OGH 1Ob169/20i

OGH1Ob169/20i24.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Hausberger und andere Rechtsanwälte in Wörgl, gegen die beklagte Partei R***** Baugesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Geiler und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 36.267,12 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Endurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. Juni 2020, GZ 1 R 81/20a‑34, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts Innsbruck vom 31. März 2020, GZ 6 Cg 40/18w‑26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00169.20I.0924.000

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird wie aus dem Kopf der Entscheidung ersichtlich berichtigt.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Der anwaltlich vertretene (ursprüngliche) Kläger ist am 15. 4. 2020 verstorben (vgl § 155 Abs 1 ZPO). Seine Verlassenschaft wurde mit rechtskräftigem Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts Kufstein vom 28. 8. 2020 nach deren unbedingter Erbantrittserklärung zur Gänze seiner Witwe eingeantwortet. Die Bezeichnung der klagenden Partei ist daher von Amts wegen zu berichtigen (§ 235 Abs 5 ZPO; vgl RIS‑Justiz RS0012287).

II. Die beklagte Baugesellschaft war beim Haus des früheren Klägers (unter anderem) mit der Errichtung des Vollwärmeschutzes sowie der Außenwände und Außentreppen beauftragt. Im Jahr 2013 stellte er bei den Außenwänden erstmals Ausblühungen sowie Rissbildungen (mit einer Breite von gut einem Zentimeter) und auch Setzungen im Bereich der Stiegen fest.

Das Berufungsgericht sah die von ihm mit Klage vom 12. 4. 2018 aufgrund dieser Baumängel verfolgten Ansprüche als verjährt an.

Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision der klagenden Partei ist nicht zulässig:

1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt zu laufen, wenn dem Geschädigten der Sachverhalt soweit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann, er also in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RS0034374 [T37, T38, T49]; RS0034524). Ab wann eine ausreichende Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen anzunehmen ist, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig (RS0034374 [T47]; RS0034524 [T23, T41]; RS0113916 [T1, T5]).

2. Eine Verkennung dieser Grundsätze durch das Berufungsgericht, die eine Befassung des Höchstgerichts erforderlich machte, kann die klagende Partei nicht aufzeigen. Sie bestreitet nicht, dass der Verstorbene den nach „Lokalaugenschein“ verfassten gutachterlichen Schadensbericht eines Baumeisters, der von der Haftpflichtversicherung seines Architekten und Bauleiters als „Sachverständiger“ beauftragt worden war, bereits im November 2014 erhalten hat. Wenn das Berufungsgericht aus dem vom Erstgericht in den maßgeblichen Passagen wörtlich wiedergegebenen Schadensbericht den Schluss zog, dass darin bereits klare Aussagen zur Verursachung bzw Mitverursachung (jeweils) bestimmter Schäden getroffen wurden, bedarf dies keiner Korrektur. Ob an den Umstand, dass er danach (wegen der – wie das Erstgericht meinte – im Bericht angegebenen niedrigen Schätzung der Sanierungskosten „berechtigt“) ein Privatgutachten eines anderen Fachmanns einholte, die Konsequenz zu knüpfen ist, dass die Verjährungsfrist erst ab Kenntnis von diesem späteren Gutachten zu laufen begann, ist eine Rechts‑ und keine Tatfrage.

Allenfalls zu niedrig angegebene Sanierungskosten betreffen bloß die Höhe des Schadens. Die Kenntnis der Schadenshöhe ist aber für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist nicht erforderlich (3 Ob 22/18h; vgl auch RS0034374 [T34]; RS0034524 [T40]; RS0034366 [T14, T18]); besteht – wie typischerweise beim Mangelschaden – primär der Anspruch auf Verbesserung (§ 933a Abs 2 Satz 1 ABGB), stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit, für die Formulierung des Klagebegehrens eine Schadenshöhe zu kennen, ohnehin nicht. Relevant für den Beginn des Laufs der Verjährung ist vielmehr der Zeitpunkt, in dem dem Berechtigten der Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden erkennbar war oder erkennbar sein musste, also jener Zeitpunkt, in dem die objektive Möglichkeit der Klageeinbringung gegeben war (RS0034366).

3. Damit kommt der in der Revision angesprochenen Frage der Interpretation der Feststellungen des Erstgerichts durch das Berufungsgericht keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Die Feststellung, dass der frühere Kläger durch das am 29. 4. 2015 präsentierte (zweite) Gutachten „insbesondere Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, unter anderem betreffend Außenwände bzw Außentreppen und Vollwärmeschutz im Sockelbereich erlangte“, folgte den Feststellungen zu seiner Kenntnis vom (ersten) gutachterlichen Schadensbericht vom 12. November 2014 und dessen Inhalt nach. Für die rechtliche Beurteilung ist nun nicht wesentlich, wann er – aus seiner subjektiven Sicht betrachtet – für sich hinreichende („gesichert“, wie das Erstgericht formuliert) Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten „erlangte“, sondern wann ihm – worauf das Berufungsgericht auch hinweist – der Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und einem bestimmten, der Beklagten anzulastenden Verhalten (bei der gebotenen objektiven Sichtweise) erstmals zur Kenntnis gebracht wurde. Dessen Beurteilung, dass dies (aus objektiver Sicht) bereits mit Kenntnis des über Auftrag der Haftpflichtversicherung eingeholten gutachterlichen Schadensberichts im November 2014 der Fall war und zu diesem Zeitpunkt der Lauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt wurde, stimmt mit den Feststellungen überein und ist unbedenklich, zumal mit der Klageerhebung nicht so lange zugewartet werden darf, bis der Geschädigte sich seines Prozesserfolgs gewiss ist (RS0034951 [T21]; RS0034524 [T7]) oder glaubt, es zu sein (RS0034524 [T20]).

4. In der Revision unter Verweis auf zwei höchstgerichtliche Entscheidungen behauptetes Abweichen des Berufungsgerichts von „ständiger Rechtsprechung“ des Obersten Gerichtshofs lässt sich nicht nachvollziehen:

Die zu 4 Ob 144/11x ergangene Entscheidung betrifft eine Klage wegen Schmerzengeld nach einem ärztlichen Behandlungsfehler. Wenn damals ausgesprochen wurde, dass bloße Mutmaßungen des Klägers als medizinischen Laien den Gang der Verjährungsfrist noch nicht haben auslösen können, weil dessen subjektive „Überzeugung“ nicht auf objektiven Grundlagen beruht habe, kann – übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt – hier von solchen subjektiven Mutmaßungen des früheren Klägers bei Kenntnis des „ersten Gutachtens“ nicht die Rede sein. Die Schäden betrafen das von der bauausführenden Beklagten errichtete Gewerk, sodass sie als (ersatzpflichtige) Schädigerin entweder durch Fehler bei dessen Ausführung oder wegen Verletzung von Warn‑ und/oder Prüfpflichten ohnehin nahelag. Dem früheren Kläger lag bereits im November 2014 eine gutachterliche Stellungnahme eines Fachmanns (eines Baumeisters) vor, in der nach dessen Vor‑Ort‑Besichtigung die (später auch in der Klage behaupteten) Schäden und die von der Beklagten gesetzten Schadensursachen genannt wurden. Zu beiden Gesichtspunkten wurde die gutachterliche Stellungnahme durch das spätere „Gutachten“ bestätigt.

Auch der anlässlich zu 10 Ob 20/19t entschiedene Fall ist nicht vergleichbar. Divergierende Gutachten (damals) desselben Sachverständigen zur Schadensverursachung, die der Grund für dessen Inanspruchnahme in jenem Verfahren waren, lagen hier nicht vor. „Divergenzen“ zum Schaden, seiner Ursache und seinem Verursacher werden gar nicht genannt, sondern auf eine (viel später, erst im Jahr 2016 in einem weiteren „Gutachten“ vorgenommene) unterschiedliche Einschätzung der Sanierungskosten, die aber, wie bereits erwähnt, bloß die (genaue) Kenntnis der Höhe des Schadens betreffen (vgl RS0034366), bezogen. Ausführungen in der Revision, die darauf abzielen, dass das erste Gutachten (noch) nicht zur (objektiven) Kenntnis (sondern zu „bloßen Mutmaßungen“) geführt hätte (oder führen hätte können), sind unbeachtlich, hat die klagende Partei doch im Verfahren erster Instanz die nunmehrige Behauptung, die Vorgehensweise des „ersten“ Baumeisters bei der Erstellung seines gutacherlichen Schadensberichts habe „nicht dem üblichen Sorgfaltsmaßstab eines Sachverständigen“ entsprochen, nicht aufgestellt. Damals wurde das Gutachten ohne näheres Sachsubstrat und allein mit dem Hinweis auf „völlig oberflächliche Hinweise zu den Behebungskosten“ und „oberflächliche Ausführungen zu den jeweiligen Schadensbereichen“ (ON 21, 2) abgetan, wiewohl der frühere Kläger selbst den Schaden(‑sbereich) und dessen Verursachung in seiner mehr als drei Jahre später eingebrachten Klage nicht präziser angegeben hat, als dies schon im ersten Schadensbericht der Fall war.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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