European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0250DS00001.20V.0608.000
Spruch:
Der Berufung wird Folge gegeben und über den Beschuldigten eine Geldbuße von 2.000 Euro verhängt.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** des Disziplinarvergehens der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt.
Danach hat er in W***** entgegen § 43 Abs 1 RL‑BA 2015 bis zum 31. Juli 2018 kein eigenes Anderkonto im Sinn der Geschäftsbedingungen für Anderkonten der Rechtsanwälte bei einem der öffentlichen Aufsicht unterliegenden Kreditinstitut geführt und bis 21. Februar 2019 Fremdgelder auf seinem Eigengeldkonto eingehen lassen und nicht dafür Sorge getragen, dass sie auf ein Anderkonto eingezahlt werden.
Der Beschuldigte wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete der Disziplinarrat die Unbescholtenheit sowie die Umstände, dass „kein weiterer Schaden für die Öffentlichkeit“ entstand und sein Verhalten in der Öffentlichkeit nicht bekannt wurde, als mildernd, als erschwerend hingegen, dass der Beschuldigte „für geraume Zeit“ trotz Aufforderung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer nicht dafür Sorge getragen hat, dass Fremdgeld auf ein Anderkonto eingezahlt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die – erkennbar zum Nachteil des Beschuldigten erhobene – eine „schuldangemessene Strafe“ begehrende Berufung des Kammeranwalts wegen Strafe; sie ist im Recht.
Zutreffend zeigt die Berufung auf, dass weder das Fehlen eines „weiteren Schadens für die Öffentlichkeit“ noch das Nichtbekanntwerden des Verhaltens des Beschuldigten in der Öffentlichkeit mildernd wirken.
Zwar sind zur Strafbemessung im anwaltlichen Disziplinarverfahren die §§ 32 ff StGB sinngemäß heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0054839), doch nur soweit, als dies mit den Eigenheiten des rechtsanwaltlichen Disziplinarverfahrens vereinbar ist (RIS‑Justiz RS0054839 [T2]).
Bei Disziplinarvergehen, deren Vollendung einen Schadenseintritt nicht erfordert (hier: Verstoß gegen § 43 Abs 1 RL-BA 2019), ist der Umstand, dass die Tat keine Folgen nach sich gezogen hat, nicht mildernd (RIS-Justiz RS0091022).
Es ist auch kein Milderungsgrund, dass das disziplinäre Verhalten in der Öffentlichkeit nicht bekannt wurde. Ein Fehlverhalten eines Standesangehörigen, das einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt, beeinträchtigt die Ehre oder das Ansehen des Standes (RIS‑Justiz RS0054927) und führt zur – im Fall der Verletzung von Berufspflichten weiteren – eigenständigen Deliktsverwirklichung nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt. Der Umstand, dass nicht ein weiteres Disziplinarvergehen idealkonkurrierend verwirklicht wurde, rechtfertigt somit nicht eine mildere Strafe.
Zum bei der Strafbemessung zu berücksichtigenden (RIS‑Justiz RS0055847 [T4]) Verschuldensgrad releviert die Berufung, es sei aus einer „allenfalls bloßen Nachlässigkeit“ bei der Fremdgeldgebarung eine „wissentliche Missachtung“ des § 43 Abs 1 RL‑BA geworden. Dabei zeigt sie keine (in der Disziplinarverhandlung vorgekommenen) Verfahrensergebnisse auf, die für ein vorsätzliches Fehlverhalten des Beschuldigten sprechen.
Entgegen der schriftlichen Äußerung des Beschuldigten zur Berufung stellt dessen Verantwortung eingangs der mündlichen Disziplinarverhandlung, „sich vorerst im Sinne des Einleitungsbeschlusses im Hinblick auf das Nichtführen eines Anderkontos schuldig zu fühlen“, als bloßes Tatsachengeständnis, also als Zugeben bloßer Tatsachen ohne Eingeständnis der subjektiven Merkmale des disziplinarrechtswidrigen Verhaltens, den Milderungsgrund des reumütigen Geständnisses (§ 34 Abs 1 Z 17 erster Fall StGB) nicht her (RIS‑Justiz RS0091585 [insb T2, T14]). Unter dem Aspekt eines wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB) wäre ein „Tatsachengeständnis“ wiederum nur dann bedeutsam, wenn sich dieses maßgeblich auf die Beweisführung ausgewirkt hätte (RIS‑Justiz RS0091460 [T5, T6], Ebner in WK 2 StGB § 34 Rz 38), was fallbezogen aufgrund Vorliegens zweier Überprüfungsergebnisse des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer zu verneinen ist.
Zum Tatunrecht ist ergänzend festzuhalten, dass der korrekte Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern zu den grundlegendsten und wichtigsten Pflichten der Anwaltschaft zählt; genaue Kenntnis der Konten‑ und Geldverwaltung ist daher für jeden Anwalt ebenso unerlässlich wie sorgfältigster Umgang in diesem Bereich (RIS‑Justiz RS0055151 [T11] = RS0055847 [T8]). Die Verpflichtung zur Verwahrung von Fremdgeldern auf Anderkonten erfüllt nicht nur den Zweck, sofort und umgehend über Mandantengelder Rechnung legen zu können, sondern dient auch der effizienten Abwehr jeder Missbrauchsmöglichkeit (RIS‑Justiz RS0055151 [T12] = RS0055847 [T9]). Ein Verstoß gegen das Gebot des korrekten Umgangs mit Fremdgeldern stellt nicht nur eine gravierende Berufspflichtenverletzung dar, sondern ist auch geeignet, das Vertrauen in den Rechtsanwaltsstand massiv zu erschüttern (RIS‑Justiz RS0055151 [T13] = RS0055847 [T10]).
Der Oberste Gerichtshof wertet somit als erschwerend, dass der Beschuldigte trotz Aufforderung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer (§ 26 RL‑BA 2015) das disziplinäre Fehlverhalten längere Zeit fortgesetzt hat (§ 33 Abs 1 Z 1 letzter Fall StGB), als mildernd hingegen die disziplinäre Unbescholtenheit (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB).
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen trägt eine Geldbuße (§ 16 Abs 1 Z 2 erster Fall DSt) von 2.000 Euro Tatunrecht, Täterschuld und Präventionserfordernissen (RIS‑Justiz RS0054839 [T7]) Rechnung und findet – mangels Angaben des Beschuldigten zu seinen persönlichen Verhältnissen – in den durchschnittlichen Einkommens‑ und Vermögensverhältnissen eines Rechtsanwalts Deckung (§ 16 Abs 6 DSt). Der Berufung war daher durch Erhöhung der vom Disziplinarrat ausgemessenen Sanktion Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)