OGH 15Os65/20b

OGH15Os65/20b27.7.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen S***** M***** und einen weiteren Angeklagten wegen mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 13. Jänner 2020, GZ 25 Hv 118/19b‑48, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00065.20B.0727.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant, wurde S***** M***** mit dem angefochtenen Urteil von den wider sie erhobenen Vorwürfen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, sie habe in Z*****

A.II. von Februar bis Anfang Mai 2019 in wiederholten Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB an der am 17. Oktober 2015 geborenen M***** M***** und an der am 16. Juli 2013 geborenen E***** M***** geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem sie ihre Brüste entblößte und die bereits abgestillten, unmündigen Kinder hochhob und deren Gesichter an ihre entblößte Brust drückte, weshalb sie verhalten waren an ihrer Brust zu saugen bzw nuckeln, und zwar insbesondere am 26. April 2019 an M***** M*****, wobei sie sagte „Was tut sie, bravo, ich liebe es so fest!“ und  am 26. April 2019 an E***** M*****, wobei sie äußerte: „Musst ein Video machen, …, was tut sie, tut sie noch saugen, stell dir vor!“;

A.III. von 17. Jänner bis Anfang Mai 2019 in wiederholten Angriffen mit ihrer am 17. Oktober 2015 geborenen minderjährigen Tochter M***** M***** und mit ihrer am 16. Juli 2013 geborenen minderjährige Tochter E***** M***** durch die zu A.II. beschriebenen Taten geschlechtliche Handlungen vorgenommen;

A.VI. am 26. April 2019 durch die Äußerung „Musst ein Video machen!“ zur Ausführung der strafbaren Handlung des Ma***** M***** beigetragen, der eine pornographische Darstellung einer Minderjährigen herstellte, indem er die zu A.II. beschriebene Handlung zum Nachteil der am 16. Juli 2013 geborenen E***** M***** mit seinem Mobiltelefon filmte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die ihr Ziel verfehlt.

Die Mängelrüge behauptet Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z 5 zweiter Fall), weil das Schöffengericht betreffend die Negativfeststellungen zur subjektiven Tatseite die Aussage des Angeklagten Ma***** M***** bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren, den Kindern habe das Saugen an den Brüsten überhaupt nicht gefallen, übergangen hätte. Damit verkennt die Anklagebehörde, dass eine subjektive Einschätzung einer Aussageperson nicht erörterungspflichtig ist (vgl RIS‑Justiz RS0097540). Die Argumentation der Rechtsmittelwerberin, die Äußerung der Angeklagten während der Taten „Bravo, ich liebe es so fest!“ lasse „denklogisch nur den Schluss zu“, dass es ihr um die Vornahme einer geschlechtlichen Handlung an sich durch ihre unmündigen Kinder gegangen wäre, zeigt eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) nicht auf, sondern bekämpft nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Weshalb es darauf ankommen sollte, ob die Kinder das Saugen an den Brüsten der Mutter mochten, macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht klar (vgl RIS-Justiz RS0095272).

Das Schöffengericht stellte fest, dass es der Angeklagten nicht klar war und sie dies auch nicht bedachte, dass sie geschlechtliche Handlungen mit einer unmündigen Person vornehme bzw solche an sich vornehmen lasse (US 13 f). Damit haben die Tatrichter das Erkennen des sozialen Bedeutungsgehalts des Tatbestandsmerkmals der geschlechtlichen Handlung auf der Tatsachenebene verneint (vgl RIS‑Justiz RS0088950). Da die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht auf Basis dieser Feststellung argumentiert, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Stichworte