OGH 4Ob84/15d

OGH4Ob84/15d16.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Hon.‑Prof. Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Mag. Florian Kucera, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Rechnungslegung (Gesamtstreitwert 50.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. April 2015, GZ 2 R 38/15b‑15, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 28. Jänner 2015, GZ 59 Cg 29/14m‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00084.15D.0616.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die Vorinstanzen wiesen das Unterlassungsbegehren ab, der Beklagten zu verbieten, Produkte der Klägerin, die mit einer Chargennummer erfasst und den Haftetiketten „nicht für den Internetverkauf in Österreich bestimmt“ originalverpackt waren, zu bewerben und über ihren Online‑Shop zu vertreiben, wenn dem die Klägerin nicht vorher zustimmt. Ebenso abgewiesen wurde ein damit im Zusammenhang stehendes Urteilsveröffentlichungs‑ und Rechnungslegungsbegehren der Klägerin. Das Entfernen der Aufkleber mit der Verkaufsbeschränkung durch die Beklagte erfülle keine der im Anhang zum UWG angeführten irreführenden Geschäftspraktiken, sei darüber hinaus nicht aggressiv oder irreführend und habe auch keinen Einfluss auf allfällige geschäftliche Handlungen der Kunden der Beklagten gehabt. Das allfällige Ausnützen fremden Vertragsbruchs (hier: der Lieferantin der Beklagten) sei nicht unlauter, weil der festgestellte Sachverhalt keinen Anhaltspunkt dafür biete, die Beklagte habe den Vertragsbruch bewusst gefördert oder sonst aktiv dazu beigetragen. Bringe der Markeninhaber ‑ wie hier ‑ die Ware im EWR in Verkehr, trete zwingend die Erschöpfungswirkung ein. Die zu Gunsten der Klägerin registrierte Marke gewähre ihr daher nicht das Recht, der Beklagten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die die Klägerin selbst in Verkehr gebracht habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin vermag in ihrer außerordentlichen Revision, mit der sie die Klageansprüche weiter verfolgt, keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Das Ausnützen fremden Vertragsbruchs ist an sich nicht unlauter (RIS‑Justiz RS0078903, RS0078872), es sei denn, der Dritte hat den Vertragsbruch bewusst gefördert oder aktiv dazu beigetragen (RIS‑Justiz RS0107766, RS0079391). Wem es daher gelingt, Ware unter Umgehung einer selektiven Vertriebsbindung zu beziehen, handelt außerhalb dieser Fälle auch dann nicht wettbewerbswidrig, wenn er von dem Vertragsbruch des Zwischenhändlers wusste (RIS‑Justiz RS0079374; vgl BGH I ZR 74/06 = GRUR 2009, 173 ‑ Bundesligakarten.de). Der hier festgestellte Sachverhalt bietet keinen Anhaltspunkt für eine allfällige Verleitung zum Vertragsbruch; die Beklagte bestellte schlicht Waren der Klägerin bei einer Zwischenhändlerin ohne jede Vertriebsbeschränkung. Ebensowenig wurde eine aktive Täuschung über ihre Stellung als Wiederverkäuferin festgestellt (Schleichbezug), noch ist die Entfernung des Aufklebers mit der Beschränkung der Verkaufsmodalität mit der Entfernung von Kontroll‑ oder Chargennummern vergleichbar, welche es dem Hersteller erschweren könnte, in einem (zulässigen) selektiven Vertriebssystem einen allfälligen Vertragsbruch herauszufinden.

Weder die Konkretisierung der Anforderungen an die berufliche Sorgfalt im Einzelfall, noch die Beurteilung der Eignung eines allfälligen Sorgfaltsverstoßes für die Beeinflussung des Verbrauchers im Hinblick auf eine geschäftliche Handlung wirft im Allgemeinen eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Dies gilt ebenso für die Beurteilung der konkreten Irreführungseignung nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beseitigung des Aufklebers „nicht für den Internetverkauf in Österreich bestimmt“ nicht geeignet ist, den Warenempfänger zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, ist jedenfalls vertretbar. Der Wiederverkauf von Waren aus einem selektiven Vertriebssystem ist nicht per se deswegen irreführend, weil damit eine wirtschaftliche oder organisatorische Verbindung zum Hersteller vorgetäuscht werde; zum Verkauf müssten weitere Umstände hinzutreten, die dies suggerieren (so 4 Ob 69/06k; vgl Lamberti, Verkäufe außerhalb von Vertriebsbindungssystemen, WRP 2009, 1479 [1488]). Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, in welcher besonderen Weise die Beklagte bei ihren Kunden den Eindruck erweckt haben sollte, in einer besonderen Beziehung zur Klägerin oder ihrem allfälligen selektiven Vertriebssystem zu stehen. Sie bietet vielmehr als Diskonter ersichtlich viele unterschiedliche Marken an und erweckt daher gerade nicht den Eindruck, „befugte Vertragshändlerin“ der Klägerin zu sein. Worin die von der Klägerin behauptete Verbindung zu tatsächlich nicht lagernden Lockangeboten liegen soll (vgl RIS‑Justiz RS0121667; 4 Ob 207/06d) ist nicht nachvollziehbar. Ebenso wenig ist ein Widerspruch zu der irreführende Versprechen von Exklusivität behandelnden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) C‑435/11 ‑ Schulschikurse zu erkennen.

Die Klägerin beharrt auf ihrem Vorbringen, die beanstandete Entfernung der Aufkleber mit der Vertriebsbeschränkung sei eine aggressive Geschäftspraxis im Sinn des § 1a UWG, unterlässt aber nachvollziehbar darzulegen, inwieweit in der Entfernung der Aufkleber ein belastendes oder unverhältnismäßiges Hindernis nicht vertraglicher Art liegen soll, mit dem die Verbraucher an der Ausübung ihrer vertraglichen Rechte gehindert werden sollen. Es bleibt vor allem völlig offen, warum allfällige rechtswidrige Verhaltensweisen des Zwischenhändlers, von dem die Beklagte die von der Klägerin hergestellte Ware bezog, die Rechte des Endverbrauchers gegenüber der Beklagten beeinflussen können.

Nach § 10b Abs 1 MSchG (Art 7 Abs 1 MarkenRL) gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, sie für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihrem Inhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in Verkehr gebracht worden sind. Das Ausschließlichkeitsrecht des Markeninhabers fällt daher weg, wenn er seine Zustimmung zum Inverkehrbringen im EWR erteilt oder wenn er die Ware selbst im EWR in Verkehr bringt; es handelt sich dabei um alternative Kriterien für das Erlöschen des Rechts (17 Ob 16/09s mwN). Eine Beschränkung des Rechts zum Wiederverkauf nach Gebieten oder bestimmten Abnehmern betrifft alleine das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und kann daher die Erschöpfung des Markenrechts nicht hindern (EuGH C‑16/03 ‑ Peak Holding Rz 52 ff). Der Wiederverkauf rechtmäßig in Verkehr gebrachter Waren ist markenrechtlich zulässig (RIS‑Justiz RS0066834, RS0066828). Dass die Klägerin die beanstandeten Waren innerhalb der EU durch Veräußerung an die Zwischenhändlerin in Verkehr brachte, ist hier unstrittig. Damit steht aber ihren auf Markenrecht gestützten Ansprüchen von vornherein die Erschöpfung des Markenrechts entgegen. Die von ihr ins Treffen geführten EuGH‑Entscheidungen (C‑59/08 ‑ COPAD; C‑414 bis 416/99 ‑ Davidoff) betreffen andere Sachverhalte (Inverkehrbringen durch Lizenznehmer und/oder außerhalb des EWR).

Die von der Revisionswerberin behaupteten Widersprüche zwischen der berufungsgerichtlichen Rechtsansicht und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und des EuGH sind daher nicht zu erkennen.

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