OGH 1Ob31/20w

OGH1Ob31/20w25.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Patrick Beichl, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei V*****gesellschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Dr. Frank Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 125.000 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 94.970,13 EUR) sowie der beklagten Partei (Revisionsinteresse 30.129,87 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2019, GZ 2 R 156/19m‑126, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 15. September 2019, GZ 9 Cg 83/14m-119, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00031.20W.0525.000

 

Spruch:

 

I. Die Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

II. Der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin

abgeändert, dass sie lauten:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 90.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 7. 2014 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 35.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 7. 2014 zu bezahlen, wird abgewiesen.“

III. Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin litt seit 1967 an einer seropositiven primären chronischen Polyarthritis (einer rheumatischen Erkrankung der Gelenke), was zu einer eingeschränkten Mobilität, zahlreichen operativen Eingriffen sowie dem Einsatz mehrerer Prothesen führte. Seit 2005 bestand auch eine langsam fortschreitende medikamentös-toxische Polyneuropathie (Erkrankung des peripheren Nervensystems). Es hatte sich außerdem eine ausgeprägte Osteoporose entwickelt, die durch die Medikation sowie die Neuropathie verstärkt wurde. Seit 1965 war die Klägerin auf den dauernden Gebrauch eines Rollstuhls angewiesen, seit 2006 bezog sie Pflegegeld der Stufe sechs. Ein „Umstieg“ in den Rollstuhl, das Gehen einiger Schritte sowie das Stehen für kurze Zeit war ihr nach wie vor möglich, auch Speisen und Getränke konnte sie selbständig einnehmen. Die Klägerin litt zudem an einer (üblicherweise mit einer solchen Erkrankung einhergehenden) Depression.

Vor einer geplanten Operation kam es am 1. 10. 2009 zu einem Narkosezwischenfall (Magenperforation verbunden mit einem akuten Bauchmuskelkompressionssyndrom sowie einem abdominellen Kompartmentsyndrom), der zu einer lebensbedrohlichen Situation führte und eine unmittelbare Notfalllaparotomie erforderlich machte, bei der eine Dekompression und Übernähung des Magens erfolgte. Am nächsten Tag war wegen einer Magenüberdehnung sowie zur Entfernung eines Blutgerinnsels eine weitere Notfall‑(re-)laparotomie notwendig. Es entwickelte sich ein Multiorganversagen, das unter anderem eine kontinuierliche Kreislaufstützung, eine längere maschinelle Beatmung, eine Sedoanalgesie (Versetzung in einen Dämmerschlaf), das Anlegen eines Katheders zur Dialyse wegen eines eingetretenen Nierenversagens sowie für drei Wochen eine beständige Nierenersatztherapie erforderte. Zur längerfristigen Beatmung erfolgte auch ein Luftröhrenschnitt. In weiterer Folge wurde aufgrund eines Aufplatzens der Laparotomiewunde eine weitere Operation notwendig, die Klägerin erlitt auch eine Harnweginfektion. Aufgrund des Multiorganversagens und der erforderlichen Nierenersatztherapie befand sie sich insgesamt 32 Tage auf der Intensivstation. Am 9. 8. 2010 war eine weitere Operation zum Verschluss einer durch die zweimalige Laparotomie entstandenen Narbenhernie erforderlich. Im November 2012 wurde ein neuerlicher Narbenbruch bzw eine Narbenhernie diagnostiziert; eine operative Versorgung erfolgte im Jänner 2013. Insgesamt waren aufgrund des Narkosezwischenfalls neun Folgeoperationen erforderlich.

Aufgrund des langen Aufenthalts auf der Intensivstation kam es zu muskulären Defiziten, die auch ein schweres obstruktives Schlafapnoesyndrom verursachten, was die Verwendung einer Überdruckmaske erforderte, wodurch es zu chronischen Schlafstörungen kam. Die periodischen Atemstörungen waren mit Ängsten verbunden und verursachten eine Depression, zeitweise traten in der Nacht auch attackenartige Kehlkopfkrämpfe auf, die von Atemnot und vegetativen Symptomen begleitet waren. Am Kehlkopf traten morphologische Veränderungen (ein durch die Intubation verursachtes Granulom und eine kleinerbsengroße Raumforderung) ein, die Stimmbänder weisen eine Funktionsstörung auf.

Die zuletzt relativ stabil verlaufene rheumatoide Grunderkrankung verschlechterte sich durch den Narkosezwischenfall. Es traten irreversible Zerstörungen der Sprung-Fußgelenke, beider Schultergelenke sowie des linken Hüftgelenks (das endoprothetisch ersetzt werden musste) ein. Durch die aufgrund des Multiorganversagens erforderliche Intensivtherapie kam es zu einer vorübergehenden kompletten Immobilität sowie fortschreitenden muskulären Defiziten, wodurch sich die Immobilisierung markant beschleunigte und ein erhöhter Pflegeaufwand erforderlich war. Zu den chronischen Schmerzen an den Gelenken aufgrund der Grunderkrankung trat eine Schmerzsymptomatik im Magen-Darm-Bereich hinzu. Durch die zweifache Laparotomie sowie die Operationen der Narbenhernien entstanden am vorher gesunden Bauch Verwachsungen, die gesamte Bauchwand gleicht nun einer unregelmäßigen und unförmig gestalteten Narbenplatte, was neben dem weitgehenden Funktionsverlust der Bauchmuskulatur auch zu einer Herabsetzung des Selbstwertgefühls der Klägerin führte. Es trat eine Refluxsymptomatik auf, die Klägerin leidet nunmehr auch an krampfartigen Bauchschmerzen sowie Motilitätsstörungen des Magendarmtrakts, sodass sie nur mehr kleine Mengen Nahrung zu sich nehmen kann. Die bestehende Osteoporose wurde durch die lange Immobilisierung verstärkt, es kam zu stark schmerzhaften Brustwirbelkörpereinbrüchen mit Knochenmarködemen und insgesamt zu einem multifaktoriellen Immobilitätssyndrom und zu einer beinahe völligen Immobilität mit absoluter Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit in allen Verrichtungen des täglichen Lebens. Stehen, selbständiges Essen, Mobilisieren aus und in den Rollstuhl sind so gut wie nicht mehr möglich, die Klägerin kann sich auch nicht mehr (wie vor dem Narkosezwischenfall) längere Zeit am Computer beschäftigen, weil sie nicht ohne Schmerzen längere Zeit in aufrechter Position sitzen kann. Sie leidet aufgrund dieses Zwischenfalls an beinahe vollkommener Kraftlosigkeit, die nicht beherrschbaren Schmerzen werden auf Lebenszeit bestehen bleiben.

In psychischer Hinsicht besteht trotz Einnahme eines Antidepressivums eine leicht- bis mittelgradige Depression. Die Klägerin leidet am Verlust von Lebensoptionen. Besonders nach dem zweiten Eingriff im Jänner 2013 zur Beseitigung einer Bauchwandhernie verspürt sie die Angst vor einem erneuten Aufbrechen der Narbe. Die Kehlkopfkrämpfe und die Atemnot durch die Apnoe erzeugten panikartige Ängste, die seit der Maskenbeatmung nicht mehr bestehen. Die Depression zeigt einen chronischen Verlauf, der zu einer verstärkten Schmerzwahrnehmung führt. Chronische Schmerzen und depressive Verstimmung „unterhalten sich gegenseitig“. Der Narkosezwischenfall führte insgesamt zu einer deutlichen Verschlechterung der psychischen Situation der Klägerin.

Aus dem Narkosezwischenfall resultieren (

komprimiert) rund 45 Tage starke, 593 Tage mittlere und 480 Tage leichte physische sowie psychische Schmerzen. Dies deckt auch die künftig zu erwartenden, durch den Zwischenfall verursachte Schmerzen ab.

Die Haftung der Beklagten für die der Klägerin durch den Narkosezwischenfall entstandenen Schäden ist dem Grunde nach unstrittig. Die Parteien einigten sich 2011 außergerichtlich auf ein (auch tatsächlich bezahltes) Schmerzengeld in Höhe von 73.129,87 EUR „für das gesamte bisher bekannte Ungemach“ bzw „für sämtliche bekannten Schadenersatzansprüche, insbesondere auch jene, welche sich aus dem [von den Parteien außergerichtlich eingeholten] Gutachten [...] vom 5. 11. 2010 ergeben“.

Die Klägerin begehrt zuletzt (im zweiten Rechtsgang, nachdem ihr im ersten Rechtsgang rechtskräftig ein ergänzendes Schmerzengeld in Höhe von 6.870,13 EUR zugesprochen worden war) ein (weiteres) ergänzendes Schmerzengeld von 125.000 EUR für das von der 2011 mit der Beklagten abgeschlossenen außergerichtlichen Vereinbarung nicht umfasste (insbesondere durch den damals noch nicht vorhersehbaren zweiten Narbenbruch verursachte) physische und psychische Ungemach. Aufgrund des bei ihr mittlerweile – hinsichtlich ihres durch den Narkosezwischenfall verschlechterten Gesundheitszustands – eingetretenen „Endzustands“ begehrt sie primär die Globalbemessung des Schmerzengeldes für sämtliche aus diesem Zwischenfall entstandenen, nicht bereits durch die 2011 getroffene außergerichtliche Vereinbarung sowie den im ersten Rechtsgang rechtskräftig zugesprochenen Teilbetrag abgedeckten Schmerzen. Dafür – also als Abgeltung sämtlicher physischer und psychischer Nachteile aufgrund des Narkosezwischenfalls – sei insgesamt ein Betrag von 230.000 EUR angemessen. Nach Abzug der Zahlungen von 73.129,87 EUR aufgrund der 2011 getroffenen Vereinbarung sowie von 6.870,13 EUR aufgrund des im ersten Rechtsgang erfolgten Teilzuspruchs ergebe sich ein verbleibender Betrag von 150.000 EUR, wovon ein Teilanspruch von 125.000 EUR geltend gemacht werde.

Das Erstgericht sprach der Klägerin mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil weiteres Schmerzengeld von 24.233,87 EUR zu und wies das Mehrbegehren von 100.766,13 EUR ab. Es ging davon aus, dass für die aus der 2012 diagnostizierten – bei Abschluss der 2011 getroffenen Vereinbarung noch nicht vorhersehbaren – zweiten Narbenhernie (sowie deren operativer Versorgung) resultierenden Schmerzen nur ein ergänzendes Teilschmerzengeld (und kein – auch die absehbaren künftigen Schmerzen abgeltendes – global bemessenes Schmerzengeld) zustehe, weil sich der Gesundheitszustand der Klägerin (mit 30%iger Wahrscheinlichkeit) noch verschlechtern könne. Zur Abgeltung der bereits eingetretenen Schmerzen aus der zweiten Narbenhernie sei ein Schmerzengeld von 32.000 EUR angemessen, sodass nach Abzug des im ersten Rechtsgang zugesprochenen Teilbetrags von 6.870,13 EUR ein restliches ergänzendes Schmerzengeld von 24.233,87 EUR zustehe.

Das Berufungsgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es der Klägerin insgesamt (über den im ersten Rechtsgang erfolgten Teilzuspruch hinaus) ein weiteres ergänzendes Schmerzengeld von 30.129,87 EUR zusprach. Das Mehrbegehren von 94.870,13 EUR wies es ab. Es ging – anders als das Erstgericht – davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Globalbemessung vorlägen, weil mit großer Wahrscheinlichkeit keine Änderung des – auf den Narkosezwischenfall zurückzuführenden – Gesundheitszustands mehr zu erwarten sei. Unter Einbeziehung sämtlicher durch den Narkosezwischenfall verursachten negativen Auswirkungen auf den physischen und psychischen Zustand der Klägerin sei ein Schmerzengeld von global 120.000 EUR angemessen. Bei dieser Bemessung berücksichtigte das Erstgericht einerseits, dass die Klägerin bereits vor dem Narkosezwischenfall an schweren chronischen Krankheiten litt und auf den dauernden Gebrauch eines Rollstuhls angewiesen war sowie Pflegegeld der Stufe 6 bezog, andererseits habe der Narkosezwischenfall zu einer massiven Verschlechterung ihres – allerdings bereits zuvor schlechten – Gesundheitszustands geführt. Eine Bemessung auf Basis der festgestellten „Schmerzperioden“, bei der sich ein deutlich höheres Schmerzengeld ergäbe, wäre zu den in der bisherigen Rechtsprechung zuerkannten Schmerzengeldbeträgen in keiner Relation gestanden. Besonders bei schweren Verletzungen mit gravierenden Dauerfolgen verlören die in der Praxis herangezogenen „Schmerzengeldsätze“ an Aussagekraft. Da vom global bemessenen Schmerzengeld (120.000 EUR) die aufgrund der 2011 getroffenen Vereinbarung geleistete – auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung aufzuwertende und daher mit einem Betrag von rund 83.000 EUR zu berücksichtigende – Zahlung sowie der rechtskräftige Zuspruch (im ersten Rechtsgang) von 6.870,13 EUR abzuziehen seien, ergebe sich ein verbleibender Ersatzanspruch der Klägerin von 30.129,87 EUR.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich das Berufungsgericht an höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientiert habe und der Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die

Revision der Klägerin ist hingegen – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – zulässig, weil diesem bei der Bemessung des Schmerzengeldes eine aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen ist;

sie ist auch berechtigt.

I. Zur Revision der Beklagten:

1. Wenn diese davon ausgeht, dass in dritter Instanz „zu klären“ sei, ob „trotz Bereinigungswirkung eines Vergleichs eine Schmerzengeldergänzung für nicht fällige mögliche zukünftige Schmerzen in Frage komme“, wird damit – mangels näherer Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht und weil nicht konkret aufgezeigt wird, inwieweit diese unrichtig sein soll (vgl RS0043603) – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO angesprochen. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf eines „unzulässigen Eingriffs in die Dispositionsfähigkeit“ ist für sich nicht verständlich. Mit dem vom Berufungsgericht angenommenen Umfang des zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs setzt sich die Revisionswerberin nicht auseinander (vgl RS0043603 [T9]). Sie legt insbesondere nicht dar, warum für diejenigen Schmerzen, die – nach unbekämpft gebliebener Ansicht des Berufungsgerichts – nicht Gegenstand des Vergleichs waren (also über den dem Vergleich zugrundegelegten Prognosezeitraum hinausgehende, sowie – allenfalls auch während dieses Zeitraums eingetretene – bei Vergleichsabschluss nicht vorhersehbare Schmerzen) kein ergänzendes Schmerzengeld zustehen soll. Auch die vom Berufungsgericht vorgenommene „Berechnung“ unter Abzug sämtlicher bereits geleisteter (teilweise aufgewerteter) Teilzahlungen von der für das Schadensereignis insgesamt zustehenden Globalentschädigung wird nicht in Frage gestellt. Die Beklagte vermag auch keinen Widerspruch zur Entscheidung 2 Ob 164/17g aufzuzeigen, ging der Oberste Gerichtshof doch auch dort davon aus, dass ein (außergerichtlicher) Vergleich, der – wie hier – bestimmte künftige (insbesondere nicht vorhersehbare) Schadensfolgen nicht erfasst, den Geschädigten bei nachträglichem Eintritt solchen Folgen nicht an der Geltendmachung von weiterem Schmerzengeld hindert.

2. Soweit die Beklagte das vom Berufungsgericht global mit 120.000 EUR bemessene Schmerzengeld als „zu hoch“ bekämpft, legt sie nicht dar, warum der von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung für die Bemessung des Schmerzengeldes vorgegebene Rahmen vom Berufungsgericht „gesprengt“ (vgl RS0031075) worden sein soll. Sie führt keine mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, in denen ein geringeres Schmerzengeld zuerkannt worden wäre, ins Treffen und behauptet auch nicht, dass das Berufungsgericht bei der Schmerzengeldbemessung nach dem Gesetz bzw der Rechtsprechung zu berücksichtigende Umstände unbeachtet gelassen habe. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO legt die Beklagte damit – ihre Revisionsausführungen zur Höhe des global bemessenen Schmerzengeldes beschränken sich im Wesentlichen auf die Behauptung eines „unverhältnismäßig hohen“ Schmerzengeldzuspruchs – nicht auf. Im Übrigen ist sie auf die Behandlung der Revision der Klägerin zu verweisen.

II. Zur Revision der Klägerin:

1. Vorauszuschicken ist, dass das Schmerzengeld unter Bedachtnahme auf Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands zu bemessen ist (vgl RS0031040). Es soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für alles Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat, und den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen und sonstigen Beeinträchtigungen, auch so weit dies für die Zukunft beurteilt werden kann, erfassen (RS0031307). Unter diesem Gesichtspunkt sind etwa auch Sorgen des Verletzten um spätere Komplikationen oder das Bewusstsein eines Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung zu berücksichtigen (vgl 2 Ob 143/18w mwN). Wenngleich bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen ist, ist doch zur Vermeidung von Ungleichheiten auch ein objektiver Maßstab anzulegen; der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen bei der Bemessung darf nicht „gesprengt“ werden (RS0031075). Tendenziell erscheint es geboten, das Schmerzengeld nicht zu knapp zu bemessen (RS0031075 [T4, T10]; RS0031040 [T5]), wobei allein aufgrund der inflationsbedingten Geldentwertung die Zuerkennung von im Vergleich zu früheren Schmerzengeldzusprüchen höheren Beträgen gerechtfertigt ist (vgl RS0031075 [T10]).

2. Die Klägerin zeigt in ihrer Revision zutreffend auf, dass das vom Berufungsgericht mit 120.000 EUR bemessene globale Schmerzengeld unter Berücksichtigung sämtlicher physischer und psychischer Folgen des Narkosezwischenfalls im Hinblick auf die dargestellten allgemeinen Bemessungskriterien sowie im Vergleich zu bisherigen Schmerzengeldzusprüchen zu niedrig ausgemittelt wurde. Sie weist etwa zu Recht auf die Entscheidung 7 Ob 281/02b hin, in der (bei einem Schluss der dortigen mündlichen Verhandlung erster Instanz jedenfalls vor dem 22. 3. 2002; zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts vgl RS0031402 [T2, T4]) ein Schmerzengeld von 150.000 EUR (dies entspricht einem auf November 2018 [Schluss der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren] nach dem VPI 2000 aufgewerteten Betrag von rund 205.000 EUR) für eine Querschnittslähmung mit völliger Lähmung der Beine und weitgehender Lähmung der oberen Gliedmaßen eines – hinsichtlich der Kopf- und Rumpfbeweglichkeit bereits deutlich eingeschränkten – 65-Jährigen, der dadurch rund um die Uhr der Pflege und Aufsicht bedurfte und unter starken, sehr schmerzhaften Muskelkrämpfen litt, als angemessen angesehen wurde.

3. Auch andere höchstgerichtliche „Vergleichentscheidungen“, in denen jeweils hohe Schmerzengeldbeträge zuerkannt wurden, zeigen, dass die vom Berufungsgericht vorgenommene Bemessung den im vorliegenden Fall zu beurteilenden gravierenden Schadensfolgen nicht gerecht wird.

3.1. So war etwa zu 2 Ob 104/06t der Fall eines schweren Schädelhirntraumas zu beurteilen, bei dem trotz mehrfacher Operationen eine einem Wachkoma entsprechende (mit einer Lähmung aller Extremitäten und der Unmöglichkeit zu jeder sprachlichen Äußerung verbundenen) Symptomatik verblieb. Der Oberste Gerichtshof

erachtete dort den Zuspruch eines Schmerzengeldes von rund 180.000 EUR (bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Februar 2005; dies entspricht einem nach dem VPI 1996 aufgewerteten Betrag von rund 233.000 EUR) als nicht korrekturbedürftig.

3.2. Der Entscheidung 2 Ob 237/01v, in der einem (jungen) Schwerverletzten Schmerzengeld von rund 218.000 EUR (3 Millionen ATS) zugesprochen wurde (was bei Berücksichtigung der seit Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz in diesem Verfahren [Ende 2000; vgl 4 Ob 204/13y] eingetretenen Geldentwertung einem Betrag von rund 306.000 EUR zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung im vorliegenden Verfahren entspricht), lag eine Querschnittsymptomatik mit Lähmung des Atmungsnervs und dadurch bedingter künstlicher Beatmung bis an das Lebensende, nur ganz geringer Bewegungsmöglichkeit im Bereich der rechten Fingergelenke und des rechten Ellenbogengelenks, sowie dem Sehen von Doppelbildern aufgrund einer Augenmuskellähmung zugrunde.

4. Auch im vorliegenden Fall ist – ebenso wie in den genannten (Vergleichs-)Entscheidungen – eine gravierende Mobilitätsbeeinträchtigung (multifaktorielles Immobilitätssyndrom mit beinahe völliger Immobilität) zu beurteilen, die eine absolute Hilfsbedürftigkeit und Abhängigkeit der Klägerin in allen Verrichtungen des täglichen Lebens zur Folge hat. Hinzu kommt, dass die Klägerin aufgrund des schädigenden Ereignisses massive, nicht beherrschbare Schmerzen (auch aufgrund diverser erforderlicher Operationen und Komplikationen) zu erleiden hatte und solche auch in Zukunft – bis an ihr Lebensende – zu ertragen haben wird, dass es durch den Narkosezwischenfall auch zu einer erheblichen Verunstaltung der Klägerin (hinsichtlich ihrer Bauchdecke) kam und dass sie auch psychisch stark beeinträchtigt wurde. Auch wenn die Klägerin bereits an schweren – mit Schmerzen sowie einer Mobilitätseinschränkung verbundenen – Vorerkrankungen litt (vgl dazu aber die bereits genannte Entscheidung 7 Ob 281/02b, wo der dortige Kläger vor seinem Unfall ebenfalls bewegungseingeschränkt war), könnte sich allein aufgrund der festgestellten (einschließlich der prognostizierten) Schmerzperioden (45 Tage starke, 593 Tage mittlere und 480 Tage leichte physische sowie psychische Schmerzen) ein höheres als das vom Berufungsgericht zugesprochene Schmerzengeld ergeben. Wenngleich dieses nicht nach starren Regeln zu bemessen ist (RS0125618), können Schmerzperioden – auch bei der Abgeltung psychischer Schäden (RS0118172) – doch zumindest zur Orientierung als Bemessungshilfe herangezogen werden (vgl RS0122794 [T4]; 2 Ob 292/04m; siehe auch Hinteregger in Kletečka / Schauer , ABGB-ON 1.05 § 1325 ABGB Rz 33; Danzl in KBB 6 § 1325 ABGB Rz 30). Unter Berücksichtigung sämtlicher festgestellter Auswirkungen des Narkosezwischenfalls erscheint auch unter Bedachtnahme auf die – die Mobilität der Klägerin bereits einschränkenden – Vorerkrankungen (deren negative Auswirkungen durch den Narkosezwischenfall jedoch massiv verstärkt wurden) insgesamt ein Schmerzengeld von 180.000 EUR angemessen.

5. Zieht man davon die aufgrund der 2011 getroffenen Vereinbarung Zahlung von (aufgewertet; die Aufwertung wird in dritter Instanz nicht bekämpft) rund 83.000 EUR sowie den im ersten Rechtsgang erfolgten Zuspruch von rund 7.000 EUR ab, ergibt sich ein weiters zustehendes Schmerzengeld von 90.000 EUR.

III. Im Hinblick auf den Kostenvorbehalt des Erstgerichts nach § 52 Abs 1 ZPO bleibt diesem die Entscheidung über den Kostenersatz für das gesamte Verfahren vorbehalten (§ 

52 Abs 3 ZPO).

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