OGH 4Ob220/97z

OGH4Ob220/97z16.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** KG, ***** vertreten durch Dr.Karl J.Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing. Dr.J.***** N*****, Inhaber der Firma N***** Pharma Dipl.Ing.Dr.J.***** N***** pharmazeutische Produkte, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 15.Mai 1997, GZ 1 R 248/96i-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 15.Oktober 1996, GZ 38 Cg 83/96h-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

17.540 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 2.925 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt eine Apotheke in Wien.

Der Beklagte erzeugt und vertreibt die in Österreich nicht zugelassene Arzneispezialität "Ukrain", die zur Bekämpfung maligner Tumore entwickelt wurde. Nach Vorliegen eines Gutachtens des Arzneimittelbeirates wurde mit der klinischen Prüfung dieses Arzneimittels begonnen.

Am 3.7.1996 verpflichtete sich der Beklagte im Verfahren 38 Cg 99/95k des Erstgerichtes gegenüber der dortigen Klägerin N***** GmbH, die Abgabe von "Ukrain" an Letztverbraucher zu unterlassen. Einen weiteren Vergleich sinngleichen Inhalts schloß der Beklagte am 4.9.1996 im Verfahren 38 Cg 167/95k des Erstgerichts mit der dortigen Klägerin G***** GmbH.

Im Verfahren 38 Cg 99/95k des Handelsgerichtes Wien hatte die dortige Klägerin den Unterlassungsanspruch durch einen Testkauf ihres Vertreters Dr.Karl Grigkar bescheinigt.

Am 27.8.1996 folgte der Beklagte Manuela F*****, einer Angestellten des Klagevertreters, "Ukrain" aufgrund eines gemäß § 12 Z 2 AMG ausgestellten Rezeptes des Arztes Dr.R***** aus. Diesen Sachverhalt nahm die N***** GmbH zum Anlaß zu einer Exekutionsführung.

Seit der Zustellung einer einstweiligen Verfügung im Verfahren 38 Cg 99/95k des HG Wien hatte der Beklagte versucht, das Unterlassungsgebot einzuhalten und "Ukrain" nur mehr über Apotheken zu vertreiben. Die Apotheken lehnten es jedoch durchwegs ab, "Ukrain" zu führen. Patienten, die ein gemäß § 12 Z 2 AMG ausgestelltes Rezept vorlegten, wurde gesagt, daß man dieses Präparat nicht führe, es nicht beschaffen könne, daß dieses Präparat "nicht zugelassen" bzw "verboten" sei. Einzelne Apotheken erklärten, man befürchte eine Sperre falls man "Ukrain" führe. In mehreren Apotheken wurden Patienten darauf hingewiesen, daß sie "Ukrain" direkt beim Beklagten besorgen müßten. Apotheken, die das Mittel geführt hatten, wurden mit Hinweis auf ein Verbot angehalten, die weitere Abgabe einzustellen.

In der Apotheke der Klägerin verweigert man die Beschaffung und Abgabe von "Ukrain" mit der Begründung, daß dieses Mittel "nicht zugelassen sei und das Ministerium den Verkauf mit einem Erlaß verboten" habe.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Inverkehrbringung (§ 2 Abs 10 AMG) von "Ukrain", ein Produkt mit der Wirksubstanz Ukrain, eine Verbindung von Alkaloid aus Chelidonium majus L. (Schöllkraut) mit Thiophosporsäuretriaziridid in 5 ml wässriger Lösung, durch Abgabe in jeder Darreichungsform und Konzentration entgeltlich oder unentgeltlich an Letztverbraucher (Anwender) zu verbieten. Das Inverkehrbringen einer in Österreich nicht zugelassenen Arzneispezialität verstoße gegen die Bestimmungen des AMG. Mit diesem gesetzlich nicht gedeckten Vertrieb vestoße der Beklagte auch gegen § 1 UWG. Das BM für Gesundheit und Konsumentenschutz habe mit Erlaß vom 25.2.1994, Zl 21405/1117-II/A/8/93 in Ergänzung des Erlasses vom 25.7.1986, Zl II-5201383/1-9b/86, die Anwendung von "Ukrain" außerhalb einer klinischen Prüfung untersagt. Der Beklagte berufe sich unter Mißachtung dieser Erlässe zu Unrecht auf § 12 Z 2 AMG, weil jeder Vertrieb der Arzneimittelspezialität untersagt sei. Selbst wenn man aber eine Abgabeberechtigung gemäß § 12 Z 2 AMG unterstelle, verstoße der Beklagte durch die Abgabe direkt an Letztverbraucher gegen den Apothekenvorbehalt (§ 57 AMG). Obwohl sich der Beklagte im gerichtlichten Vergleich verpflichtet habe, diese Abgabe des von ihm vertriebenen Arzneimittels an Letztverbraucher zu unterlassen, habe er durch die Abgabe der Arzneispezialität an Manuela Fruhmann neuerlich gegen den Apothekenvorbehalt verstoßen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Es bestehe der Verdacht, daß sich die Angestellte des Klagevertreters fälschlich als Krebspatientin ausgegeben und sowohl den das Rezept ausstellenden Arzt als auch den Beklagten getäuscht und durch unrichtige Angaben zu den jeweiligen Handlungen veranlaßt habe. Diese Ausfolgung des Präparats sei Grundlage einer Exekutionsführung und der vorliegenden Klage. Klage und Sicherungsantrag verfolgten nur den Zweck, den Beklagten unter Kostendruck zu setzen. Für diese Rechtsverfolgung mangle es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin und andere Apotheker, die gegen den Beklagten bereits inhaltsgleiche Unterlassungstitel erwirkt hätten, seien durch die Person des Klagevertreters miteinander verbunden.

Der Beklagte habe sich bemüht, die gerichtlichen Vergleiche mit anderen Apotheken einzuhalten. Das habe sich jedoch als unmöglich erwiesen. Die Wiener Apotheken lehnten es durchwegs ab, "Ukrain" zu führen. Auch bei Vorlage eines § 12 Z 2 AMG entsprechenden Rezepts hätten Krebspatienten keine Möglichkeit, "Ukrain" in Wiener Apotheken zu erhalten. Den Patienten werde mitgeteilt, daß man dieses Präparat nicht führe, daß man es nicht beschaffen könne, daß es nicht zugelassen bzw verboten sei. In Einzelfällen werde sogar mitgeteilt, daß man mit einer Sperre bedroht sei, wenn man "Ukrain" führe. In mehreren Apotheken seien Patienten darauf hingewiesen worden, daß man "Ukrain" direkt beim Beklagten beziehen müsse. Die wenigen Apotheken, die das Präparat bisher geführt hätten, seien mit dem Hinweis auf ein "Verbot" zur Einstellung der weiteren Abgabe geradezu gezwungen worden. Auch die Klägerin verweigere die Beschaffung und Abgabe von "Ukrain". Unter diesen Umständen sei es sittenwidrig, wenn die Klägerin dem Beklagten vorwerfe, "Ukrain" nicht über Apotheken zu verkaufen.

Der inhaltlich längst überholte Erlaß vom 25.7.1986 werde immer wieder veröffentlicht. Der Erlaß vom 25.2.1994, wonach die Anwendung von "Ukrain" "außerhalb einer klinischen Prüfung "weiterhin untersagt" bleibe, setze sich über § 12 Z 2 AMG hinweg. Diese Erlässe seien in mehreren Verfahren beim Verfassungsgerichtshof angefochten worden. Mit Beschluß vom 19.6.1996 habe der Verfassungsgerichtshof die Anträge zwar zurückgewiesen, darin aber ausgeführt, daß die Erlässe, seien sie nicht gehörig kundgemacht worden, keinerlei Rechtswirksamkeit entfalteten.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Z 2 AMG dürfe ein in Österreich nicht zugelassenes Arzneimittel im Kleinverkauf nur in Apotheken abgegeben werden. Der Kläger, der die Abgabe von "Ukrain" auch unter den in § 12 AMG geregelten Voraussetzungen ablehne und Testkäufer zum Beklagte entsende, handle sittenwidrig. Einem daraus resultierenden Anspruch müsse der Rechtsschutz verwehrt bleiben.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichts und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Grundsätzlich rechtfertigten unlautere Wettbewerbshandlungen eine Unterlassungsklage auch dann, wenn sie gegenüber Abgesandten des Klägers (agents provocateurs) vorgenommen würden. Eine sittenwidrige Verwendung von Lockspitzeln zur Überwachung von Mitbewerbern liege nur vor, wenn die Lockspitzel als Anstifter aufträten. Um diese Grenze nicht zu überschreiten, müsse ein Überwachungsorgan, das eine solche Kontrolle hinter dem Anschein eines Kaufinteressenten verberge, wahrheitswidrige Äußerungen auf das beschränken, was zur Verheimlichung seiner Funktion unerläßlich sei. Außerdem dürften sich Testkäufer beim Kauf der Ware nicht anders verhalten als Käufer in diesen oder ähnlichen Fällen. Die Klägerin habe mit ihrer Testkäuferin zu einer wettbewerbswidrigen Handlung provoziert, weil die Testkäuferin dem Beklagten ein "§ 12 AMG-Rezept" vorgelegt habe, um den Beklagten zum verbotswidrigen Verkauf des Arzneimittels anzustiften. Damit habe sich die Testkäuferin auch durchaus anders verhalten, als "gewöhnliche" Käufer, denen wohl nicht generell unterstellt werden könne, daß sie jeweils den Versuch unternähmen, sich apothekenpflichtige Arzneimittel mit Rezepten, die allenfalls durch Täuschung eines Arztes erlangt worden seien, außerhalb einer Apotheke zu beschaffen. Ob sich die Testkäuferin bei dem das Rezept ausstellenden Arzt aber tatsächlich (fälschlich) als Krebspatientin ausgegeben habe, müsse nicht näher geklärt werden. Im vorliegenden Fall sei nämlich die Sittenwidrigkeit nicht (nur) in einem Verhalten des Testkäufers zu erblicken, sondern in einem Verhalten der Klägerin selbst. Diese habe nämlich einerseits die Abgabe von "Ukrain" auch unter den in § 12 AMG geregelten Voraussetzungen verweigert, andererseits aber eine Mitarbeiterin ihres Rechtsfreundes als Testkäuferin zum Beklagten entsandt. Die darauf basierende Rechtsansicht des Erstgerichts, daß im Verhalten der Klägerin eine sittenwidrige Vorgangsweise zu erblicken sei, habe die Klägerin mit ihren Rekursausführungen zum Bestehen eines Rechtsschutzinteresses nicht in Frage stellen können. Die Klägerin, die mit verwerflichen Mitteln selbst die Grundlage für die unlautere Wettbewerbshandlung des Beklagten geschaffen habe, könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sie keinem Kontrahierungszwang unterliege. Das Verhalten der Klägerin sei dem gegen die guten Sitten verstoßenden Einsatz eines Lockspitzels, der den Mitbewerber "hineinlegen" wolle und die Grenze unzulässiger Anstiftung bereits überschritten habe, gleichzuhalten. Dem in der Klage erhobenen Vorwurf eines sittenwidrigen Verhaltens des Beklagten fehle somit die Grundlage.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Klägerin erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, war das Einsetzen der

Testperson im vorliegenden Fall sittenwidrig. Es kann zwar einem

Unternehmer grundsätzlich nicht verwehrt werden, sich durch das

Absenden geeigneter Testpersonen davon zu überzeugen, ob sich ein

Konkurrent an seine gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen

hält. Kontrollorgane dieser Art, welche nicht anstiften, sondern nur

auf die Probe stellen wollen, sind keine Lockspitzel. Der Einsatz

solcher Testkäufer ist zulässig und kann nicht zur Rechtfertigung

eines vertrags- oder gesetzwidrigen Verhaltens des Kontrollierten

herangezogen werden. Daß die Testkäufer heimlich vorgehen, macht ihr

Verhalten nicht unzulässig, weil beim Entdecken ihrer Funktion eine

Kontrolle von vornherein wirkungslos wäre. Testkäufer dieser Art

dürfen sich aber beim Kauf einer Ware nicht anders verhalten als

"gewöhnliche" (und damit auch redlich vorgehende) Kunden in

vergleichbaren Fällen. Mit unerlaubten und verwerflichen Mitteln,

insbesondere bewußt wahrheitswidrigen Behauptungen, darf nicht auf

einen Verstoß des Mitbewerbers hingewirkt werden (SZ 56/57 = ÖBl

1983, 104 [Wiltschek] - Rasierapparat-Testkauf; SZ 58/200 = ÖBl 1986,

9 - Wecker-Rabatt; SZ 63/8 ua). Ein sittenwidriges Einsetzen eines

Testkäufers ist insbesondere dann anzunehmen, wenn er unter Vorlage einer gefälschten Urkunde oder mit bewußt wahrheitswidrigen Behauptungen auf den Gesetzesverstoß des Mitbewerbers hinwirkt (SZ 56/57 = ÖBl 1983, 104 [Wiltschek] - Rasierapparat-Testkauf; ÖBl 1983, 129 - Skibindungs-Testkäufe; ÖBl 1989, 115 - Toyota-Testkauf).

Das Rekursgericht hat richtig erkannt, daß sich eine Testperson dann unlauter verhält, wenn sie mit unrichtigen Behauptungen über eine Erkrankung das Ausstellen eines ärztlichen Rezepts veranlaßt und damit den Konkurrenten zur Ausfolgung eines Arzneimittels anstiftet. Regelmäßig hat zwar der Beklagte im Prozeß zu behaupten und zu beweisen, daß sich die Testperson, die ihn zum Rechtsbruch verleitet hat, unlauterer Mittel bedient hat, weil jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigeren Normen zu beweisen hat (Fasching, LB2 Rz 882). Spricht aber - wie hier - schon wegen des Einsatzes einer Kanzleikraft des Klagevertreters als "Krebspatientin" die Vermutung dafür, daß die Voraussetzungen für eine medizinisch indizierte Erstellung des Rezepts und für den Erwerb des Arzneimittels nicht gegeben waren, dann hat der Kläger zu beweisen, daß diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall doch vorgelegen sind. Das hätte die Klägerin für das Provisorialverfahren, in dem sie nicht mit einer weiteren Anhörung nach Erstellung der Äußerung durch den Beklagten rechnen konnte, schon in der Klage zu behaupten und sodann zu bescheinigen gehabt.

Ist aber von einem mit Hilfe unrichtiger Angaben über eine Krebserkrankung herausgelockten Rezept auszugehen, dann hat die Testperson den Beklagten auch unter Zuhilfenahme einer Falschurkunde zum Gesetzesverstoß verleitet. Verhält sich ein Testkäufer sittenwidrig, dann entzieht der darin liegende Rechtsmißbrauch dem der Klage zugrundeliegenden Vorwurf eines gesetzwidrigen Verhaltens

die Grundlage (SZ 56/57 = ÖB 1983, 104 [Wiltschek] -

Rasierapparat-Testkauf; SZ 58/200 = ÖBl 1986, 9 - Wecker-Rabatt; SZ

63/8). Die Einhaltung dieser Lauterkeitskriterien ist auch beim Beschaffen von Arzneimitteln durch eine Testperson geboten. Mit Hilfe einer unrichtigen Bescheinigung gemäß § 12 Z 2 AMG wird nämlich der zur Abgabe an Letztverbraucher nicht berechtigte Produzent oder Großhändler über die dringende Notwendigkeit des Arzneimittels zur Abwendung einer (nicht vorhandenen) Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung, deren Abwehr das Arzneimittel dienen soll, getäuscht und solcherart zum nichtautorisierten Abgeben des Arzneimittels an Letztverbraucher verleitet.

Ob auch das Verhalten der Klägerin selbst zum Verlust des Klagerechts geführt hat, muß daher nicht geprüft werden.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung gründet sich auf §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte