OGH 4Ob102/20h

OGH4Ob102/20h11.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Schanda und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Auskunft, Feststellung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 72.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen Pkt I.2. des Beschlusses des Oberlandesgerichts Wien vom 28. April 2020, GZ 1 R 76/19g‑9, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 23. April 2019, GZ 68 Cg 16/19p‑4, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00102.20H.0811.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Sicherungsbegehren zu Pkt I.2. der einstweiligen Verfügung des Rekursgerichts abgewiesen und insoweit die Entscheidung des Erstgerichts (Pkt I.5. im Beschluss des Erstgerichts) wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Sicherungsverfahrens im Ausmaß von 28 % vorläufig und im Ausmaß von 72 % endgültig selbst zu tragen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.480,15 EUR (darin enthalten 413,36 EUR USt) bestimmten Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Sicherungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 2.677,32 EUR (darin enthalten 326,97 EUR USt und 715,50 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist eine Energielieferantin, die Privat- und Geschäftskunden Stromprodukte anbietet. Nach ihren Geschäftsbedingungen ist für den Abschluss ihrer Online-Tarife vorausgesetzt, dass der Kunde den Vertrag persönlich und nicht durch einen Stellvertreter abschließt. Der Kunde muss daher während des Bestellvorgangs durch Anklicken eines Kästchens bestätigen, dass er seine eigenen Daten eingegeben hat und nicht als Stellvertreter handelt. Zudem muss eine gültige E‑Mail‑Adresse verwendet und als Zahlungsart ein SEPA‑Lastschriftmandat erteilt werden.

Die Beklagte bietet auf ihren Webseiten ein automatisches Energieanbieter-Wechselservice für Privatpersonen an. Dadurch sollen die Kunden die Möglichkeit haben, jährlich zum Anbieter mit dem günstigsten Stromangebot zu wechseln. Zu diesem Zweck muss der Kunde der Beklagten eine Vollmacht erteilen. Die Informationen, die der Energieanbieter seinen Kunden übermittelt, werden von der Beklagten an die E‑Mail‑Adresse des Kunden weitergeleitet. Bei Abschluss eines Online-Vertrags mit der Klägerin wird das Kästchen mit der Erklärung, die persönlichen Daten selbst eingegeben zu haben, von einem Mitarbeiter der Beklagten wahrheitswidrig angeklickt.

Soweit für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung, beantragte die Klägerin – zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens – der Beklagten im geschäftlichen Verkehr zu verbieten (5.) für Dritte Online‑Tarife bei der Klägerin abzuschließen, wenn diese nach den Tarifbedingungen nicht für den Abschluss durch Stellvertreter offenstehen, sowie der Klägerin gegenüber unrichtige Angaben in Bezug auf ihre Eigenschaft als Vertreter zu machen. Nach ihren Geschäftsbedingungen müsse der Kunde bei einem Online-Vertragsabschluss die Identitätsangaben persönlich vornehmen. Dies diene der Identifizierung des Kunden. Mit der Prüfung einer Vollmacht im Fall einer Stellvertretung wäre ein unverhältnismäßiger Mehraufwand verbunden. Außerdem könne bei einem Vollmachtsmangel eine SEPA-Lastschrift 13 Monate lang zurückgefordert werden. Die Klägerin könne den Vertragsabschluss frei gestalten, zumal sie keinem Kontrahierungszwang unterliege. Die Beklagte, die entgeltlich handle, fördere fremden Wettbewerb und verstoße gegen den lauterkeitsrechtlichen Wahrheitsgrundsatz. Das Mittel der Täuschung sei mit dem Lauterkeitsrecht unvereinbar.

Die Beklagte entgegnete, dass die Klägerin versuche, das von ihr angebotene Geschäftsmodell zu unterbinden. Die Bestimmungen des ElWOG erforderten kein persönliches Handeln des Kunden. Das von der Klägerin normierte Erfordernis des Eigenabschlusses weiche vom dispositiven Recht ab und sei für den Abschluss eines Energieliefervertrags sachlich nicht gerechtfertigt. Der Ausschluss der Stellvertretung sei daher sittenwidrig und gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag (zur Gänze) ab. Das Erfordernis der Erklärung, dass der Vertrag ausschließlich im eigenen Namen abgeschlossen werde, sei iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend. Auch nach dem ElWOG sei ein Handeln durch Stellvertreter nicht ausgeschlossen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin teilweise Folge und dem Sicherungsantrag zum hier gegenständlichen fünften Unterlassungsbegehren (sowie auch zum ersten Unterlassungsbegehren) statt. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr sei zu bejahen, weil dafür genüge, dass der Störer, der selbst nicht Mitbewerber sei, einen fremden Wettbewerber fördere. Das bewusst wahrheitswidrige Anklicken des Kästchens betreffend die Erklärung, eigene Daten eingegeben zu haben und nicht als Stellvertreter zu handeln, widerspreche dem lauterkeitsrechtlichen Wahrheitsgrundsatz. Die in Rede stehende Geschäftspraktik der Beklagten sei auch geeignet, die Klägerin zu Vertragsabschlüssen zu veranlassen, die sie ohne die Täuschung über einen Eigenabschluss nicht gemacht hätte. Hinsichtlich der vom Erstgericht bejahten Nichtigkeit der Vertragsklausel zum Ausschluss der Stellvertretung liege nur eine relative Nichtigkeit vor, die zwar vom betroffenen Kunden, nicht aber auch von der Beklagten geltend gemacht werden könne. Außerdem habe die Klägerin ein legitimes Interesse daran, den im Online‑Geschäftsverkehr schwierigen Nachweis der Vollmacht nicht erbringen zu müssen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob sich der beklagte Unternehmer auf eine allfällige Nichtigkeit eines in den Vertragsbedingungen des Klägers enthaltenen Ausschlusses einer Stellvertretung berufen könne, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten, der auf eine Abweisung auch des fünften Sicherungsbegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichts einer Korrektur bedarf. Der Revisionsrekurs ist daher auch berechtigt.

1. Der Revisionsrekurs betrifft nur das fünfte Unterlassungsbegehren und damit den Ausschluss der gewillkürten Stellvertretung beim Abschluss eines Online-Vertrags mit der Klägerin.

Die Beklagte bestreitet zunächst, im geschäftlichen Verkehr zu handeln. Sie sei nur Vermittlerin, weshalb es an der notwendigen Substituierbarkeit der angebotenen Produkte als Voraussetzung für die Mitbewerbereigenschaft fehle.

1.1 Zum geschäftlichen Verkehr gehört nach ständiger Rechtsprechung jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit; Gewinnabsicht ist nicht erforderlich (RIS‑Justiz RS0077522; RS077485). Dabei handelt es sich allgemein um ein privatrechtliches Handeln mit unternehmerischem Charakter (vgl RS0131475). Diese Voraussetzung ist hier unstrittig gegeben, zumal die Beklagte für ihre Vermittlungstätigkeit ein Entgelt erhält.

Das Erfordernis der Mitbewerbereigenschaft nach § 14 UWG ist weit auszulegen. Dafür ist es ausreichend, dass sich der Kundenkreis auch nur zum Teil oder nur vorübergehend überschneidet. Bei der Förderung fremden Wettbewerbs kommt es darauf an, dass ein objektives Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Kläger und dem vom Beklagten geförderten Mitbewerber besteht (vgl RS0079569; 4 Ob 40/11b).

1.2 Da die Beklagte als Vertreterin für ihre Kunden den Wechsel von einem Stromanbieter zum anderen vornimmt, fördert sie auch den Wettbewerb der Konkurrenten der Klägerin. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr und das Bestehen eines objektiven Wettbewerbsverhältnisses sind daher zu bejahen.

2. Weiters bestreitet die Beklagte, lauterkeitswidrig zu handeln, weil die von der Klägerin verlangte Erklärung über den Eigenabschluss des Online‑Vertrags nichtig und damit unwirksam sei.

2.1 Die Klägerin wirft dem Beklagten eine Täuschung im B2B‑Bereich vor und qualifiziert dies als Verstoß gegen den lauterkeitsrechtlichen Wahrheitsgrundsatz. Auf welchen konkreten lauterkeitsrechtlichen Tatbestand sie sich bezieht, sagt die Klägerin nicht.

Die Beklagte gibt (durch Anklicken des entsprechenden Kästchens auf den Webseiten der Klägerin) die wahrheitswidrige Erklärung ab, nicht als Stellvertreterin des Kunden zu handeln und täuscht die Klägerin daher über das Vorliegen eines Eigenabschlusses.

Demnach wirft die Klägerin der Beklagten das Erschleichen einer Leistung durch Täuschung vor, was an einen Schleichbezug erinnert (vgl dazu etwa 4 Ob 84/15d). Einen vergleichbaren Sachverhalt hatte der deutsche BGH in der Entscheidung zu I ZR 224/12 (GRUR 2014, 785) zu beurteilen. Dort ging es um die Vermittlung von Flugbuchungen durch das beklagte Internetvergleichsportal, wobei die dortige Klägerin diese Praktik in den AGB auf ihrer Website, die die dortige Beklagte durch Anklicken akzeptierte, ausdrücklich untersagt hatte. Der BGH gelangte in dieser Entscheidung zum Ergebnis, dass kein Schleichbezug (durch Täuschung) vorliege, wenn das System an sich nicht schützenswert sei, weil die AGB der Klägerin nichtig seien.

2.2 Diese Überlegungen sind auf den Anlassfall übertragbar. Es gilt daher folgender Grundsatz: Ist die zugrunde liegende vertragliche Regelung, auf deren Verstoß durch die beklagte Partei sich die klagende Partei im Lauterkeitsprozess beruft (hier Ausschluss der Stellvertretung), zufolge Sittenwidrigkeit oder gröblicher Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB nichtig und damit unwirksam, so begründet der inkriminierte Verstoß keine lauterkeitsrechtlich relevante Täuschung.

3.1 Damit ist auch die Frage beantwortet, ob sich die Beklagte auf die Nichtigkeit der zugrunde liegenden Vertragsklausel berufen kann oder dies wegen bloß relativer Nichtigkeit ausgeschlossen ist.

Da sich die geltend gemachte Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten nur daraus ergeben kann, dass sie gegen die in Rede stehende vertragliche Vorgabe der Klägerin verstoßen hat und die Nichtigkeit dieser Klausel daher dem Täuschungsvorwurf die Grundlage entzieht, muss sich die Beklagte im Lauterkeitsprozess darauf auch berufen können. Dabei handelt es sich um die lauterkeitsrechtliche Beurteilung zur Bestreitung eines angelasteten Vertragsbruchs, die nicht gleichbedeutend mit der rein vertraglichen Beurteilung der absoluten oder relativen Nichtigkeit einer sittenwidrigen Vertragsbestimmung ist. Dieses Ergebnis wird durch die weitere Überlegung bestätigt, dass der Beitrag (hier: der Beklagten) zu einem fremden Vertragsbruch (hier: wahrheitswidrige Erklärung im Namen des Kunden) nach der Rechtsprechung dann nicht unlauter ist, wenn sich der Vertrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als ungültig erweist (RS0079336).

3.2 Entgegen der Ansicht der Klägerin kann sich die Beklagte im Lauterkeitsprozess somit auf eine allfällige Nichtigkeit der in Rede stehenden Vertragsklausel über den Ausschluss der Stellvertretung beim Online-Vertragsabschluss berufen.

4. Zur Nichtigkeit der Vertragsklausel steht die Beklagte zunächst auf dem Standpunkt, dass die Vertragsklausel von vornherein (per se) nichtig sei, weil sie einen Verstoß gegen die Vertragsfreiheit des Kunden bewirke. Die gewillkürte Stellvertretung leite sich nämlich vom Willen des Geschäftsherrn (Kunden) und nicht von jenem des Vertragspartners ab.

4.1 Der Hinweis, dass sich die gewillkürte Stellvertretung vom Willen des Vertretenen ableitet, ist zutreffend, trifft aber nicht den Kern des Problems, also die Frage, ob die zu beurteilende Vertragsbestimmung schon nach § 879 Abs 1 ABGB sittenwidrig und daher nichtig ist.

Die Privatautonomie und die daraus erfließende prinzipielle Vertragsfreiheit gilt nicht nur für den Kunden, sondern ebenso für die Klägerin als Energielieferantin. Ihr steht daher grundsätzlich die Entscheidungsfreiheit darüber zu, ob und mit wem sie einen Vertrag abschließt (RS0013940). Dieser Grundsatz kann nur in besonderen Ausnahmefällen, wie etwa bei Bestehen eines Kontrahierungszwangs aufgrund einer Monopolstellung, durchbrochen werden (vgl RS0113652; RS0016762).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Klägerin steht es daher frei, in ihren AGB etwa ein Schriftformerfordernis vorzusehen oder festzulegen, mit den potentiellen Kunden nur persönlich kommunizieren und kontrahieren zu wollen. Dies bedeutet, dass nach dispositivem Recht die gewillkürte Stellvertretung grundsätzlich immer dann zulässig ist, wenn das Gesetz nicht höchstpersönliches Handeln vorschreibt (vgl Perner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 1006 Rz 2). Dies hindert die Geschäftspartner aber freilich nicht daran, die Stellvertretung durch eine Vereinbarung auszuschließen (Schubert in MüKomm, BGB8 § 164 Rz 101; Dörner in Schulze, BGB10 § 164 Rz 3; Schäfer in Bamberger/Roth 4 § 164 Rz 4).

4.2 Die von der Beklagten argumentierte per‑se‑Nichtigkeit der in Rede stehenden Vertragsklausel ist damit zu verneinen. Dies bedeutet aber nicht, dass auch die Klauselkontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB ausgeschlossen ist, weil diese gerade an die vertragliche Abweichung vom dispositiven Recht anknüpft.

5. Zur Klausel-Inhaltskontrolle steht die Beklagte auf dem Standpunkt, dass das zu beurteilende Verbot der Stellvertretung gröblich benachteiligend sei, weil bestimmte Kunden vom Angebot der Klägerin unsachlich ausgeschlossen würden.

5.1 Die in Rede stehende Vertragsbestimmung findet sich in den Geschäftsbedingungen der Klägerin. Danach muss auf der jeweiligen Website der Klägerin ein Kästchen angeklickt und die Erklärung abgegeben werden, dass ein Eigenabschluss des Online-Vertrags erfolgt.

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung zu 2 Ob 59/12h bereits ausgesprochen, dass unter allgemeinen Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen formulierten Vertragsbedingungen zu verstehen sind, die eine Vertragspartei (der Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags vorgibt (RS0123499). Dabei ist es gleichgültig, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in der Vertragsurkunde selbst aufgenommen sind, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat (7 Ob 15/10x). Aus diesem Grund unterliegen auch die auf einer Website und deren Unterseiten enthaltenen vorformulierten allgemeinen Vertragsbedingungen, die der Verwender seinen mit Kunden abgeschlossenen Verträgen von vornherein standardisiert zugrunde legen will, der AGB‑Kontrolle.

5.2 Im Anlassfall liegt eine solche vorformulierte Klausel zu einer vertraglichen Bestimmung vor, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt. Demnach ist eine gewillkürte Höchstpersönlichkeitsklausel an § 879 Abs 3 ABGB zu messen (vgl Schubert in MüKomm BGB8 § 164 Rz 101).

6.1 Bei der Abweichung einer Vertragsklausel von den dispositiven Rechtsvorschriften liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners dann vor, wenn sie unsachlich und unangemessen ist (RS0016914). Dabei ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen (RS0016913 [T1]; RS0016914 [T46 und T64]). Es ist auf das Ausmaß, den Grund und die sachliche Rechtfertigung der zu Lasten des Kunden vorgenommenen Abweichungen vom dispositiven Recht ebenso Rücksicht zu nehmen, wie auf das Ausmaß der verdünnten Willensfreiheit des Kunden, der den für ihn nachteiligen Vertragsbestandteil nicht verhindern kann (RS0014676 [T52]).

6.2 Wie bereits ausgeführt, weicht der in Rede stehende Ausschluss der Stellvertretung vom dispositiven Recht ab. Er ist für die Kunden auch nachteilig, weil sie unter bestimmten Voraussetzungen die Online-Angebote der Klägerin nicht in Anspruch nehmen können, etwa weil sie sich vertreten lassen wollen, das Internet nicht oft und gern nutzen oder zu einer schützenswerten Gruppe gehören.

6.3 Zur Rechtfertigung der Vertragsklausel beruft sich die Klägerin darauf, dass die Identifikation des Endverbrauchers sichergestellt werden müsse. Dazu bediene sie sich bei der Online-Anmeldung der E‑Mail‑Adresse und der IP‑Adresse des Kunden. Verweise die IP‑Adresse nicht auf den Kunden, sondern auf einen Dritten, so könne die Identifizierung des Kunden nicht sichergestellt und die Vollmacht nicht überprüft werden.

Diese Ausführungen sind nicht überzeugend. Die IP‑Adresse ist zwar einem bestimmten Computer zugeordnet. Welche Person eine Online-Erklärung abgibt bzw ein Online-Formular ausfüllt, kann – ohne Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur – aber nicht gesichert festgestellt werden. Es ist auch nicht sichergestellt, dass die angegebene E‑Mail‑Adresse der handelnden Person zugeordnet ist. Im Hinblick auf die Möglichkeit zur Identifizierung des Kunden bzw zur Prüfung der Authentizität der Erklärungen bietet die vertragliche Verpflichtung zum persönlichen Handeln somit keine höhere Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit als ein Handeln durch einen Stellvertreter. Wenn eine Auswahlmöglichkeit zwischen „Eigenabschluss“ und „Stellvertretung“ zugelassen wird, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine wahrheitsgemäße Angabe erfolgt, wesentlich höher als beim derzeitigen System der Klägerin. Der Nachweis der Vollmacht kann durch eine einfache Upload-Funktion ermöglicht werden. Außerdem wird die Beklagte von vornherein nur tätig, wenn sie vom Kunden tatsächlich bevollmächtigt wurde. Auch die Notwendigkeit der Überprüfung der Vollmacht im Fall einer Stellvertretung spricht nicht für den von der Klägerin normierten Ausschluss der Stellvertretung.

6.4 Weiters verweist die Klägerin zum Ausschluss der Stellvertretung auf ein Zahlungsrisiko, weil bei einem Vollmachtsmangel der Kunde binnen 13 Monaten die Rückerstattung von SEPA‑Lastschriften veranlassen könne.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das von der Klägerin vorgesehene System, für Zahlungen nur das SEPA‑Lastschriftmandatsverfahren zuzulassen, nach der Rechtsprechung für sich selbst schon gröblich benachteiligend ist (vgl 7 Ob 151/07t; 1 Ob 124/18v; 9 Ob 38/19g). Außerdem gilt für jede (auch autorisierte SEPA-Lastschrift), dass sie der Kunde – innerhalb von acht Wochen nach der Abbuchung – widerrufen und Erstattung verlangen kann.

6.5 Die Klägerin vermag keinen tauglichen Rechtfertigungsgrund für die Aufrechterhaltung des Verbots der Stellvertretung als Abweichung vom dispositiven Recht iSd § 879 Abs 3 ABGB ins Treffen zu führen. Die Interessenabwägung schlägt deutlich zugunsten des Kunden und damit hier zugunsten der Beklagten aus, zumal der Kunde im Fall der von ihm gewünschten Stellvertretung ohne triftigen Grund von den Online-Angeboten der Klägerin ausgeschlossen wird.

7. Die in Rede stehende Vertragsklausel in den Geschäftsbedingungen der Klägerin ist damit gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und daher nichtig. Die Beklagte kann sich auf die Unwirksamkeit dieser Vertragsklausel berufen, was dazu führt, dass die ihr vorgeworfene (mit einem Verstoß gegen die in Rede stehende Vertragsklausel begründete) Lauterkeitswidrigkeit nicht besteht. Der Sicherungsantrag zum hier zu beurteilenden fünften Unterlassungsbegehren war daher – in Stattgebung des Revisionsrekurses der Beklagten – ebenfalls abzuweisen und insoweit die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm § 43 Abs 1 (erst- und zweitinstanzliches Verfahren) bzw § 41 (Revisionsrekursverfahren) und § 50 ZPO. Ausgehend von der Bewertung der einzelnen Sicherungsbegehren ist die Klägerin im erst- und zweitinstanzlichen Sicherungsverfahren mit einem Anteil von 28 % durchgedrungen. Im Revisionsrekursverfahren war die Beklagte mit ihrem Revisionsrekurs zur Gänze erfolgreich.

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