragssprachen muss der andere Vertragsteil in der Vertragsurkunde in der Verhandlungssprache deutlich auf die Einbeziehung solcher Allgemeiner Geschäftsbedingungen in das Vertragsverhältnis hingewiesen werden (6 Ob 229/08g mwN).

[44] 5.4  Im Anlassfall ist mit Bezug auf die deutschsprachige Website und die deutschsprachigen Vertragsbestimmungen die Verhandlungs- und Vertragssprache Deutsch. Da der deutschsprachige Vertrag die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien verbindlich festlegt und sich der Verbraucher auf die Einhaltung dieser Bestimmungen verlassen darf, muss diese Sprache auch im Streitfall zwingend maßgebend sein. Andernfalls könnte sich der Verbraucher schon aufgrund unterschiedlicher Sprachfassungen kein verlässliches Bild über die Vertragslage verschaffen, weil er – ganz abgesehen von seinen Sprachkenntnissen – nicht gehalten ist, unterschiedliche Sprachfassungen miteinander zu vergleichen. Außerdem hätte es die Beklagte in der Hand, die Streitsituation für sich günstig zu beeinflussen, indem sie die englischsprachige Version für ihre Rechtspositionen günstiger formuliert. Klausel 42 ist daher gröblich benachteiligend und – in Bezug auf die Vertragslage – intransparent.

[45] 5.5  Die Sprachwahl ist zudem überraschend und ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB, weil der Kunde mit einer Abweichung von der Vertragssprache im Streitfall nicht rechnet und – worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat – diese Bestimmungen im zu beurteilenden Klauselwerk auch nicht leicht auffindet.

[46] 5.6 Dieselben Überlegungen gelten für die Kundenkommunikation (Klausel 24), weil sich diese in der Regel nicht nur auf Informationen beschränkt, sondern auch verbindliche rechtsgeschäftliche Erklärungen beinhaltet. Auch in diesen Fällen ist die Verhandlungs- und Vertragssprache maßgebend. Zudem muss auch in Bezug auf reine Informationen sichergestellt sein, dass sie der Kunde auch ohne Beiziehung eines Übersetzers versteht. Jedenfalls bei Verwendung der niederländischen Sprache kann dies nicht unterstellt werden, weshalb dem Kunden die Verwendung dieser Sprache unzumutbar ist.

[47] 5.7 Unrichtig ist, dass die EC‑RL dem Unternehmer die Verwendung fremdsprachiger Kommunikationsmöglichkeiten erlaube. § 9 Abs 1 Z 4 ECG setzt Art 10 Abs 1 lit d der EC‑RL um. Diese Bestimmungen beziehen sich auf besondere vertragsbezogene Informationspflichten des Diensteanbieters, damit sich der Nutzer ausreichend orientieren kann. Danach hat der Diensteanbieter den Nutzer vorweg unter anderem darüber zu informieren, in welchen Sprachen der Vertrag abgeschlossen werden kann. Dies sagt aber nichts über ein Recht zur Verwendung vom Internetauftritt oder von der Vertragssprache abweichender AGB oder Kommunikationsmöglichkeiten aus.

[48] Zu Klausel 25 – Informationsübermittlung:

„Die Vertragsparteien kommen überein, dass jedwede schriftliche Kommunikation per Post, per E‑Mail oder über die Website erfolgen kann.“

[49] 6.1 Das Berufungsgericht gelangte zum Ergebnis, dass diese Klausel intransparent sei, weil offen bleibe, welche Arten von Erklärungen auf welchem Weg von der Beklagten übermittelt werden und ob sie der Kunde gegen sich gelten lassen müsse. Diese Regelung lasse den Kunden über seine Rechte und Pflichten daher im Unklaren.

[50] 6.2 Die Beklagte meint demgegenüber, dass für den Kunden keine Unklarheiten bestünden, weil die textliche Korrespondenz auf jedem in der Klausel genannten Weg erfolgen könne.

[51] 6.3 Diese Bestimmung betrifft jede Art der Kommunikation und umfasst daher auch rechtsgeschäftlich verbindliche Erklärungen. Die Klausel würde es der Beklagten ermöglichen, solche Erklärungen auf ihre Website zu stellen, um sich in der Folge gegenüber dem Verbraucher darauf zu berufen. Rechtsgeschäftliche Erklärungen sind allerdings nur dann wirksam, wenn sie dem Erklärungsempfänger ordnungsgemäß zugehen. Dafür ist vorausgesetzt, dass die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers einlangt (8 Ob 144/18m). Für den Zugang elektronischer Erklärungen kommt es nach § 12 ECG auf die Abrufbarkeit für den Empfänger an. Dazu ist anerkannt, dass die Mailbox des Empfängers zu seinem Machtbereich gehört (6 Ob 152/18y). Grundsätzlich ist eine E‑Mail für den Empfänger in dem Zeitpunkt abrufbar, in dem sie in seiner Mailbox eingelangt und gespeichert ist (2 Ob 108/07g), wobei auch das Einlangen im Spam‑Ordner maßgebend ist (3 Ob 224/18i). Eine Ausnahme besteht allerdings bei einer angekündigten Abwesenheit (zB währende des Urlaubs), wenn dies mit den einschlägigen, etwa standesrechtlichen Sorgfaltspflichten im Einklang steht (6 Ob 152/18y).

[52] Durch eine bloße Veröffentlichung von Erklärungen auf einer Website wird diesen Anforderungen nicht entsprochen. Darüber hinaus liegt in diesem Zusammenhang sogar ein Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 3 KSchG vor, weil auch rechtserhebliche Erklärungen des Unternehmers unabhängig vom tatsächlichen Zugang als zugegangen gelten sollen. Mit dem Verbot einer solchen Zugangsfiktion soll gerade verhindert werden, dass das Risiko des Zugangs von Unternehmenserklärungen auf den Verbraucher überwälzt wird (8 Ob 144/18m).

[53] 6.4  Außerdem soll die in Rede stehende Klausel der Beklagten die „schriftliche“ – und damit auch jede an eine gesetzliche oder gewillkürte Schriftform gebundene – Kommunikation auch per E‑Mail und Website wirksam ermöglichen. Derartige Mitteilungen erfüllen die Anforderungen an schriftformgebundene Erklärungen allerdings nicht, weil eine E‑Mail – mangels Verfügbarkeit geeigneter Viewerkomponenten im Sinn des Art 29 Abs 1 iVm Anhang II Abs 2 der Verordnung 910/2014/EU über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste nicht qualifiziert elektronisch signiert werden kann. Davon abgesehen nimmt die Klausel auf den gesetzlich angeordneten Unterschriftersatz durch qualifizierte elektronische Signaturen gar nicht Bezug (vgl dazu 4 Ob 6/19i).

[54] Die Klausel ist damit mehrfach rechtswidrig.

[55] Zu Klausel 44 – Informationspflichten bei Kreditgewährung:

„Für die Inanspruchnahme der Dienstleistung Debit Geld hat der Kunde Zinsen zu zahlen. Die von D***** in Rechnung gestellten Zinsen sind variabel und variieren je nach Währung. Die Höhe der zu zahlenden Zinsen kann jederzeit dem 'Preisverzeichnis' entnommen werden, das im Dokumentencenter auf der Website von D***** zu finden ist. Änderungen in Bezug auf Sollzinssatz sind ab dem Tag ihrer Veröffentlichung bindend. Falls nicht in Bezug auf eine Währung eine geänderte Regelung in das Dokument 'Preise' aufgenommen wurde, werden die Zinsen auf der Grundlage von 360 Kalendertagen pro Jahr und der tatsächlichen Anzahl der Tage des Monats berechnet. Die Zinsen werden monatlich vom Kontoguthaben abgebucht. Für die Fazilität Debit Geld stellt D***** keine anderen Kosten in Rechnung.“

[56] 7.1  Das Berufungsgericht führte dazu aus, dass das VKrG Kreditverträge von Wertpapierdienstleistern nicht generell aus seinem Anwendungsbereich ausnehme, sondern nur im Hinblick auf die Rechtsfolgen des § 13 leg cit. Die Ausnahmeregelung in Art 2 Abs 1 lit h der Verbraucherkredit‑RL sei insofern nur partiell umgesetzt worden. Es sprächen daher gute Gründe dafür, Kreditverträge, die der Finanzierung des Erwerbs von Finanzinstrumenten dienten, den vorvertraglichen Informationen nach § 6 VKrG zu unterwerfen. Aber selbst dann, wenn das VKrG wegen eines gegen die MiFID II‑RL verstoßenden Goldplatings nicht anwendbar wäre, müsse die Beklagte jedenfalls die Informationspflichten nach § 58 WAG 2018 einhalten. Unabhängig davon sei die Klausel auch intransparent, weil für den Kunden nicht nachvollziehbar sei, welche Zinsen er wofür zu zahlen habe, nach welchen Maßstäben, wann und wie oft sich diese erhöhen könnten sowie ob er auch ein Recht auf Senkung habe.

[57] 7.2  Die Beklagte hält dem entgegen, dass auf die Kreditgewährung durch einen Wertpapierdienstleister das VKrG nicht anzuwenden sei und ein Verstoß gegen die Bestimmungen des VKrG daher ausscheide. Die Verbraucherkredit‑RL 2008/48/EG nehme in Art 2 Abs 2 lit h Kreditverträge, die mit einer Wertpapierfirma geschlossen werden, von ihrem Anwendungsbereich aus. Aus Sicht der Verbraucherkredit‑RL wäre es zwar denkbar, dass das nationale VKrG auch auf von der Richtlinie nicht erfasste Bereiche ausgedehnt werde. Dadurch dürfe aber nicht in den (voll-)harmonisierten Bereich einer anderen Richtlinie eingegriffen werden. Solche Kreditkonstellationen würden allerdings vom Regime der MiFID II‑RL erfasst, die in diesem Bereich zu einer Vollharmonisierung führe. Demnach seien die Pflichten von Wertpapierdienstleistern im Hinblick auf die Nebendienstleistung der Kreditgewährung ausschließlich in der MiFID II‑RL geregelt. Ein Verstoß gegen § 58 WAG 2018 liege nicht vor, weil eine gesonderte Informationspflicht über die – bei komplexen Finanzinstrumenten bzw bei nicht-komplexen Finanzinstrumenten ohne Kreditobergrenze – erforderliche Angemessenheitsprüfung nicht vorgesehen sei. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei diese Klausel auch nicht intransparent, weil sie ausdrücklich angebe, wo die näheren Regelungen aufzufinden seien. Da es sich bei ihr um eine Online‑Brokerin handle, sei der Verweis auf die eigene Website und das dortige Dokumentencenter jedenfalls ausreichend.

[58] 7.3  Die in Rede stehende Klausel enthält zu den Zinsen, die für die von der Beklagten eingeräumte Kreditmöglichkeit zu zahlen sind, einen Verweis auf das Preisverzeichnis im Web-Dokumentencenter. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein Querverweis innerhalb des Klauselwerks oder ein Verweis auf eine Preisliste an sich noch nicht intransparent. Allerdings kann in einem solchen Fall unklar sein, welche Rechtsfolgen sich aus dem Zusammenwirken der aufeinander bezogenen Bestimmungen ergeben. Außerdem führt ein Verweis auf eine unzulässige Bestimmung gleichzeitig zur Unzulässigkeit auch der verweisenden Bestimmung (7 Ob 217/13g; 6 Ob 120/15p).

[59] 7.4 Im gegebenen Zusammenhang besteht die Problematik darin, dass in der Klausel nur allgemein auf ein Preisverzeichnis verwiesen wird und für den Kunden nicht klar ist, welche Fassung (zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme oder zum Zeitpunkt der monatlichen Abrechnung) maßgebend sein soll. Außerdem besteht kein Hinweis darauf, dass frühere Fassungen weiterhin veröffentlicht bleiben, weshalb der Verbraucher im Unklaren darüber gelassen wird, ob er die verrechneten Sollzinsen auch nachträglich überprüfen kann. Die Klausel verschafft dem Verbraucher daher ein unklares Bild über die jeweilige Höhe der zu zahlenden Sollzinsen und bleibt damit intransparent.

[60] 7.5 Darüber hinaus wird in der Klausel bestimmt, dass die Änderungen des Sollzinssatzes ab dem Tag ihrer Veröffentlichung (im Dokumentencenter) auf der Website der Beklagten verbindlich sein sollen. Diese Regelung verstößt schon gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG, weshalb es auf die Sonderregelungen des § 9 (insbesondere Abs 1, 2 und 5) sowie der §§ 11 und 22 VKrG gar nicht ankommt. Nach § 6 Abs 2 Z 3 KSchG sind nicht einzeln ausgehandelte Vertragsbestimmungen grundsätzlich nicht verbindlich, nach denen der Unternehmer eine von ihm zu erbringende Leistung einseitig ändern und von ihr abweichen kann. Damit soll verhindert werden, dass sich der Unternehmer das Recht auf weitgehende, den Interessen des Verbrauchers widersprechende einseitige Leistungsänderungen vorbehält. Aus diesem Grund müssen sachlich gerechtfertigte und damit ausnahmsweise zulässige Vorbehalte jedenfalls auch genau umschrieben und konkretisiert sein. Davon ausgehend begründet eine Klausel, die dem Unternehmer das nicht näher determinierte Recht einräumt, den Zinssatz zum Nachteil des Verbrauchers einseitig zu ändern, einen Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG (8 Ob 144/18m).

[61] Diese Voraussetzungen sind auch hier erfüllt.

[62] 7.6 Darüber hinaus ermöglicht die in Rede stehende Klausel der Beklagten beliebige Zinsänderungen und damit auch solche „in nur eine Richtung“ zum Nachteil des Verbrauchers. Damit verstößt die Klausel auch gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (vgl 8 Ob 144/18m).

[63] 7.7  Auch diese Klausel erweist sich somit aus mehreren Gründen als unzulässig. Auf die weiteren in der Revision aufgeworfenen Fragen zum VKrG, insbesondere ob auf die Kreditgewährung durch einen Wertpapierdienstleister ausschließlich die Informationspflichten nach der MiFID II‑RL maßgebend sind oder – soweit darin speziell für das Kreditgeschäft vorgesehene Informationspflichten fehlen – daneben auch jene nach der Verbraucherkredit‑RL zur Anwendung gelangen, kommt es nicht mehr an. Schon aus diesem Grund erübrigt es sich, der Anregung der Beklagten zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zum Verhältnis der Informationspflichten nach der MiFID II‑RL 2014/65/EU und der Verbraucher-kredit‑RL 2008/48/EG näher zu treten.

[64] Zu Klausel 47 – Verzugszinsen für Debit Geld:

„Falls die für das Debit Geld festgelegten Obergrenzen überschritten werden oder wenn Beträge auf Aufforderung zurückzuzahlen sind, gelten für diesen Teil des Debit Geld Verzugszinsen gemäß dem Preisverzeichnis der Informationen zu den Wertpapierdienstleistungen von D *****.“

[65] 8.1 Dazu verwies das Berufungsgericht auf seine Ausführungen zu Klausel 44.

[66] 8.2 Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts in dieser Hinsicht nichtig sei, weil sie nur auf die Ausführungen zu einer anderen Klausel verweise und das Berufungsgericht zu Klausel 44 selbst nicht von der Anwendbarkeit des VKrG ausgehe, sondern eine solche nur aus guten Gründen für möglich erachte. In Wahrheit gelange das VKrG nicht zur Anwendung, weshalb ein Verstoß gegen dieses Gesetz ausscheide.

[67] 8.3 In der in Rede stehenden Klausel wird zu den Überziehungs- bzw Verzugszinsen ebenfalls auf das Preisverzeichnis auf der Website der Beklagten verwiesen. Auch in diesem Zusammenhang bleibt für den Verbraucher wieder unklar, ob das Preisverzeichnis zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme oder zu irgendeinem Abrechnungszeitraum maßgebend sein soll.

[68] 8.4 Zudem räumt auch diese Bestimmung der Beklagten ein nicht näher konkretisiertes und nach dem Wortlaut beliebiges Recht auf einseitige Änderung der Leistungen auch nur „in eine Richtung“ ein. Diese Klausel widerspricht damit dem Transparenzgebot und verstößt zudem gegen § 6 Abs 2 Z 3 und § 6 Abs 1 Z 5 KSchG.

[69] 8.5  Auch in diesem Zusammenhang kommt es auf die Frage der Anwendbarkeit der besonderen (Schutz‑)Bestimmungen des VKrG nicht weiter an.

[70] 8.6 Die von der Beklagten relevierte Nichtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts liegt nicht vor, weil sich die Begründung des Berufungsgerichts – trotz des Verweises auf eine andere Klausel – ausreichend nachvollziehen lässt und ein völliger Mangel an Gründen daher nicht vorliegt (vgl RS0042133).

[71] Zu Klausel 48 – Kündigung von Debit Geld:

„Der Anhang Debit Geld wird für einen unbestimmten Zeitraum zwischen den Parteien geschlossen. Der Anhang Debit Geld kann zu jedem Zeitpunkt von einer der beiden Parteien unter Wahrung einer Kündigungsfrist von einem Kalendermonat gekündigt werden. Der Anhang Debit Geld erlischt automatisch mit der Auflösung des Vertrags über Wertpapierdienstleistungen.“

[72] 9.1 Das Berufungsgericht verwies auch hier auf seine Begründung zu Klausel 44 und auf die Voraussetzungen des § 14 VKrG.

[73] 9.2 Die Beklagte meint auch dazu, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts wegen des bloßen Verweises nichtig sei und das VKrG nicht zur Anwendung gelange.

[74] 9.3 Diese Klausel erlaubt der Beklagten eine jederzeitige Kündigung des Kreditverhältnisses unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat und damit die jederzeitige Fälligstellung des kreditierten Betrags.

[75] Bei der Beurteilung einer solchen Bestimmung ist zu berücksichtigen, dass eine Kreditgewährung (hier) zur Finanzierung einer Wertpapierinvestition als Dauerschuldverhältnis auf einen längeren Zeitraum angelegt ist. Dementsprechend wird der Kreditvertrag nach der Klausel auch auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die jederzeitige Möglichkeit der Fälligstellung unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist lässt sich mit diesem Konzept nicht in Einklang bringen.

[76] Der Oberste Gerichtshof hat zu einem in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehenen Recht auf jederzeitige Fälligstellung von Krediten auch schon mehrfach unter dem Gesichtspunkt des § 6 Abs 2 Z 1 KSchG Stellung genommen. Dabei wurde als maßgebend angesehen, ob ein anerkanntes Interesse des Kreditgebers an der vorzeitigen Vertragsbeendigung zu bejahen ist, ihm die Fortsetzung des Schuldverhältnisses – insbesondere wegen der Gefährdung seiner Rechtsstellung – also unzumutbar ist. Es kommt damit auf eine tatsächliche erhebliche Gefährdung der Vertragsposition des Kreditgebers etwa wegen Zahlungsrückständen, Überschreitung des Kreditrahmens oder mangelnder Bonität des Kunden an (10 Ob 31/16f; vgl auch 7 Ob 52/19a). Mangelt es an einer solchen erheblichen Gefährdung der Vertragsposition des Unternehmers und wird zu dessen Gunsten dennoch ein jederzeit ausübbares Kündigungsrecht vereinbart, so liegt ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG vor.

[77] Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die beanstandete Klausel stellt gerade nicht auf eine Gefährdung für den Unternehmer bzw auf die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Kreditverhältnisses durch die Beklagte ab. Der Umstand, dass auch dem Verbraucher eine Kündigungsmöglichkeit eingeräumt wird, ändert an dieser Beurteilung nichts, weil die Interessenlage von Kreditgeber und Kreditnehmer unterschiedlich ist. Das Interesse des Kreditgebers besteht primär darin, dass ihm die hingegebenen Finanzmittel zurückgezahlt werden. Demgegenüber werden dem Kreditnehmer durch eine vorzeitige Kündigung die Kreditmittel entgegen seinen wirtschaftlichen Dispositionen entzogen, was ihn zu einer Umschuldung zwingen kann (vgl 6 Ob 24/20b; vgl auch 8 Ob 144/18m).

[78] 9.4  Auch zu dieser Klausel kommt es auf die Frage der Anwendbarkeit des VKrG und damit auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage der Kündigungsfristen gemäß § 14 VKrG nicht mehr an.

[79] 9.5 Der von der Beklagten geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor, weil die Begründung des Berufungsgerichts trotz des Verweises auf eine andere Klausel nachvollziehbar bleibt.

[80] Ergebnis:

[81] Zusammenfassend bestehen gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts im Ergebnis keine Bedenken. Der Revision der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.

[82] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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