OGH 9ObA101/20y

OGH9ObA101/20y25.11.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon.‑Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * A*, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei J* GmbH, *, vertreten durch Engelbrecht Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 2.270,21 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. August 2020, GZ 7 Ra 24/20h-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E130179

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin war mit „Arbeiterdienstvertrag zur Reintegration in den Arbeitsmarkt“ vom 7. 1. 2019 bei der Beklagten beschäftigt. Dem Vertragsverhältnis lag ein zwischen dem Bund, vertreten durch das AMS, Landesgeschäftsstelle Steiermark, und der Beklagten abgeschlossener Fördervertrag zur Schaffung/Erhaltung von Transitarbeitsplätzen im Rahmen eines gemeinnützigen Beschäftigungsprojekts zugrunde, in dem die maximale Verweildauer im Projekt mit fünf Monaten und die durchschnittliche Verweildauer mit vier Monaten angenommen wurde. Das Vertragsverhältnis der Klägerin sah eine Befristung vom 7. 1. 2019 bis 6. 5. 2019, eine einmonatige Probezeit und die Möglichkeit einer Kündigung unter Einhaltung einer 14-tägigen Kündigungsfrist vor und umfasste auch Schulungsmaßnahmen sowie eine sozialpädagogische Begleitung der Klägerin im Ausmaß von mindestens 12 Stunden monatlich. Am 18. 3. 2019 wurde es von der Beklagten zum 31. 3. 2019 gekündigt und die Klägerin in der Folge vom Dienst freigestellt. Nach dem von der Beklagten verfassten Abschlussbericht wurde das inhaltliche Maßnahmenziel von der Klägerin als Transitmitarbeiterin nicht erreicht.

Die Vorinstanzen wiesen das auf den Zuspruch einer Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 1. 4. bis 6. 5. 2019 gerichtete Klagebegehren ab. Selbst bei Annahme eines Dienstvertrags iSd § 1151 ABGB sei mangels eines Missverhältnisses zwischen der Befristung und der Kündigungsmöglichkeit nicht von der Unzulässigkeit der Kündigung auszugehen.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Die Parteien können auch für ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Arbeitsverhältnis die Möglichkeit einer Kündigung vereinbaren (RS0028428). Allgemein ist dabei davon auszugehen, dass eine Kündigung während der Dauer befristeter Dienstverhältnisse nur bei längerer Befristung zuzulassen ist, um die Vorteile der Bestandsfestigkeit des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine Kündigung zu gefährden (RS0028428 [T9] = 8 ObA 23/19v mwN). Die Rechtsprechung geht auch davon aus, dass die Dauer der Befristung und die Möglichkeit einer Kündigung in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen (RS0028428 [T1]). Diese Prüfung wird in der Rechtsprechung auch unter Berücksichtigung der Gründe für die Befristung und der konkreten Ausgestaltung der Kündigungsmöglichkeiten vorgenommen. Die Frage, ob ein solches Missverhältnis zwischen Befristung und Kündigungsmöglichkeit besteht, ist eine solche des Einzelfalls (RS0028428 [T7]), die die Vorinstanzen im Rahmen dieser Rechtsprechung beurteilt haben:

2. In der Entscheidung 8 ObA 2206/96m wurde die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit mit 14-tägiger Kündigungsfrist bei einem auf vier Monate und vier Tage unter Vereinbarung einer 14-tägigen Probezeit abgeschlossenen Saison-Arbeitsverhältnisses für zulässig erklärt. Die Kündigungsfrist entsprach der des einschlägigen Kollektivvertrags bei Arbeitsverhältnissen auf unbestimmte Zeit, war daher nicht als unangemessen kurz anzusehen. Zudem führte der Oberste Gerichtshof ins Treffen, dass nach der Vereinbarung im letzten Monat kein Kündigungsrecht bestand, sodass die Vertragsbestimmung „den Arbeitnehmer mehr [schützt], als wenn nur die kollektivvertragsrechtlichen Kündigungsregeln anzuwenden wären; sie bewahren ihn nämlich davor, knapp vor Saisonende, also zu einer Zeit, wo er kaum noch einen anderen Arbeitsplatz für die Restzeit finden kann, gekündigt zu werden“.

In der Entscheidung 9 ObA 43/03v wurde eine 14-tägige Kündigungsfrist bei einem auf ein Jahr befristeten Vertrag als zulässig angesehen. Von der Rechtsprechung sei – bei Saisonarbeitsverhältnissen – unter bestimmten Voraussetzungen auch Befristungen bis zu vier Monaten und von der Lehre Kündigungsklauseln bei Vertragsbefristungen auf mindestens fünf Monate für unbedenklich angesehen worden. Die Befristung sei „keineswegs unter dem Aspekt einer für die Reintegration erforderlichen Mindestbeschäftigungszeit, sondern vielmehr unter dem Blickwinkel des zwischen beklagter Partei und AMS geschlossenen Förderungsvertrages zu betrachten“. Hinzu komme die Verpflichtung der Beklagten zur sozialpädagogischen Betreuung der Transitkräfte.

Als zulässig wurde auch die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit mit 14-tägiger Kündigungsfrist bei einem auf sechs Monate befristeten Arbeitsverhältnis angesehen, bei dem die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit einer Förderzusage durch das AMS verbunden war (8 ObA 42/04s).

Unzulässig war dagegen eine 14-tägige Kündigungsfrist bei einem auf neun Wochen befristeten Praktikum (8 ObA 305/95).

Von einem groben Missverhältnis ging auch die Entscheidung 9 ObA 104/18m bei einem auf „ca 3,5 Monate“ (inkl 14 Tage Probezeit) befristeten Arbeitsverhältnis aus, das unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Kündigungsfrist von 14 Tagen gekündigt werden konnte. Dabei wies der 9. Senat auch auf das Fehlen eines Vorteils wie jenen in der Entscheidung 8 ObA 2206/96m hin.

Ein Missverhältnis wurde zuletzt auch in der Entscheidung 8 ObA 23/19v bei einem auf 3 Monate und 10 Tage befristeten Saison-Dienstverhältnis (inkl 14-tägiger Probezeit) und Kündigungsmöglichkeit bis einen Monat vor Zeitablauf mit 14-tägiger Kündigungsfrist angenommen.

3. Anders als in den zuletzt genannten Fällen liegt hier die Dauer der Befristung mit vier Monaten noch innerhalb des Rahmens jener Fälle, in denen die Zulässigkeit der Kündigung nicht schon an der Kürze der Befristung scheiterte. Zwar liegt kein für die Klägerin günstigeres Element zur Kündigungsvereinbarung (8 Ob 2206/96m: Kündigungsausschluss für den letzten Monat) vor. Wie aus 8 ObA 42/04s hervorgeht, ist für die Angemessenheit des Verhältnisses zwischen Befristung und Kündigung und damit für die Zulässigkeit letzterer aber auch der sachliche Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte für das Projekt 2019 insgesamt 156 Neuzugänge zu gewährleisten und war durch den mit dem AMS abgeschlossenen Fördervertrag gehalten, für die von ihr aufzunehmenden Transitarbeitskräfte Vertragsverhältnisse mit einer Befristung von maximal fünf Monaten und – wie erfolgt – im Durchschnitt von vier Monaten abzuschließen. Dass darin ein sachlicher Grund für die Dauer der Befristung liegt, ist danach nicht zweifelhaft. Es ist auch zu bedenken, dass das Vertragsverhältnis hier mit einem bestimmten Förderziel verbunden war, nämlich der Erhöhung der individuellen Vermittlungschancen durch Erwerb von Kompetenzen, Optimierung der Arbeitshaltung, Stärkung des Selbstkonzepts und der persönlichen Orientierung, im Rahmen dessen sie auch Schulungsmaßnahmen sowie sozialpädagogische Begleitung zu leisten hatte. Gerade in einer solchen besonderen Förderkonstellation kann sich doch mit einer etwas höheren Wahrscheinlichkeit als sonst auch noch nach der Probezeit herausstellen, dass die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht geeignet ist, für eine Transitarbeitskraft den angestrebten Zweck der Förderung ihrer Reintegration in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu erreichen. Unter diesen Gegebenheiten liegt es aber – wie auch schon aus den Entscheidungen 8 ObA 42/04s und 9 ObA 43/03v zu ebenfalls mit einer Förderzusage des AMS verbundenen Befristungen hervorgeht – (noch) im Rahmen der Rechtsprechung, wenn die Vorinstanzen hier ein Missverhältnis zwischen Befristung und vereinbarter Kündigungsmöglichkeit verneinten und von der Zulässigkeit der Kündigung ausgingen.

4. Dass die Kündigungsfrist des § 39 Abs 2 des Kollektivvertrags der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ-KV) vier Wochen zum Ende der Kalenderwoche beträgt, ist hier ohne Belang, weil diese Bestimmung gemäß § 2 Abs 3 lit c SWÖ-KV auf TransitmitarbeiterInnen nicht anzuwenden ist.

5. Da die Klägerin in ihrer Zulassungsbeschwerde danach keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist ihre Revision zurückzuweisen.

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