European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00078.20X.0923.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie wie folgt zu lauten haben:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 31. Juli 2018, GZ 72 E 2669/18s‑15, bewilligte Exekution sowie die weiteren Strafbeschlüsse vom 9. August 2018, GZ 72 E 2669/18s‑23, ‑24, ‑25 und ‑26, sowie vom 21. August 2018, GZ 72 E 2669/18s‑30 und ‑31, sind unzulässig. Die mit diesen Beschlüssen verhängten Geldstrafen werden aufgehoben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 13.286,10 EUR (hierin enthalten 465 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin ist Betreiberin einer international agierenden App‑gestützten Mietwagenvermittlungsplattform (U*****-App). Die Beklagte unterhält eine Taxifunkzentrale in Wien und übt ebenfalls das Mietwagengewerbe aus.
[2] Mit einstweiliger Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 24. April 2018 wurde der Klägerin als Gegnerin der gefährdeten Partei zur Sicherung des inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs der hier Beklagten als gefährdeter Partei insbesondere verboten, ein Vermittlungssystem für Personenbeförderungsdienstleistungen anzubieten, bei dessen Inanspruchnahme Fahrgäste entgegen § 36 Abs 3 der Wiener Taxi‑, Mietwagen‑ und Gästewagen‑Betriebsordnung idF LGBl 2011/36 (im Folgenden: WrLBO) außerhalb der Betriebsstätte der Mietwagenunternehmer aufgenommen werden und diese Aufnahme nicht aufgrund einer in der Wohnung oder der Betriebsstätte des Mietwagenunternehmers erfolgten Bestellung durchgeführt wird.
[3] Diesem Titel lag insbesondere folgender Sachverhalt zugrunde:
[4] Die Klägerin betreibt eine elektronische Vermittlungsplattform, auf der registrierte Nutzer (Kunden der Beklagten) unter Verwendung einer Smartphone‑Applikation (U*****-App) Beförderungs-Dienstleistungsverträge mit Mietwagen-Partnerunternehmen der Klägerin abschließen können. Dafür stellt die Klägerin ein Vermittlungssystem mittels einer Technologie bereit, mit deren Hilfe die Anfrage eines Kunden um eine Beförderungsleistung an registrierte Partner (Mietwagenunternehmer) übermittelt wird, wobei Mietwagenunternehmer und Fahrer gleichzeitig elektronisch über den Eingang einer Bestellung informiert werden; der Mietwagenunternehmer kann einer Fahrtanfrage (theoretisch) widersprechen. Ein Nutzer kann über die U*****-App unter Angabe von Anfangs- und Endpunkt eine Mietwagenfahrt bestellen. Bei einer Fahrtanfrage wird vom Vermittlungssystem der Klägerin der Standort des Nutzers ermittelt und dieser nach seinem Zielort gefragt sowie der Fahrpreis angezeigt; in der Folge kann der Nutzer die Fahrt buchen. Der Fahrpreis wird von der Klägerin beim Nutzer eingehoben und nach Abzug einer Provision teilweise an den Mietwagenunternehmer weitergeleitet. Bei Anwendung des Taxitarifs wäre für die Fahrten jeweils ein höheresFahrtentgelt angefallen.
[5] Aufgrund dieser vollstreckbaren einstweiligen Verfügung beantragte die Beklagte am 6. Juli 2018 die Bewilligung der Exekution gemäß § 355 EO, weil die Klägerin nach wie vor gegen das Unterlassungsgebot verstoße. Ihr Vermittlungssystem umgehe § 36 Abs 3 WrLBO, wodurch sie zum Gesetzesbruch durch ihre kooperierenden Mietwagenunternehmer beigetragen habe. Durch die Verwendung ihrer App komme es noch immer zu Fahrten, die nicht auf einer Bestellung beim Mietwagenunternehmer basierten. Die Fahrer würden gänzlich eigenständig handeln. Verstöße gegen den Titel seien von der Beklagten in mehreren Testfahrten dokumentiert worden. Mit weiteren Strafanträgen vom Juli und August 2018 beantragte sie unter Behauptung inhaltsgleicher Titelverstöße wiederum die Verhängung von Geldstrafen gegen die Klägerin, weil diese nach wie vor titelwidrig handle.
[6] Mit Beschluss vom 31. Juli 2018, GZ 72 E 2669/18s‑15, bewilligte das Erstgericht der Beklagten die Exekution gemäß § 355 EO und verhängte eine Geldstrafe von 20.000 EUR über die Klägerin. Mit vier Beschlüssen vom 9. August 2018 (ON 23 bis ON 26 des Exekutionsakts) bewilligte das Erstgericht vier weitere Strafanträge und verhängte Geldstrafen von je 30.000 EUR über die Klägerin. Mit zwei Beschlüssen vom 21. August 2018 (ON 30 und 31 des Exekutionsakts) wurden zwei weitere Strafanträge bewilligt und Geldstrafen von je 40.000 EUR über die Klägerin verhängt.
[7] Die Klägerin hat auch nach Erlassung der einstweiligen Verfügung (in dem vom Exekutionsantrag und den Strafanträgen erfassten Zeitraum) weiterhin eine Vermittlungsplattform für Mietwagenfahrten betrieben. Das Geschäftsmodell besteht nach wie vor in der Vermittlung von Mietwagenfahrten an Fahrgäste mit Beförderungsbedürfnissen. Nach Erlassung der einstweiligen Verfügung und noch vor dem Exekutionsantrag nahm die Klägerin allerdings eine Systemumstellung vor, sodass die Bestellung einer Fahrt über die U*****-App nun folgendem Ablauf folgt:
[8] Nach Eingang einer Bestellung durch einen Fahrgast wird von der Klägerin eine Benachrichtigung an den nach einem Algorithmus ausgewählten Fahrer in dessen „Driver-App“ gesendet. Dieser hat sodann 40 Sekunden Zeit, die Fahrt anzunehmen. Ebenso erhält der „zugehörige Mietwagenunternehmer“ ein E-Mail mit zwei Links zum Annehmen oder Ablehnen der Fahrt. Die Benachrichtigungen an den Mietwagenunternehmer und an den vorgeschlagenen Fahrer werden technisch bedingt gleichzeitig ausgesendet. Nach Annahme durch den Unternehmer erhält der Fahrer eine SMS-Nachricht mit der entsprechenden Dienstanweisung des Mietwagenunternehmers, die Fahrt durchzuführen. Technisch ist es jedoch auch möglich, dass der Fahrer die Fahrt ohne Involvierung des Mietwagenunternehmers eigenmächtig annimmt und antritt bzw selbst nachdem die Fahrt vom Unternehmer abgelehnt wurde, diese dennoch durchführt.
[9] Die Klägerin versucht eine derartige Handhabung des Systems (nur) dadurch hintanzuhalten, dass alle Beförderungsunternehmer verpflichtende Informationsveranstaltungen zur korrekten Nutzung des Vermittlungssystems besuchen, ein angepasstes Vertragswerk („Dienstleistungsvertrag“) akzeptieren und in einer gesonderten Verpflichtungserklärung zusichern müssen, dass sie das System wie vorgeschrieben nutzen. Sowohl der Dienstleistungsvertrag als auch die Verpflichtungserklärung enthalten die Rückkehrpflicht sowie „die Verpflichtung des Unternehmers, die Fahrt anzunehmen“ (gemeint: als Voraussetzung für die Berechtigung des Fahrers, die Beförderung durchzuführen). Weiters verlangt die Klägerin von ihren Vertragspartnern, dass sie auch ihre Fahrer entsprechend informieren und verpflichten. Das angebotene Vermittlungssystem selbst wurde nicht entscheidend adaptiert, etwa dadurch, dass der Fahrer selbst erst nach Annahme des Auftrags durch den Mietwagenunternehmer über das System Kenntnis von der von ihm zu tätigenden Beförderung erhält.
[10] Sämtlichen im Exekutionsantrag und den Strafanträgen inkriminierten Titelverstößen lagen „Testfahrten“ der Beklagten zugrunde. Bei diesen handelte es sich um gezielte Überprüfungsfahrten seitens der Beklagten, bei denen sich alle Beteiligten kannten. Dabei kam es zur Abwicklung von Fahrten über die U*****-App, wobei die Fahrer völlig autonom ohne Einschaltung des Mietwagenunternehmers agierten. Die Klägerin wurde von den Testfahrten nicht in Kenntnis gesetzt. Als sie durch die Exekutions‑ und Strafanträge davon erfuhr, kündigte sie die Verträge mit den betroffenen Unternehmern.
[11] Mit ihrer Impugnationsklage begehrt die Klägerin die Unzulässigerklärung der bewilligten Exekution und die Aufhebung der Exekutionsbewilligung und der Strafbeschlüsse. Dem Unterlassungstitel liege das frühere Vermittlungssystem zugrunde, wonach die Aufnahme von Fahrgästen außerhalb der Betriebsstätte systemimmanent aufgrund einer in der Betriebsstätte eingelangte, aber nicht aufgrund einer dort angenommenen Bestellung erfolgt sei. Aufgrund des neuen – bereits vor Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung umgestellten – Bestellablaufs könne und müsse bei einer vertrags‑ und systemkonformen Nutzung jede Bestellung zunächst in der Betriebsstätte angenommen werden; die Fahrer dürften nur noch aufgrund entsprechender Dienstanweisungen tätig werden, die automatisch mit der Annahme eines Auftrags in der Betriebsstätte an den Fahrer versandt würden. Dieses adaptierte Vermittlungssystem fördere keine Verstöße durch die Mietwagenunternehmer gegen § 36 WrLBO und sei daher titelkonform. Es müsse von den Vertragspartnern der Klägerin gesetzes‑ und titelkonform benutzt werden. Werde der Klägerin ein Missbrauch bekannt, ziehe sie entsprechende Konsequenzen. Im Exekutionsantrag und den Strafanträgen stütze sich die Betreibende lediglich auf von ihr selbst initiierte „Testfahrten“, in deren Rahmen sich (offenbar beauftragte) Beförderungsunternehmen und Fahrer, die sich unter Vorgabe falscher Tatsachen im System der Klägerin registriert hätten, bewusst vertrags- und systemwidrig verhalten und eingeweihte Nutzer ohne tatsächlichen Beförderungswunsch spazieren gefahren hätten. Diese von ihr selbst initiierte vertrags‑ und gesetzwidrige Nutzung des Vermittlungssystems der Klägerin durch beauftragte und vorsätzlich handelnde Unternehmer laste die Beklagte sodann der Klägerin als Titelverstöße an. Sie habe in ihren Anträgen keinen einzigen „Verstoß“ aufgezeigt, den nicht sie selbst bzw ihre eigenen „Tester“ zu verantworten hätten. Die Klägerin könne für eine ihr im Voraus nicht erkennbare vertrags- und systemwidrige Nutzung ihres Produkts nicht verantwortlich gemacht werden; vielmehr dürfe sie davon ausgehen, dass ihr Produkt rechtmäßig benutzt werde. Ein offenbar im Auftrag der Betreibenden gesetztes vorsätzlich vertrags‑ und gesetzwidriges Verhalten von Testern sei der Klägerin weder zurechenbar noch vorwerfbar. Sie habe dieses Verhalten durch ihr Vermittlungssystem nicht bewusst gefördert. Die von der Beklagten eingeschleusten Tester hätten die Vorgaben des § 36 WrLBO bei Nutzung des adaptierten Systems nicht nur leicht einhalten können, sondern seien auch entsprechend zum korrekten Umgang geschult worden und hätten sich mit ihrer Unterschrift zu einer solchen Nutzung verpflichtet. Tatsächlich hätten sie sich bewusst gegen eine vertrags‑ und gesetzeskonforme Nutzung entschieden, dieses also vorsätzlich missbräuchlich verwendet. Nach ständiger Rechtsprechung sei ein unlauteres Verhalten des Testers rechtsmissbräuchlich und entziehe damit dem gegen den „hineingelegten“ Mitbewerber erhobenen Vorwurf die Grundlage. Dass die Beklagte den Exekutionsantrag und die weiteren Strafanträge auf diese „Testfahrten“ stütze, sei rechtsmissbräuchlich.
[12] Die Beklagte wendete insbesondere ein, sie habe im Exekutionsverfahren sehr wohl offen gelegt, dass es sich bei den inkriminierten Fahrten um Testfahrten gehandelt habe. Solche Überprüfungen seien auch zulässig, um die Einhaltung der einstweiligen Verfügung zu kontrollieren. Die Klägerin fördere auch mit dem neuen System weiterhin den Rechtsbruch der Mietwagenunternehmer, weil Fahrer weiterhin über die Bestellungen entschieden. Durch das neue Vermittlungssystem habe sich am rechtswidrigen Element, der Bestellannahme durch den Fahrer, gar nichts geändert, sodass die Klägerin weiterhin Mietwagenunternehmer und -fahrer beim Rechtsbruch fördere. Nach wie vor lange die Bestellung des Fahrgasts über die U*****-App binnen Sekunden beim Fahrer und erst kurze Zeit später per E‑Mail im Posteingang des Unternehmers ein. Der Lenker könne die Bestellung jedoch unmittelbar nach Einlangen annehmen. Das System der Klägerin lasse also nach wie vor die Fahrer über die Annahme der Bestellung disponieren, völlig unabhängig von der Reaktion der Betriebsstätte, selbst wenn diese den Auftrag ablehne. Die von der Klägerin bereitgestellte Technik sei also weiterhin bewusst genauso gestaltet, dass sie den Rechtsbruch fördere.
[13] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Entgegen den Behauptungen der Klägerin umgehe auch ihr neues System § 36 Abs 3 WrLBO, weshalb sie dadurch zum Gesetzesbruch durch die Mietwagenunternehmer beitrage. Durch die Verwendung der App komme es nämlich nach wie vor zu Fahrten, die nicht auf einer Bestellung beim Mietwagenunternehmer basierten, sondern auf gänzlich eigenständigem Handeln der Fahrer. Solche Verstöße gegen den Titel habe die Beklagte durch mehrere Testfahrten dokumentiert. Die Klägerin sei Gehilfin der Mietwagenunternehmer. Da sie nach wie vor durch Bereitstellung der U*****-App zu den Normverstößen beitrage, sei ihr der Beweis, dass sie an ihrem Verhalten kein Verschulden treffe, nicht gelungen. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass sie vertragliche Rahmenbedingungen geschaffen habe, die die Mietwagenunternehmer von einem gesetzwidrigen Verhalten abhalten sollten. Dies stelle nämlich nur den unzulässigen Versuch dar, ihre eigene titelgemäße Verpflichtung an Dritte zu überwälzen. Es werde an der Klägerin liegen, ihr Vermittlungssystem so zu gestalten, dass entsprechend § 36 Abs 3 WrLBO ausschließlich der Mietwagenunternehmer über die Annahme der Fahrt entscheiden könne. Die Exekutionsführung sei auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, weil jedes Indiz dafür fehle, dass die Exekution auf unlauteren Motiven basiere. Vielmehr setze die Beklagte einen ihr zugesprochenen Unterlassungsanspruch durch, an dem sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich ein starkes Interesse habe. Ob sie dafür Testfahrer eingesetzt habe, die den gesetzwidrigen Umstand zusätzlich bewiesen hätten, sei unerheblich.
[14] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Auch durch das adaptierte System ermögliche und fördere die Klägerin Gesetzesverstöße der Mietwagenunternehmer, weil diese und die Fahrer gleichzeitig benachrichtigt würden und es weiterhin technisch möglich sei, dass der Fahrer die Fahrt ohne Involvierung (Zustimmung) des Mietwagenunternehmers (oder sogar gegen dessen ausdrücklichen Willen) eigenmächtig annehme und antrete. Da die Klägerin ihr Vermittlungssystem nicht derart technisch adaptiert habe, dass ein Handeln der Fahrer ohne Einschaltung der Mietwagenunternehmer auszuschließen sei, verstoße sie auch mit dem neuen System schuldhaft gegen den Titel, weil sie nach wie vor Verstöße der Mietwagenunternehmer gegen § 36 Abs 3 WrLBO ermögliche und fördere. Die von ihr mit den Mietwagenunternehmern vorgenommene neue Vertragsgestaltung samt Einschulung könne sie nicht exkulpieren, weil dadurch noch nicht gewährleistet sei, dass sich die Mietwagenunternehmer und die Fahrer auch tatsächlich an die vertraglichen Verpflichtungen hielten. Es komme nicht darauf an, ob sich die Tester oder andere Mietwagenunternehmer bzw Fahrer gesetzmäßig verhalten hätten können, sondern ob das System der Klägerin technisch die Möglichkeit biete, sich nicht gesetzeskonform zu verhalten, weil die Klägerin bereits bei einer solchen Möglichkeit einen Beitrag zu einem Gesetzesverstoß leiste. Die Auffassung der Klägerin, der Beklagten sei der Nachweis nicht gelungen, dass die Klägerin durch ihr Vermittlungssystem die vorsätzlichen Gesetzesverletzungen der Tester bewusst gefördert habe, weil die von ihr vertraglich und technisch vorgesehene Nutzung nicht zu einer Gesetzesverletzung führe, sei durch die Feststellungen hinsichtlich des Agierens der Fahrer widerlegt. Die Exekutionsführung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, weil es auf die vertragliche Ausgestaltung nicht ankomme, sondern darauf, dass auch das adaptierte System aus technischer Sicht einen Verstoß möglich mache.
[15] Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag in Richtung Stattgebung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[16] Die Beklagte beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[17] Die Revision ist zulässig und berechtigt.
[18] 1. Da die Bewilligung der Unterlassungsexekution und der weiteren hier relevanten Strafanträge auf der einstweiligen Verfügung des Handelsgerichts Wien basierte, kommt es nur auf deren Inhalt und nicht auf jenen der erst in der Folge ergangenen Entscheidung 4 Ob 162/18d an. Es muss daher nicht näher untersucht werden, ob die Modifikation des Spruchs der einstweiligen Verfügung durch den Obersten Gerichtshof zu einer inhaltlichen Änderung (Einschränkung) des Titels führte oder dessen Umfang nur klarstellte.
[19] 2. Rechtsmissbräuchliche Exekutionsführung ist nach der Rechtsprechung zwar (grundsätzlich) ein Oppositionsgrund (RS0114113). Im vorliegenden Fall behauptet die Klägerin aber (zu Recht) gar nicht, dass jegliche zwangsweise Durchsetzung des Unterlassungsgebots rechtsmissbräuchlich sei, sondern stützt sich insoweit ausschließlich auf die konkrete Gestaltung der „Testfahrten“, aufgrund derer die in diesem Verfahren bekämpften Geldstrafen über sie verhängt wurden. Da dieses Vorbringen also darauf abzielt, dass die Exekutionsführung (nur) wegen dieser Titelverstöße unzulässig sei, macht sie inhaltlich einen Impugnationsgrund geltend.
[20] 3. Von einer gegen die guten Sitten verstoßenden missbräuchlichen Rechtsausübung kann nur gesprochen werden, wenn demjenigen, der sein Recht ausübt, jedes andere Interesse abgesprochen werden muss als eben das Interesse, dem anderen Schaden zuzufügen. Besteht ein begründetes Interesse des Rechtsausübenden, einen seinem Recht entsprechenden Zustand herzustellen, wird die Rechtsausübung nicht schon dadurch zu einer missbräuchlichen, dass der sein Recht Ausübende unter anderem auch die Absicht verfolgte, mit der Rechtsausübung dem anderen Schaden zuzufügen (RS0026271).
[21] 4. Die Vorinstanzen verneinten die Rechtsmissbräuchlichkeit der Exekutionsführung mit der Begründung, dass die Beklagte auf diese Weise bloß zulässiger Weise getestet habe, ob das adaptierte System der Klägerin nach wie vor einen Verstoß gegen § 36 WrLBO zulasse. Das greift jedoch zu kurz:
[22] 4.1. Testkäufe von Mitbewerbern sind grundsätzlich zulässig. Die Testpersonen dürfen sich aber beim Kauf einer Ware nicht anders verhalten als Kunden in diesen oder ähnlichen Fällen. Sie dürfen daher beispielsweise fragen, ob ihnen ein (wenngleich gesetzwidriger) Rabatt gewährt werde, und dürfen hiebei auch heimlich vorgehen, also ohne Aufdeckung ihres Auftraggebers und ihrer Funktion als Testkäufer; sie dürfen aber nicht mit unerlaubten oder verwerflichen Mitteln – als „Lockspitzel“ – auf einen Verstoß des Mitbewerbers hinwirken (RS0077748). Eine sittenwidrige Verwendung von Lockspitzeln zur Überwachung von Mitbewerbern liegt somit vor, wenn die Lockspitzel als Anstifter auftreten; ein Lockspitzel ist hingegen nicht, wer nur auf die Probe stellt, ob ein Wettbewerbsverstoß vorliegt (RS0077754). Sittenwidrig ist etwa der Einsatz eines Testkäufers, der unter Vorlage einer gefälschten Urkunde bzw mit bewusst wahrheitswidrigen Behauptungen auf den Gesetzesverstoß des Mitbewerbers hinwirkt. Verhält sich aber der Testkäufer sittenwidrig, dann entzieht der darin liegende Rechtsmissbrauch dem der Klage zugrundeliegenden Vorwurf eines gesetzwidrigen Verhaltens die Grundlage (4 Ob 220/97z mwN = RS0077748 [T6]).
[23] 4.2. Nichts anderes kann im hier vorliegenden Fall gelten: Die von der Beklagten initiierten „Testfahrten“ dienten nämlich keineswegs – was zulässig gewesen wäre – der bloßen Aufdeckung von Titelverstößen der Klägerin, sondern wurden in bewusster Missachtung der von der Klägerin gegenüber ihren Vertragspartnern (den mit ihr kooperierenden Mietwagenunternehmern und deren Fahrern) aufgestellten Verhaltensrichtlinien mit der Absicht durchgeführt, Titelverstöße „der Klägerin“ zu generieren.
[24] 4.3. Im Hinblick darauf ist die Exekutionsführung der Beklagten jedoch als offensichtlich rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, sodass sich das Klagebegehren schon aus diesem Grund als berechtigt erweist.
[25] 5. Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Titel nur so verstanden werden kann, dass es der Klägerin verboten ist, ein Vermittlungssystem für Personenbeförderungsdienstleistungen anzubieten, bei dessen ordnungsgemäßer – also den Benützungsrichtlinien der Klägerin entsprechender – Inanspruchnahme gegen § 36 Abs 3 WrLBO verstoßen wird.
[26] 6. Die Urteile der Vorinstanzen sind daher im klagestattgebenden Sinn abzuändern.
[27] 7. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens auf §§ 41 iVm 54 Abs 1a ZPO und hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.
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