European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00136.20M.0722.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.883,16 EUR (darin 313,86 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Klägerin ist ausgebildete Diplompädagogin und unterrichtet an einer Volksschule. Sie nahm an dem von der Pädagogischen Hochschule ***** (im Folgenden: PH) veranstalteten Hochschullehrgang „Bewegungscoach für die Volksschule“ teil. Zur Durchführung der Lehrveranstaltung „Erlebnis und Outdoorpädagogik“ im Rahmen dieses Lehrgangs bediente sich die PH der beklagten GmbH, weil sie selbst weder über einen eigenen Hochseilgarten, noch über entsprechend ausgebildetes Personal verfügte. Zwischen der PH und der Beklagten gab es darüber nur eine mündliche Vereinbarung. Näheres zur Durchführung der Lehrveranstaltung wurde zwischen dem zuständigen Lehrgangsleiter der PH und der Beklagten mündlich oder per E‑Mail festgelegt. Der Lehrgangsleiter erteilte der Beklagten keine Weisungen für die Durchführung der Lehrveranstaltung.
Die Klägerin verletzte sich bei der Teilnahme an dieser Lehrveranstaltung im Hochseilgarten der Beklagten. Sie begehrt Schmerzengeld und den Ersatz von Behandlungskosten in der Höhe von insgesamt 24.042,51 EUR sowie die Feststellung der Haftung für „sämtliche Schäden“ aus dem Unfall. Bei Benützung einer Seilrutsche sei sie ungebremst gegen die scharfe ungepolsterte Kante der Landeplattform geprallt und habe sich dabei schwerste Verletzungen im Bereich des linken Sprunggelenks zugezogen. Die Beklagte hafte für die völlig unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen im Bereich der Landeplattform.
Die Beklagte habe keineswegs hoheitliche Aufgaben erfüllt. Ein allenfalls zustande gekommener Vertrag zwischen der PH und der Beklagten über den Besuch des Kletterparks sei als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu qualifizieren. Die Beklagte hafte vertraglich und deliktisch.
Die Beklagte wandte die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil sie als Betreiberin des Hochseilparks als Organ des Bundes bzw Landes im Rahmen des Lehrgangs der PH tätig geworden sei. Darüber hinaus bestritt sie ihr Verschulden am Unfall.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Gemäß § 51 Abs 1 Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) würden Universitäten in Vollziehung der Studienvorschriften im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig werden. Gemäß § 2 Abs 2 Hochschulgesetz 2005 (HG) seien die Pädagogischen Hochschulen anerkannte postsekundäre Bildungseinrichtungen „im Sinn des § 51 Abs 2 Z 1 UG 2002“. Die Veranstaltung des Hochschullehrgangs „Bewegungscoach für die Volksschule“ durch die PH sei als hoheitliche Aufgabe anzusehen. Die daran teilnehmenden Lehrer seien Studenten der PH. Die Beklagte sei von der PH zur Abhaltung der Lehrveranstaltung „Erlebnis und Outdoorpädagogik“ im Rahmen dieses Lehrgangs herangezogen worden. Ihre Tätigkeit habe der Durchführung der Veranstaltung gedient und sei daher als hoheitlich anzusehen. Der Rechtsweg für die Schadenersatzklage sei somit gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Rechtlich führte es aus, der von der PH angebotene Hochschullehrgang „Bewegungscoach für die Volksschule“ sei als Hochschullehrgang im Rahmen des öffentlich‑rechtlichen Bildungsauftrags nach § 39 Abs 1 HG einzuordnen. Es handle sich dabei um eine Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer an Volksschulen. Voraussetzung sei ein abgeschlossenes Lehramtsstudium und ein aktives Dienstverhältnis als Lehrer in einer Volksschule. Die Klägerin sei Teilnehmerin eines von der PH im Rahmen ihres öffentlich‑rechtlichen Bildungsauftrags abgehaltenen Lehrgangs gewesen. Nicht entscheidend sei, dass es zwischen dem Bund und der Beklagten eine Vereinbarung über die Durchführung der Lehrveranstaltung gegeben und der seitens der PH zuständige Lehrgangsleiter der Beklagten dabei keine Weisungen erteilt habe. Die Übung der Klägerin an der Seilrutsche, bei der sich der Unfall ereignet habe, habe den geforderten engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe (Weiterbildung für den Unterricht von Bewegung und Sport in der Volksschule) aufgewiesen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Beurteilung der haftungsrechtlichen Folgen, insbesondere zur Qualifikation des Weiterbildungslehrgangs der Pädagogischen Hochschule als hoheitliche Aufgabe, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und diese Rechtsfrage in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Seit der Entscheidung zu 1 Ob 176/08a (= SZ 2009/30) judiziert der Fachsenat, dass auch für Klagen gegen juristische Personen des Privatrechts, die für hoheitliches Handeln in Pflicht genommen oder beliehen wurden – ebenso wie für Klagen gegen physische Personen als Organe – der Rechtsweg gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig ist (RIS‑Justiz RS0124590). Auch eine subsidiäre Geltendmachung von Ansprüchen nach allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts kommt damit nicht in Betracht (RS0022989; vgl auch RS0050139). Dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen gefolgt.
2. Für die Begründung einer Organstellung kommt es darauf an, ob eine (auch juristische) Person hoheitliche Aufgaben zu besorgen hat. Dann ist sie Organ, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt, gewählt, ernannt oder sonst herangezogen wurde und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder – wie hier – nach privatem Recht zu beurteilen ist (RS0087679). Auf den zugewiesenen Verantwortungsgrad, eine Entscheidungsbefugnis oder Leitungsbefugnis oder gar auf den hierarchischen Rang, den eine Person in der Organisation des Rechtsträgers oder bei Besorgung einer hoheitlichen Aufgabe einnimmt, kommt es nicht an (RS0087675 [T2]). Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RS0049948; vgl auch RS0049897). „Private“ handeln daher auch dann als Organe, wenn sie selbst keine Hoheitsakte zu setzen haben, sondern ihre Tätigkeit nur in der unterstützenden Mitwirkung bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben und Zielsetzungen besteht und sie in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingebunden werden, um andere Organe bei Besorgung hoheitlicher Aufgaben zu unterstützen oder zu entlasten (RS0104351).
3. Das Hochschulwesen ist gemäß Art 10 Abs 1 Z 12a B‑VG Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Die Pädagogische Hochschule ***** (kurz: PH) ist eine der in § 1 Abs 1 Hochschulgesetz 2005 (BGBl I 2006/30 idF BGBl I 2017/129; kurz HG) genannten öffentlichen Pädagogischen Hochschulen. Die Pädagogische Hochschule hat mit dem Fokus auf die pädagogische Profession und ihre Berufsfelder im Rahmen von Lehre und Forschung nach internationalen Standards sowohl Lehrerinnen und Lehrer sowie nach Maßgabe des Bedarfs Personen in allgemeinen pädagogischen Berufsfeldern aus‑, fort‑ und weiterzubilden (§ 8 Abs 1 Satz 1 HG). Öffentliche Pädagogische Hochschulen – wie die PH – sind Einrichtungen des Bundes (§ 2 Abs 1 Satz 1 HG). Als solche sind sie unselbständige Anstalten des Bundes ohne eigene Rechtspersönlichkeit ( Juranek Pädagogische Hochschulen, in Berka/Brünner/Hauser , Handbuch des Österreichischen Hochschulrechts 3 [2018] 399).
Daneben besteht eine vom Rechtsträger Bund zu unterscheidende eigene Rechtspersönlichkeit. Nur soweit sie Tätigkeiten im Bereich der über den öffentlich‑rechtlichen Bildungsauftrag hinausgehenden Lehr‑ und Forschungstätigkeiten sowie der Erwachsenenbildung entfalten, kommt ihnen (Teil‑)Rechtsfähigkeit zu (§ 2 Abs 1 Satz 2, § 3 HG). Tätigkeiten im Rahmen der eigenen Rechtspersönlichkeit sind nur zulässig, als dadurch der Lehr- und Forschungsbetrieb in Vollziehung hoheitlicher Aufgaben nicht beeinträchtigt wird (§ 3 Abs 4 HG).
Gemäß § 39 Abs 1 HG sind an den Pädagogischen Hochschulen Hochschullehrgänge zur Fort‑ und Weiterbildung 1. von Lehrerinnen und Lehrern nach den inhaltlichen Vorgaben des zuständigen Regierungsmitglieds oder mit dessen Ermächtigung zur Wahrung der regionalen Erfordernisse der diesem unterstehenden Schulbehörden sowie 2. in allgemeinen pädagogischen Professionsfeldern der Betreuung von Kindern und Jugendlichen einzurichten. Diese Angebote der Fort‑ und Weiterbildung von Pädagogen sowie in allgemeinen pädagogischen Berufsfeldern (insbesondere der Elementarpädagogik) sind solche des öffentlich‑rechtlichen Bildungsauftrags der pädagogischen Hochschule ( Götz/Münster , Schulgesetze, § 39 Hochschulgesetz 2005 Anm 3; Fleissner , Das österreichische Hochschulgesetz 2005 [2019] 187; so bereits ErläutRV 1167 BlgNR 22. GP 19 [Zur Stammfassung des HG]). Die Hochschullehrgänge zur Fort‑ und Weiterbildung gemäß § 39 Abs 1 HG werden durch die Hochschule als Einrichtung des Bundes durchgeführt ( Juranek aaO 401).
4. Zutreffend führte das Rekursgericht aus, dass der von der PH angebotene Hochschullehrgang „Bewegungscoach für die Volksschule“ im Rahmen des öffentlich‑rechtlichen Bildungsauftrags nach § 39 Abs 1 HG erfolgte (so auch die Zuordnung im „Curriculum“ des Hochschullehrgangs). Der Lehrgang diente der Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern an Volksschulen. Dadurch soll ihr Handlungsrepertoire verbessert und erweitert werden; die Lehrgangsabsolventen erwerben dadurch grundlegende Kompetenzen in pädagogischen, taktischen und organisatorischen Handlungsfeldern von Bewegung und Sport in der Volksschule, um „professionsbewusst“ agieren zu können. Voraussetzung der Teilnahme ist ein abgeschlossenes Lehramtsstudium und ein aufrechtes Dienstverhältnis als Lehrer in einer Volksschule.
Die Klägerin macht Ansprüche als Teilnehmerin des von der PH im Rahmen ihres öffentlich‑rechtlichen Bildungsauftrags abgehaltenen Hochschullehrgangs gegen die in die Durchführung einer Lehrveranstaltung einbezogenen Beklagte geltend. Die Fort‑ und Weiterbildung im Rahmen dieses Hochschullehrgangs erfolgte hoheitlich und die Tätigkeit der beklagten Betreiberin des Hochseilparks im hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe der Wissensvermittlung an die Klägerin (siehe bereits zur Qualifikation der Ausbildung an den [damals noch] Pädagogischen Akademien des Bundes als Hoheitsverwaltung 1 Ob 29/02z). Der zu beurteilende Sachverhalt weist Parallelen mit dem vom Obersten Gerichtshof zu 1 Ob 87/19d entschiedenen Fall auf. Danach ist die Betreibergesellschaft eines Hochseilparks bei der Einweisung und Einschulung sowie nachfolgender Beaufsichtigung der Schüler im Rahmen einer Schulsportwoche als Organ des Bundes tätig und für die Klage eines Schülers gegen den Betreiber auf Schadenersatz wegen Verletzung von (vertraglichen) Sorgfaltspflichten im Rahmen dieser Einweisung und Beaufsichtigung gemäß § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg unzulässig.
Dass der Hochschullehrgang zum öffentlich‑rechtlichen Bildungsauftrag der PH gehört, wird nicht dadurch beeinflusst, dass die Klägerin den Lehrgang der „Erwachsenenbildung“ zuordnet. Dass der Lehrgang auf freiwilliger Basis basierte, auch Lehrer, die an einer Privatschule unterrichten, teilnehmen konnten und die Lernveranstaltungen (mit einer Ausnahme) ausschließlich an Wochenenden und nicht im Rahmen des (Volksschul‑)Betriebs stattfanden, ändert am hoheitlichen Charakter der Fortbildungsmaßnahmen nichts. Für diesen Lehrgang bestand zu 100 % Anwesenheitspflicht, die nur in einem bestimmten Ausmaß unterschritten werden durfte. Die Klägerin absolvierte die Lehrveranstaltung zwar freiwillig, wobei jedoch die Direktorin ihrer Volksschule ihrer Teilnahme zustimmen musste. Vergleichbar mit § 51 Abs 1 UG 2002, wonach in Vollziehung der Studienvorschriften die Universitäten im Rahmen der Hoheitsverwaltung tätig sind, erfolgt die Weiterbildung für den Unterricht von Bewegung und Sport in der Volksschule im Rahmen eines Hochschullehrgangs, der dem öffentlich‑rechtlichen Bildungsauftrag entspricht, ebenfalls hoheitlich. Die Klage gegen ein Organ (wie die Beklagte) ist daher gemäß § 9 Abs 5 AHG zurückzuweisen.
5. Unter „Inpflichtnahme“ („Indienstnahme“) werden verschiedene Formen der Mitwirkung Privater an der Erfüllung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung, auch der Hoheitsverwaltung, zusammengefasst. Im Unterschied zur Beleihung geht es dabei bloß um unterstützende und verwaltungsentlastende Tätigkeiten; eine Kompetenz zur selbständigen Entscheidung über die Setzung von Hoheitsakten ist damit nicht verbunden (1 Ob 87/19d mwN).
Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es für die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht darauf an, dass mit der Beklagten eine (mündliche) Vereinbarung über die Durchführung der Lehrveranstaltung abgeschlossen wurde. Maßgeblich ist allein, dass die Tätigkeit der Beklagten als Betreiberin eines Hochseilparks gegenüber der Klägerin im Rahmen des Hochschullehrgangs erfolgte und ihre Mitwirkung an der Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe der Fort‑ und Weiterbildung durchaus als „Inpflichtnahme“ einzustufen ist. Die der Beklagten angelastete Verletzung von Sicherungspflichten im Bereich der Landeplattform der Seilrutsche erfolgte im Rahmen des Hochschullehrgangs der PH und steht in hinreichend engem Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe der Fort‑ und Weiterbildung. Die Organstellung der Beklagten ergibt sich aus ihrer Tätigkeit im Rahmen des Hochschullehrgangs nach § 39 Abs 1 HG.
Gemäß § 9 Abs 5 AHG kann der Geschädigte den Ersatz des Schadens, den ihm ein Organ eines in § 1 AHG genannten Rechtsträgers in Vollziehung der Gesetze zugefügt hat, gegen das Organ im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen. Da die Klägerin ihr Begehren auf einen privaten Rechtstitel stützt, die Beklagte aber als Organ eines Rechtsträgers hoheitlich handelte, haben die Vorinstanzen die Klage zu Recht mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen.
6. Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
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