European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00032.20D.0915.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die C***** gemeinnützige Privatstiftung (künftig: Antragstellerin) ist zu FN ***** im Firmenbuch eingetragen. Ihr Stiftungszweck ist nach der Stiftungsurkunde die Förderung von Wissenschaft und Forschung; sie soll ihre Aufgabe „insbesondere, aber nicht ausschließlich, mit Hilfe einer in Wien als Tochtergesellschaft zu errichtenden Privatuniversität“ erfüllen. Die Antragstellerin ist 100%ige Gesellschafterin der zu FN ***** im Firmenbuch eingetragenen C***** GmbH mit dem Geschäftszweig Betrieb einer Privatuniversität.
Die Vorinstanzen wiesen den auf Eintragung eines Prokuristen gerichteten Antrag der Privatstiftung mit der wesentlichen Begründung ab, die Einräumung von Prokura setze nach § 48 UGB die Unternehmereigenschaft voraus; diese komme der Antragstellerin nicht zu. Privatstiftungen seien nicht Unternehmer kraft Rechtsform, es bedürfe daher des Betriebs eines Unternehmens gemäß § 1 Abs 1 UGB. Diese Voraussetzung sei bei der Antragstellerin nicht erfüllt, weil die Gründung einer Tochter-GmbH, die unternehmerisch tätig sein solle, sowie die Einräumung von Vollmachten nicht zur Begründung der Unternehmereigenschaft ausreichten.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1.1. Die Antragstellerin zieht nicht in Zweifel, dass Privatstiftungen keine Unternehmer kraft Rechtsform gemäß § 2 UGB sind ( Arnold , PSG³ Einleitung Rz 13a; Artmann/Herda in Jabornegg/Artmann , UGB² § 2 Rz 10 f; Krejci/Haberer in Zib/Dellinger , UGB § 2 Rz 15 f). Die Unternehmereigenschaft einer Privatstiftung hängt daher davon ab, ob sie gemäß § 1 Abs 1 UGB ein Unternehmen betreibt ( Straube/Ratka/Jost in Straube/Ratka/Rauter , UGB 4 § 1 Rz 20; Strasser/Jabornegg in Jabornegg/Artmann , UGB² § 48 Rz 10; Krejci/Haberer in Zib/Dellinger , UGB § 2 Rz 16 aE; vgl Arnold , PSG³ Einleitung Rz 13a f). Dies steht der Privatstiftung zulässigerweise im Rahmen einer nebengewerblichen Tätigkeit (vgl § 1 Abs 2 Z 1 PSG) offen ( Schinko in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 48 Rz 13; zum Meinungsstand hinsichtlich der Relevanz der Einhaltung des § 1 Abs 2 Z 1 PSG für die Unternehmereigenschaft siehe nur Straube/Ratka/Jost in Straube/Ratka/Rauter , UGB 4 § 1 Rz 81).
1.2. Ein Unternehmen betreibt derjenige, in dessen Namen unternehmensbezogene Geschäfte abgeschlossen werden ( Straube/Ratka/Jost in Straube/Ratka/Rauter , UGB 4 § 1 Rz 22; Dehn in Krejci , RK § 1 UGB Rz 7).
Gesellschafter einer rechtsfähigen Gesellschaft betreiben das Unternehmen der Gesellschaft nicht, da die unternehmensbezogenen Geschäfte nicht in ihrem Namen abgeschlossen werden (6 Ob 126/18z Pkt 2.2 = RS0065238 [T18]; Straube/Ratka/Jost in Straube/Ratka/Rauter , UGB 4 § 1 Rz 29; Dehn in Krejci , RK § 1 UGB Rz 14).
2.1. Die Revisionsrekurswerberin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, das Rekursgericht habe verkannt, dass sie bereits aufgrund von Vorbereitungsgeschäften Unternehmerin gemäß § 1 Abs 1 UGB sei. Diese bestünden in der Gründung einer Tochtergesellschaft, deren Anmeldung zum Firmenbuch, der Erteilung der damit zusammenhängenden Beauftragungen an den beurkundenden Notar und in der Beauftragung der Verfahrensvertreter mit der Erteilung von Prokura und anderen Vollmachten für den Geschäftsbetrieb.
2.2. Es trifft zu, dass die Unternehmereigenschaft mit Aufnahme des Geschäftsbetriebs beginnt, womit nicht nur der routinemäßige laufende Betrieb, sondern auch sein Aufbau gemeint ist (6 Ob 203/11p Pkt 2.2.5.2 = RS0127683). Allerdings begründet nicht jede Vorbereitungshandlung die Unternehmereigenschaft, sondern nur eine solche, die auf die Aufnahme des Betriebs eines Unternehmens im Sinn des § 1 Abs 2 UGB gerichtet ist.
2.3. § 1 Abs 2 UGB definiert das Unternehmen als jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn ausgerichtet sein.
Eine wirtschaftliche Tätigkeit – als zentrales Tatbestandselement des Unternehmens ( Straube/Ratka/Jost in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 1 Rz 58 mwN) – liegt vor, wenn wirtschaftlich werthafte Leistungen nach außen auf einem Markt gegen Entgelt angeboten werden ( Artmann/Herda in Jabornegg/Artmann , UGB 1² § 1 Rz 26; Suesserott/U. Torggler in U. Torggler , UGB³ § 1 Rz 15 f; 10 ObS 55/18p). Eine reine Holding- oder Besitzgesellschaft ist in der Regel nicht unternehmerisch tätig ( Artmann/Herda in Jabornegg/Artmann , UGB² § 1 Rz 27; Suesserott/U. Torggler in U. Torggler , UGB³ § 1 Rz 18; vgl Arnold , PSG³ Einl Rz 13b).
2.4. Die Vorinstanzen erblickten im vorliegenden Fall weder in der Tätigkeit der Tochtergesellschaft noch in deren Gründung durch die Privatstiftung noch in den im Zusammenhang damit erfolgten Vollmachtserteilungen eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit der Rechtsmittelwerberin selbst.
2.5. Diese Beurteilung weicht von der im Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 6 Ob 203/11p nicht ab, weil in jener Entscheidung die Unternehmereigenschaft einer GmbH & Co KG beurteilt wurde, die Vorbereitungshandlungen für den Betrieb einer eigenen, als unternehmerisch qualifizierten Tätigkeit getroffen hatte. Hingegen ergibt sich im vorliegenden Fall auch aus dem Revisionsrekursvorbringen nicht, dass die Rechtsmittelwerberin im eigenen Namen (vgl Straube/Ratka/Jost in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 1 Rz 22; Dehn in Krejci , RK § 1 UGB Rz 7) Leistungen auf dem Markt anbieten würde oder in der Zukunft anzubieten gedenke. Vielmehr soll die Privatuniversität von der Tochtergesellschaft betrieben werden.
2.6. Die Entscheidung des Rekursgerichts steht daher auch im Einklang mit der Rechtsprechung, nach der die Gesellschafter einer rechtsfähigen Gesellschaft das Unternehmen der Gesellschaft nicht betreiben (6 Ob 126/18z mwN).
2.7. Da die von der Rechtsmittelwerberin getätigten Geschäfte nicht auf den Betrieb eines Unternehmens im Sinn des § 1 Abs 2 UGB gerichtet sind, ist die als erhebliche Rechtsfrage relevierte Bedeutung des § 343 Abs 3 UGB für den zeitlichen Beginn der Unternehmereigenschaft für die Lösung des vorliegenden Rechtsstreits nicht relevant. In diesem Zusammenhang wird daher keine erhebliche Rechtsfrage dargetan.
3.1. Die Entscheidung des Rekursgerichts steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung zur Unternehmereigenschaft von Gesellschaftern im Zusammenhang mit dem KSchG, auf die im Revisionsrekurs verwiesen wird.
3.2. Die Rechtsprechung hat in Fällen, in denen ein Unternehmen von einer Gesellschaft betrieben wird, die Gesellschafter im Verhältnis zu Dritten vielfach vom Anwendungsbereich verbraucherschützender Bestimmungen ausgenommen und sie als Unternehmer iSv § 1 Abs 1 Z 1 KSchG qualifiziert. Dies beruht auf der Erwägung, dass die Anwendung von Verbraucherschutzbestimmungen nicht gerechtfertigt ist, wenn der betroffene Vertragspartner angesichts der Interessenidentität zwischen Gesellschafter und Gesellschaft in Wahrheit selbst unternehmerisch tätig wird (6 Ob 126/18z Pkt 3 mwN; 8 Ob 86/16d; RS0065238 [T1, T11, T16]; vgl RS0116313). Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass in einer solchen „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ der Sache nach eine teleologische Reduktion der jeweils konkret fraglichen Schutzvorschrift des KSchG liegt (ausführlich 6 Ob 126/18z Pkt 3; 6 Ob 43/13m Pkt 8.1).
3.3. Eine derartige teleologische Reduktion vermag aber die Unternehmereigenschaft des Gesellschafters im Sinn des § 1 UGB nicht zu begründen ( Dehn in Krejci , RK UGB § 1 Rz 14; Artmann/Herda in Jabornegg/Artmann , UGB² § 1 Rz 16).
Teleologische Erwägungen, aufgrund derer im vorliegenden Fall der nicht unternehmerisch tätigen Privatstiftung die Erteilung von Prokura offen stehen sollte, sohin einer Vollmacht, die nach ihrem gesetzlichen Umfang (§ 49 UGB) zu jenen Geschäften und Rechtshandlungen ermächtigt, die der Betrieb eines Unternehmens mit sich bringt, werden im Rechtsmittel ebenfalls nicht aufgezeigt.
4.1. Das Rekursgericht lehnte schließlich die Ableitung der Unternehmereigenschaft der Privatstiftung aufgrund der Bestimmungen der §§ 34, 40 BAO aus der Tätigkeit ihrer Tochtergesellschaft ab. Es ließ jedoch die Revision wegen des Fehlens von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Unternehmereigenschaft gemeinnütziger Privatstiftungen zu, die sich zur Erfüllung ihres gemeinnützigen Zwecks einer Tochtergesellschaft bedienten.
4.2. Das aus § 40 BAO abgeleitete Unmittelbarkeitsprinzip besagt, dass eine Körperschaft, die bei Betätigung für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke gemäß § 34 BAO in den Genuss der in einzelnen Abgabenvorschriften gewährten Begünstigungen gelangen will, den entsprechenden gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck selbst erfüllen muss. Dies kann gemäß § 40 Abs 1 BAO auch durch einen Dritten geschehen, wenn dessen Wirken wie eigenes Wirken der Körperschaft anzusehen ist, weil der Dritte als selbst gemeinnütziger Rechtsträger der Oberkörperschaft organisatorisch vollkommen untertan ist ( Tanzer/Unger , BAO 2018/19, 73).
4.3. Die Abgabenbegünstigungen verfolgen den rechtspolitischen Zweck, die Tätigkeit jener Rechtsträger, die die genannten Zwecke verfolgen, nicht durch eine volle Besteuerung zu hemmen und die für die begünstigten Zwecke angesammelten Mittel zu schmälern ( Quantschnigg , Richtlinien für die Vereinsbesteuerung, ÖStZ 1982, 189).
4.4. Die Revisionsrekurswerberin tritt der Beurteilung des Rekursgerichts, wonach die abgabenrechtliche Einordnung (hier: die Beurteilung, ob das Wirken der Tochtergesellschaft gemäß § 40 BAO wie eigenes Wirken der Antragstellerin anzusehen sei) für die unternehmensrechtliche Qualifikation wegen der andersartigen Regelungszwecke der Gesetze (vgl RS0109569) nicht von Relevanz sein müsse, im Grundsatz nicht entgegen.
Im Rechtsmittel wird auch nicht dargetan, dass im konkreten Fall die dargestellten abgabenrechtlichen Zwecke für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft der Antragstellerin im Zusammenhang mit der von ihrer Tochtergesellschaft betriebenen oder zu betreibenden Privatuniversität maßgeblich sein könnten; der Revisionsrekurs wiederholt vielmehr im Wesentlichen das bereits in erster Instanz erstattete Vorbringen.
4.5. Dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet noch nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt (RS0102181 [T1]). Dies trifft auch im vorliegenden Fall zu, da keine Gründe ersichtlich sind, aufgrund derer die Unternehmereigenschaft einer (gemeinnützigen) Privatstiftung nach § 1 UGB abweichend von derjenigen anderer Rechtsträger beurteilt werden sollte.
5. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
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