OGH 3Ob224/18i

OGH3Ob224/18i20.2.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Raiffeisen I***** GmbH, *****, vertreten durch Brenner & Klemm, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. S*****, 2. P*****, beide vertreten durch Dr. Martin Brandstetter Rechtsanwalt GmbH in Amstetten, wegen 7.560 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 11. Juli 2018, GZ 21 R 93/18m‑12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Melk vom 14. März 2018, GZ 12 C 485/17b‑8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00224.18I.0220.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 917,02 EUR (darin 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Anspruch der Klägerin auf Maklerprovision gegen die beklagten Eheleute, die am 30. September 2016 ein Reihenhaus kauften, für dessen Vermittlung die Klägerin tätig war.

Der Erstbeklagte rief am 18. August 2016 bei der Klägerin an und teilte deren Mitarbeiter telefonisch mit, dass sich seine Frau (die Zweitbeklagte) und er selbst für ein von der Klägerin in einem Inserat genanntes Haus interessierten. Der Mitarbeiter schickte dem Erstbeklagten noch am selben Tag ein E‑Mail‑Angebot (mit Hinweisen auf die Grundlagen der Maklerprovision, Belehrungen über Rücktrittsrechte nach FAGG und KSchG sowie einem Muster‑Rücktrittsformular) an die vom Erstbeklagten angegebene E‑Mail‑Adresse. Dieses E‑Mail langte im „Spam-Ordner“ des E‑Mail‑Accounts ein, was der Erstbeklagte jedoch nicht bemerkte. Der Erstbeklagte rief daher am 29. August 2016 neuerlich beim Mitarbeiter der Klägerin an und ersuchte um nochmalige Zusendung der Unterlagen, die am Folgetag, dem 30. August 2016, durchgeführt wurde und ebenfalls in seinem „Spam-Ordner“ landete. Bei dem Telefonat am 29. August 2016 vereinbarten der Zweitbeklagte und der Mitarbeiter der Klägerin einen Besichtigungstermin für den 2. September 2016. Bei dieser Besichtigung des Hauses wurde der Erstbeklagte durch einen Hinweis des Mitarbeiters auf das Einlangen der E‑Mail‑Sendungen in seinem „Spam-Ordner“ aufmerksam und er speicherte das (zweite) E‑Mail daraufhin in seinem Postordner ab. Eine Woche nach der Besichtigung nahmen die Beklagten mit der Verkäuferin des Hauses Kontakt auf, einigten sich über den Kaufpreis und klärten die Finanzierung. Der Rechtsanwalt, der für die Beklagten den Kaufvertrag errichtete, erläuterte ihnen am 16. September 2016 das Rücktrittsrecht und verfasste noch am selben Tag eine Rücktrittserklärung im Namen beider Beklagten. Die Beklagten hatten damit gerechnet, dass sie an die Klägerin allenfalls eine Provision zu leisten haben würden.

Die Klägerin begehrte die Vermittlungsprovision auf Basis des Kaufpreises. Spätestens mit der telefonischen Vereinbarung des Besichtigungstermins sei zwischen den Streitteilen ein konkludenter Maklervertrag zustande gekommen. Der Erstbeklagte sei auch im Namen seiner Frau aufgetreten; er habe beide E‑Mails samt Belehrungen über Rücktrittsrechte erhalten. Der Rücktritt vom 16. September 2016 sei verspätet.

Die Beklagten wendeten zusammengefasst ein, es sei kein Vertrag zustande gekommen; widrigenfalls seien sie rechtzeitig von einem solchen zurückgetreten. Die Zweitbeklagte habe erstmals bei der Besichtigung am 2. September 2016 persönlichen Kontakt mit dem Mitarbeiter der Klägerin gehabt. Die Belehrung über das Rücktrittsrecht sei unzureichend gewesen.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Der Erstbeklagte habe den Besichtigungstermin vereinbart, als er vom Erhalt des E-Mails noch keine Kenntnis gehabt habe, weshalb daraus kein Vertragsabschluss abgeleitet werden könne. Frühestens bei der Besichtigung am 2. September 2016 sei ein Maklervertrag zustande gekommen und daher sei die Rücktrittserklärung vom 16. September 2016 rechtzeitig; sie sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Auf die Frage der ausreichenden Belehrung über das Rücktrittsrecht müsse nicht eingegangen werden.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass es der Klage stattgab.

Der Provisionsanspruch des Maklers setze einen zumindest schlüssig erteilten Vermittlungsauftrag voraus; eine stillschweigende Auftragserteilung sei anzunehmen, wenn der Interessent die vom gewerbsmäßigen Realitätenvermittler für ihn entfaltete Tätigkeit dulde oder sich der Tätigkeit des Vermittlers bediene, um den gewünschten Erfolg herbeizuführen. Hier sei den Beklagten bei der Kontaktaufnahme mit dem Mitarbeiter der Klägerin eindeutig erkennbar gewesen, dass dieser für seine Bemühungen auch eine Provision von den Beklagten erwarte; sie hätten auch selbst damit gerechnet. Mit der telefonischen Vereinbarung des Besichtigungstermins (am 29. August 2016) sei jedenfalls ein Maklervertrag mit beiden Beklagten zustande gekommen, zumal der Erstbeklagte auch im Namen seiner Frau aufgetreten sei, die schließlich ebenfalls als Käuferin aufgetreten sei. Da die 14‑tägige Frist spätestens mit dem wirksamen Zugang der relevanten Unterlagen am 30. August 2016 zu laufen begonnen habe, sei der Rücktritt am 16. September 2016 verspätet. Auf die formellen Voraussetzungen des § 10 FAGG (ausdrückliches Verlangen einer vorzeitigen Vertragserfüllung nach entsprechender Belehrung und Verzicht auf das Rücktrittsrecht) müsse daher hier nicht eingegangen werden.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Frage zu, ob ein E‑Mail, das im „Spam-Ordner“ des E‑Mail‑Accounts des Empfängers einlangte, als zugegangen anzusehen sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird die Aufhebung begehrt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision nicht zulässig, weil sie keine Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.1 Für den Zugang elektronischer Willenserklärungen in den Machtbereich des Empfängers ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Mailbox des Empfängers jedenfalls dann zu seinem Machtbereich gehört, wenn er zu erkennen gegeben hat, dass er über die E‑Mail‑Adresse erreichbar ist (6 Ob 152/18y; 9 Ob 56/13w mwN). In der Entscheidung 2 Ob 108/07g wurde dies dahin präzisiert, dass eine E‑Mail für den Empfänger in dem Zeitpunkt abrufbar ist, in dem sie in seiner Mailbox eingelangt und gespeichert ist und am Bildschirm angezeigt oder ausgedruckt werden kann, das heißt, sobald ein Abruf durch den Empfänger möglich ist (RIS‑Justiz RS0123058). Allgemein reicht es aus, wenn eine Willenserklärung in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, selbst wenn sie dieser persönlich nicht erhalten hat; es genügt, dass der Adressat die Möglichkeit hatte, die Erklärung zur Kenntnis zu nehmen (RIS‑Justiz RS0014076).

Nach der Bestimmung des § 12 Satz 1 ECG gelten elektronische Vertragserklärungen, andere rechtlich erhebliche elektronische Erklärungen und elektronische Empfangsbestätigungen als zugegangen, wenn sie die Partei, für die sie bestimmt sind, unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. Eine Kenntnisnahme dieser Erklärungen durch den Empfänger wird daher nicht vorausgesetzt; maßgeblich ist vielmehr die Möglichkeit der Kenntnisnahme „unter gewöhnlichen Umständen“ (dazu näher 6 Ob 152/18y = RIS‑Justiz RS0123058 [T2 und T3]).

1.2 Die Frage des Zugangs elektronischer Willenserklärungen ist daher – aufgrund eindeutiger Gesetzeslage – in der Rechtsprechung bereits geklärt. Das Berufungsgericht ist in seiner Entscheidung von diesen Grundsätzen ausgegangen, wenn es (auch) das Einlangen der Erklärungen im „Spam-Ordner“ des Empfängers an der von diesem angegebenen E-Mail-Adresse als wirksamen Zugang beurteilt hat.

Die vom Mitarbeiter der Klägerin dem Erstbeklagten übermittelten Unterlagen (einschließlich des Hinweises auf die Provision sowie der Belehrungen über Rücktrittsrechte) sind nach den Feststellungen bereits bei der ersten vom Mitarbeiter der Klägerin veranlassten Sendung (am 18. August 2016) sowie neuerlich am 30. August 2016 (einem Dienstag) in der Mailbox des Erstbeklagten eingelangt; dass eine Kenntnisnahme vom Inhalt dieser Erklärungen nicht möglich gewesen wäre, haben die Beklagten selbst nicht behauptet. Daher ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Beklagten die 14‑tägige Frist für eine Rücktrittserklärung nach dem FAGG nicht eingehalten haben, jedenfalls nicht unvertretbar:

2.1 Die Beurteilung, wie – konkludente – Willenserklärungen aufzufassen sind, insbesondere zur Frage, ob zwischen den Prozessparteien eine Vertragsbeziehung anzunehmen ist oder nicht, hat immer aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0042555; RS0042776 [T37]; RS0042936 [T47]; RS0014158 [T8] ua).

Hier hat das Berufungsgericht den festgestellten Verlauf der wechselseitigen Erklärungen (Telefonate und E‑Mail‑Erklärungen vor dem Besichtigungstermin) als konkludenten Abschluss eines Maklervertrags qualifiziert. Der Revision gelingt es nicht, darin eine aufzugreifende Fehlbeurteilung aufzuzeigen:

2.2 Nach der Rechtsprechung ist ein– konkludenter – Auftrag an einen gewerblichen Immobilienmakler als eine der Voraussetzungen für einen Provisionsanspruch bereits dann anzunehmen, wenn der Interessent die vom Vermittler für ihn entfaltete Tätigkeit kennt und ihr nicht widerspricht (jüngst 3 Ob 35/18w). In der bloßen Annahme der Dienste eines Immobilienmaklers liegt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs jedoch dann kein schlüssiger Vertragsabschluss, wenn dieser erkennbar für einen anderen Auftraggeber tätig wurde; in einem solchen Fall könnte die Annahme der Dienste des Maklers nur dann als konkludentes Einverständnis zum Abschluss eines Maklervertrags gedeutet werden, wenn der Makler zuvor deutlich zu erkennen gab, für seine Bemühungen (auch) eine Provision von seinem Gesprächs- bzw Verhandlungspartner zu erwarten (6 Ob 71/07w mwN).

Entgegen der Meinung der Revisionswerber steht die Entscheidung des Berufungsgerichts zu dieser Rechtsprechung nicht im Widerspruch. Nach den Feststellungen hat zunächst der Erstbeklagte (im eigenen Namen sowie in jenem seiner Frau, der Zweitbeklagten) mit der Klägerin Kontakt aufgenommen. Die telefonisch angekündigten Unterlagen (samt Hinweis auf die Provision) sind dem Erstbeklagten (für beide Beklagten) zugegangen; dass er davon zunächst nicht Kenntnis nahm (sie nicht gelesen hat, weil er im richtigen Ordner seines E‑Mail‑Accounts nicht nachsah), ist der Klägerin grundsätzlich nicht entgegenzuhalten. Das für den Mitarbeiter der Klägerin erst nachträglich – durch das Gespräch bei der Besichtigung – erkennbare Unterbleiben der Kenntnisnahme durch die Beklagten hat das Berufungsgericht im Rahmen seines Beurteilungsspielraums daher vertretbar als irrelevant für die bereits zuvor wirksam konkludent zustande gekommene Vereinbarung (den Vertragsabschluss) gewertet.

2.3 Der von den Revisionswerbern beanstandete Verfahrensfehler (in Bezug auf den übernommenen Sachverhalt) liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat seine rechtliche Beurteilung auf der Grundlage der übernommenen Feststellungen vorgenommen, während die Revision für ihre Interpretation (nach der die Beklagten erst „ab der Besichtigung am 2. September [...] damit gerechnet“ hätten, allenfalls eine Provision leisten zu müssen) weitere Beweisergebnisse heranzieht und damit vom festgestellten Sachverhalt in unzulässiger Weise abweicht.

2.4 Soweit die Revision den Inhalt der Belehrungen über das Rücktrittsrecht als unzureichend beanstandet, zeigt sie nicht auf, weshalb die – hier erfolgte – umfangreiche Übermittlung der bezughabenden Gesetzestexte für eine solche Information nicht ausreichen sollte. Die Beklagten haben sich im Verfahren im Wesentlichen darauf gestützt, dass ihnen die Unterlagen vor dem Besichtigungstermin nicht zugegangen (zur Kenntnis gelangt) seien; die zusätzliche Behauptung, die Belehrung über ihr Rücktrittsrecht sei nicht verständlich gewesen, haben sie nicht näher konkretisiert, weshalb auch damit keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufgeworfen wird.

3. Die Revision beanstandet schließlich die Bejahung des Vertragsabschlusses durch beide Beklagte und steht auf dem Standpunkt, es fehlten die Voraussetzungen für eine wirksame Stellvertretung der Zweitbeklagten durch den Erstbeklagten.

Nach den Feststellungen hat der Erstbeklagte aber bereits bei seiner ersten Kontaktaufnahme mit der Klägerin dieser (bzw ihrem zuständigen Mitarbeiter) mitgeteilt, dass er selbst und seine Frau sich für das Haus interessierten. Zuvor war die Zweitbeklagte auf das Haus aufmerksam geworden und hatte dem Erstbeklagten davon erzählt, was der Anlass für die Kontaktaufnahme gewesen war. Die – vom Erstbeklagten telefonisch vereinbarte – Besichtigung erfolgte mit beiden Beklagten gemeinsam (und diese kauften schließlich gemeinsam das Objekt). Auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass beide Beklagten gemeinsam (und nicht der Erstbeklagte allein) den Maklervertrag für das schließlich von ihnen gekaufte Haus abschlossen, ist daher – entgegen der Ansicht der Revisionswerber – jedenfalls nicht unvertretbar.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RIS‑Justiz RS0112296; RS0035962; RS0035979).

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