Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 499.39 EUR (darin 83,23 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Beklagte ist seit 1995 an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Niederösterreich als Lehrer im Zuge der Ausbildung von Studenten zu Lehrern tätig und unterrichtet das Fach "Therapeutisch funktionelle Übungen". Im Lehrplan der Pädagogischen Akademie sind für die Studenten Ausbildungslehrgänge bzw -kurse im Schilauf verpflichtend vorgeschrieben. Für die Erteilung des Unterrichts im Rahmen dieser Ausbildungslehrgänge ist eine fachliche Qualifikation erforderlich; Lehrer, die nicht Leibeserzieher sind, müssen eine abgeschlossene Ausbildung zum Landesschilehrer oder Schilehrwart (oder eine ähnliche Qualifikation) aufweisen. Der Unterricht bei Sportwochen kann auch durch gewerbliche Unternehmen erteilt werden, wenn für die zu unterrichtenden Sportarten weder Begleitlehrer noch Begleitpersonen die Voraussetzungen zur Erteilung des jeweiligen Sportunterrichts aufweisen. Nach den Vorstellungen des Direktors der Pädagogischen Akademie sollten möglichst viele Mitglieder des eigenen Lehrkörpers die Studenten im Rahmen der Wintersportwochen unterrichten. Ausschließlich für Lehrer an Pädagogischen und Berufspädagogischen Akademien wurde vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst letztmals im Jahr 1993 eine Ausbildung zum Schilehrwart angeboten. Seither konnte die Qualifikation eines Schilehrwarts nur mehr durch Absolvierung eines von einer Bundesanstalt für Leibeserziehung angebotenen Kurses erlangt werden. Der Beklagte hatte Interesse an der Ausbildung zum Schilehrwart, um an Wintersportwochen teilnehmen und bei diesen unterrichten zu können. Auf Grund seiner Zustimmung zur Teilnahme an der Schilehrwarteausbildung ordnete der Direktor der Pädagogischen Akademie die Teilnahme des Beklagten an einem Schilehrwarteausbildungskurs der Bundesschiakademie in St. Christoph am Arlberg an. Der Beklagte meldete sich zu dieser Veranstaltung an:
Seine Ausbildung erfolgte, ohne dass er hätte Urlaub nehmen müssen, während seiner Dienstzeit; die Besoldung lief weiter. Diesen ersten Teil der Schilehrwarteausbildung finanzierte der Beklagte selbst. Im Rahmen des Kursprogramms wurde der Beklagte - ebenso wie die anderen Kursteilnehmer - am 21. 3. 2000 angewiesen, zwecks Einfahrens einen Hang abzufahren, und ein Treffpunkt vereinbart. Bei dieser Abfahrt kollidierte der Beklagte mit dem Kläger, der dabei Verletzungen erlitt.
Der Kläger begehrte die Zahlung von S 72.778 und die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden des Klägers aus dem Schiunfall vom 21. 3. 2000. Der Beklagte habe ihn mit hoher Geschwindigkeit links hinten kontaktiert, er sei dadurch zu Sturz gekommen und schwer verletzt worden. Der Beklagte habe an der Ausbildung zum Schilehrwart in eigenem Interesse teilgenommen und keine hoheitliche Funktion erfüllt, weshalb er persönlich klagslegitimiert sei.
Der Beklagte wendete unter anderem ein, dass er die Schilehrwartausbildung im dienstlichen Auftrag auf sich genommen habe; die Abfahrt, bei der es zum Unfall gekommen sei, habe er auf Weisung seines ausbildenden Vorgesetzten absolviert. Das Schulwesen gehöre zur Hoheitsverwaltung, sodass der Beklagte nicht persönlich in Anspruch genommen werden könne; vielmehr sei "das Amtshaftungsgericht" zuständig.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Die Abhaltung von Schulschikursen bzw Wintersportwochen falle in die hoheitliche Verwaltung des Bundes. Die Teilnahme eines Lehrers der Pädagogischen Akademie an einer Wintersportwoche, die im Rahmen der "verpflichtenden Ausbildung" der Studenten erfolge, geschehe im Rahmen der Hoheitsverwaltung. Der Beklagte werde zum Schilehrwart ausgebildet, um im Rahmen der für die Studenten vorgeschriebenen Wintersportwochen unterrichten zu können. Die Teilnahme des Beklagten an der Ausbildung erfolge daher im Interesse der hoheitlichen Zielsetzung der Schule. Wenngleich für die Teilnahme an der Schilehrwarteausbildung die Zustimmung des Beklagten erforderlich gewesen sei, habe es sich bei der - nach Erteilung der Zustimmung - vom Direktor der Pädagogischen Akademie letztlich erteilten Weisung, an dieser Ausbildung teilzunehmen, um eine dienstliche Anordnung gehandelt, der der Beklagte habe nachkommen müssen. Der Unfall habe sich im Rahmen der Ausbildung des Beklagten und damit im Zusammenhang mit dessen hoheitlichen Funktion als Lehrer an der Pädagogischen Akademie ereignet. Die Ausbildungstätigkeit habe "den im Rahmen der Hoheitsverwaltung zu setzenden Maßnahmen" (Erteilung von Unterricht) dienen sollen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Ob die Bundesschischule zu den im § 1 AHG genannten Rechtsträgern gehöre, sei irrelevant, weil weder der Beklagte noch das Erstgericht aus der Tätigkeit dieser Schischule Amtshaftungsansprüche abgeleitet hätten. Die dienstliche Anordnung des Direktors der Pädagogischen Akademie sei als Weisung im Sinne des § 44 Abs 1 BDG zu werten. Infolge seiner Zustimmung habe dem Beklagten die Weisung, an der Ausbildung teilzunehmen, erteilt werden dürfen; die Ausbildung selbst sei Dienstverrichtung des Beklagten gewesen. Die berufliche Weiterbildung stehe im Dienste hoheitlicher Zielsetzung, habe dem Beklagten doch der Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten für den Unterricht im Schilauf ermöglicht werden sollen. Damit sei aber der nicht eng zu beurteilende Zusammenhang mit der "hoheitlichen Unterrichtsarbeit" eines Lehrers gegeben.
Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Schulwesen ist gemäß Art 14 Abs 1 B-VG Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Dass die Erteilung des Unterrichts an Schulen hoheitlich erfolgt (Schragel, AHG2 Rz 336), wird ebensowenig in Zweifel gezogen wie dass jene Lehrpersonen, die Studenten an Pädagogischen Akademien zum Zwecke der Lehrerausbildung unterrichten, in hoheitlicher Funktion tätig werden. Strittig ist nur, ob der Beklagte im Rahmen der ihm zuteil gewordenen Ausbildung zum Schilehrwahrt in Vollziehung der Gesetze und somit hoheitlich handelte.
Nach den Feststellungen sind im Lehrplan der Pädagogischen Akademien für die Studenten Ausbildungslehrgänge im Schilauf verpflichtend vorgeschrieben. Der Unterricht in solchen Ausbildungskursen darf nur von fachlich qualifizierten Personen erteilt werden; Lehrer, die nicht Leibeserziehung unterrichten und über keine abgeschlossene Lehramtsprüfung aus diesem Fach verfügen, müssen eine abgeschlossene Ausbildung zum Landesschilehrer oder Schilehrwart bzw eine vergleichbare Ausbildung aufweisen. Dass die Erteilung von Schiunterricht durch "hauseigene" Lehrer der Pädagogischen Akademie sinnvoll und anzustreben ist, leuchtet schon aus praktischen Erwägungen ein, entspricht aber auch dem Wunsch und den Anordnungen des zuständigen Bundesministeriums, wie sich aus dessen Rundschreiben aus dem Jahre 1992 und dessen aus 1993 stammenden Erlass eindeutig ergibt (S 6 bis 9 des Ersturteils).
Gewiss kann ein Lehrer, der nicht das Fach Leibeserziehung unterrichtet, nicht gegen seinen Willen zur Ausbildung als Schilehrwart verpflichtet werden, doch hat er nach erteilter Zustimmung den sodann zum Zweck der Durchführung dieser Ausbildung erteilten Anordnungen Folge zu leisten. Soweit der Direktor der Pädagogischen Akademie den Beklagten anwies, an der von der Bundesanstalt für Leibeserziehung veranstalteten Schilehrwarteausbildung teilzunehmen, handelte es sich um eine dienstliche Anordnung, die zur Rekrutierung geeigneter Lehrer für die Erteilung des im Unterrichtsplan der Pädagogischen Akademie vorgesehenen Schiunterrichts bestimmt war. Daher hatte der Beklagte im dienstlichen Interesse am Ausbildungskurs zum Schilehrwart während seiner Dienstzeit bei aufrechter Besoldung teilzunehmen, sodass die Schilehrwartausbildung des Beklagten im Rahmen seines Dienstes erfolgte, wenngleich er diese Ausbildung - zumindest deren ersten Teil - selbst finanzieren musste. Im Rahmen des Kurses war er verpflichtet, am Kursprogramm teilzunehmen, also auch über Anordnung des Kursleiters zum Zweck des Einfahrens auf einem bestimmten Hang abzufahren. Auch wenn er dabei unvorsichtig gefahren sein sollte und ihn ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls treffen könnte, hat sich der Unfall im Rahmen der Ausbildung zum Schilehrwart ereignet, denn es war "freies Einfahren" angeordnet und der Beklagte hat diese Anordnung befolgt. Im Kern hat also auch diese Abfahrt der Ausbildung und damit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben gedient, und der Rechtsträger haftet für Verhaltensweisen eines Organs selbst bei Überschreitung dessen Befugniskreises, ja selbst bei strafgesetzwidrigen oder sonst deliktischen Organhandlungen (JBl 2000, 179; vgl 1 Ob 8/96). Erforderlich für die Haftung aus dem vom Beklagten gesetzten "Realakt" ist nur, dass er in einem solchen Zusammenhang mit einer Aufgabe staatlicher Vollziehung stand, die ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist, denn dann sind alle mit deren Besorgung verbundenen - auch rein tatsächlichen - Verhaltensweisen solche in Vollziehung der Gesetze (JBl 2000, 179; EvBl 1997/35; EvBl 1996/80 uva). Dem Dritten gegenüber muss nicht hoheitlich gehandelt werden, es genügt vielmehr, dass das Organ eine Aufgabe zu besorgen hatte, die infolge eines engen Sachzusammenhangs der Erreichung der hoheitlichen Zielsetzung diente (JBl 2001, 722; vgl SZ 60/264). Auch mit der Ausbildung des Beklagten zum Schilehrwart wurde ein hoheitliches Ziel angestrebt: Ihm sollte die Befähigung zur Erteilung des Schiunterrichts im Zuge der gesetzlich vorgesehenen Ausbildungsveranstaltungen für Studenten der Pädagogischen Akademie ermöglicht werden (vgl EvBl 1997/35; EvBl 1996/80; 1 Ob 8/96; SZ 55/82). Maßgeblich ist allein, ob die Teilnahme an der Schilehrwarteausbildung für den Beklagten Dienst war (vgl EvBl 1996/80), und dies ist zu bejahen.
Völlig irrelevant ist, ob der Schilehrwartekurs eine "Spezialveranstaltung für Lehrpersonen" war. Entscheidend ist vielmehr nur, ob diese Ausbildungsveranstaltung gerade auch in Bezug auf den Beklagten einem hoheitlichen Zweck diente.
Aus dem Verhalten von Bediensteten der Bundesschiakademie leitet der Kläger keine Haftung ab; er nimmt vielmehr den Beklagten persönlich in Anspruch, sodass dahingestellt bleiben kann, ob diese Akademie "zu den im § 1 Abs 1 AHG genannten Rechtsträgern" zählte. Dass der Beklagte die Ausbildung zum Schilehrwart gern auf sich nahm, ist ebensowenig von Bedeutung wie der Umstand, dass es "für ihn schön war, zwei Wochen in den Bergen zu verbringen". Die Tatsache, dass jemand dienstliche Verrichtungen "gern" erfüllt und ihm diese sogar Freude bereiten, hat nicht zur Folge, dass das Organ deshalb als Privatperson handelte.
Da der Kläger sein Begehren auf einen privaten Rechtstitel stützte, der Beklagte aber als Organ eines Rechtsträgers hoheitlich handelte, haben die Vorinstanzen die Klage zu Recht mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen (SZ 68/220 uva).
Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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