OGH 3Ob210/19g

OGH3Ob210/19g20.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.‑Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Sattler & Schanda, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.959.092,93 EUR sA über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Juni 2019, GZ 133 R 18/19y-63, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. November 2018, GZ 42 Cg 94/14k-57, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00210.19G.0420.000

 

Spruch:

 

Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

I. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 1.856.445,04 EUR samt 7,88 % Zinsen vom 17. Oktober 2014 bis 30. Juni 2016 und 7,38 % Zinsen seit 1. Juli 2016 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

II. Das Mehrbegehren von 102.647,89 EUR an Kapital sowie das Zinsenmehrbegehren werden abgewiesen.

III. Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufgetragen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.952,26 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 658,71 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, deren Aktivlegitimation in dritter Instanz unstrittig ist, fordert als Rechtsnachfolgerin der Betreiberin eines Biomassekraftwerks (Ökostromanlage) von der Beklagten als für die Ökostromförderabwicklung nach dem Ökostromgesetzes (ÖSG) Verantwortliche für die Jahre 2011, 2012 und 2013 eine Differenzzahlung von (zuletzt) insgesamt 1.959.092,93 EUR samt gestaffelter Zinsen ab dem 1. Jänner des jeweiligen Folgejahrs für die verfeuerte Rinde. Das wird zusammengefasst damit begründet, die von der Beklagten bezahlte Vergütung sei unzureichend gewesen, weil sie nicht den für „feste Biomasse“ nach § 7 Abs 1 der Verordnung über die Festsetzung der Preise für die Abnahme elektrischer Energie aus Ökostromanlagen (BGBl II 2002/508 [EinspeisetarifV 2002]) geltenden Tarif verrechnet habe, sondern den geringeren für „Abfall mit hohem biogenen Anteil“. Hauptlieferant der Rinde sei das am selben Standort betriebene Sägewerk; nur ein kleiner Teil sei von Drittlieferanten aus der Papier- und Zellstoffindustrie sowie von einem Sägebetrieb, also von mit der Forstwirtschaft funktional eng und unmittelbar verbundenen Industriezweigen, gekauft worden.

Die Beklagte bestritt und wendete ua ein, die Rinde sei nicht als Biomasse zu qualifizieren, ua weil keine der Lieferantinnen einem mit der Forstwirtschaft verbundenen Industriezweig zuzurechnen seien. Ab 1. Juli 2012 sei das ÖSG 2012 anzuwenden, das zu einer Änderung der Legaldefinitionen mit der Konsequenz geführt habe, dass Brennstoffe trotz ihrer Qualifikation als Biomasse dennoch mit dem niedrigeren Tarif zu vergüten seien.

Unstrittig ist die Geltung eines vor dem 16. März 2013 geschlossenen Vertrags über die Annahme und Vergütung von Ökostrom zwischen den Streitteilen auch für die Jahre 2011, 2012 und 2013. Unbestritten blieben die Klagebehauptungen, wonach der Ökostromanlage die für die Errichtung notwendige Genehmigung am 9. März 2004 erteilt und die Anlage am 1. Juni 2005 in Betrieb genommen wurde.

Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von 950.190,55 EUR samt 4 % Zinsen seit 16. Juni 2014 statt und wies das Mehrbegehren an Kapital (1.008.902,38 EUR) und Zinsen ab.

Es ging von folgendem Sachverhalt aus: Die Klägerin betrieb in den Jahren 2011, 2012 und 2013 am Standort des Biomassekraftwerks auch ein Sägewerk und ein Pelletierungswerk. Das in das Sägewerk gelieferte Rundholz stammt zu 100 % von größeren und kleineren Waldbesitzern. Bevor das Rundholz im Sägewerk geschnitten werden kann, ist eine Entrindung durchzuführen. Die biologischen Abfälle (Rinde) aus dem Sägewerk wurden mittels Förderbändern gleich in das benachbarte Biomassekraftwerk verbracht, verbrannt und zur Stromerzeugung genutzt. Aus dem Sägewerk wurden folgende Mengen an Rinde an das Biomassekraftwerk geliefert: Im Jahr 2011 an Rinde 242.725,28 Schüttraummeter (srm), im Jahr 2012 an Rinde 229.833,64 srm und im Jahr 2013 an Rinde 216.066,83 srm. Wenn der daraus gewonnene Strom nicht zu dem von der Beklagten angewendeten, sondern mit dem Tarif gemäß § 7 Abs 1 EinspeisetarifV 2002 verrechnet wird, ergibt diese Menge an Rinde einen Nachforderungsbetrag der Klägerin gegenüber der Beklagten von 1.856.445,04 EUR (aufgeschlüsselt nach Jahren: 2011 638.093,20 EUR, 2012 624.194,69 EUR und 2013 594.157,16 EUR).

Darüber hinaus wurde die im Kraftwerk verwendete Rinde zu einem geringen Teil nicht vom Sägewerk am Standort des Biomassekraftwerks bezogen, sondern von anderen Lieferanten (worauf vom Klagebetrag nur 102.647,89 EUR entfallen), und zwar einer als Holzgroßhändlerin tätigen Holzeinkauf-GmbH, deren Gesellschafter mehrere Unternehmen aus der Papier- und Zellstoffindustrie sind, deren Einkaufsgesellschaft sie ist, und die ein Bindeglied zwischen Waldbesitzern und der holzverarbeitenden Industrie darstellt, weiters einer Sägewerk-Holzexport GmbH sowie einer Papierfabrik KG. Die beiden letztgenannten Unternehmen betreiben neben der Herstellung von Schnittholz (Sägewerk) und Papier, Pappe, Zellstoff (Papierfabrik) auch einen Handel mit Holz. „Nicht festgestellt werden kann, ob die Rinde, die die klagende Partei von diesen beiden letztgenannten Unternehmen bezogen hat, nicht auch zu gewissen Teilen aus dem Holzhandel stammt.“

Die klagegegenständlichen Forderungen wurden gegenüber der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 2. Juni 2014 geltend gemacht.

Rechtlich folgerte der Erstrichter, bis einschließlich 30. Juni 2012 (bis zum Inkraftreten des ÖSG 2012) habe die Vergütung entsprechend der E 3 Ob 66/13x nach dem ÖSG 2002 und § 7 Abs 1 der EinspeisetarifV 2002 zum höheren Tarif zu erfolgen; allerdings erfülle Biomasse, die aus dem Holzgroßhandel bezogen werde, die Anforderungen nicht. Die Holzeinkauf GmbH, die über keine eigene Produktion verfüge, sei aber als Holzgroßhändlerin anzusehen. Da auch nicht ausgeschlossen werden könne, dass die von den beiden weiteren Lieferantinnen bezogene Rinde aus deren Holzhandel stamme, könnten nur die Lieferungen von Rinde aus dem Sägewerk am Standort der Ökostromanlage berücksichtigt werden, weil die Sägeindustrie eine funktional enge und unmittelbare Verbindung zur Forstwirtschaft aufweise. Unerheblich sei aber, ob – wie hier – neben einem Sägewerk auch weitere Anlagen betrieben würden. Für den Zeitraum bis Ende Juni 2012 seien daher (erkennbar: für 2011 638.093,20 EUR und für das 1. Halbjahr 2012 [624.194,69 : 2 =] 312.097,35 EUR, zusammen daher) 950.190,55 EUR zuzusprechen.

Für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis Ende 2013 sei von der Geltung des ÖSG 2012 und der EinspeisetarifV 2012 auszugehen, wonach keine Nachforderung der Klägerin bestehe. Abzuweisen seien daher die geforderten Beträge für die 2. Hälfte des Jahres 2012 (312.097,35 EUR) und für das Jahr 2013 (594.157,16 EUR), zusammen also 906.254,51 EUR (Die Differenz zum im Ersturteil abgewiesenen Kapital von 1.008.902,38 EUR macht 102.647,87 EUR aus und betrifft unstrittig die Nachforderung aus den Zukäufen von den Drittlieferanten).

Der Beginn des Zinsenlaufs sei wegen der gesetzten Zahlungsfrist von 14 Tagen mit 16. Juni 2014 anzusetzen. Da sich die Beklagte auf eine vertretbare Rechtsansicht gestützt habe, seien nur Zinsen von 4 % gemäß § 1000 Abs 1 ABGB zu zahlen (§ 456 3. Satz UGB).

Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht gab beiden Berufungen jeweils teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es der Klage mit 1.959.092,93 EUR samt 7,88 % Zinsen seit 17. Oktober 2014 stattgab und das Zinsenmehrbegehren abwies.

Da die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung (noch) ausreichend seien, sei die Klägerin mit ihrer Beweisrüge auf Nachstehendes zu verweisen; das gelte auch für die von beiden Parteien geltend gemachten Mängelrügen.

Die Entscheidung des Erstgerichts sei vor der Veröffentlichung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 10 Ob 65/18h ergangen, in der zur Rechtslage nach dem ÖSG 2008 (jedoch nicht nach dem ÖSG 2012 = Zeitraum ab 1. Juli 2012) Stellung genommen und ausgesprochen worden sei, dass für die Frage, ob ein Abfallstoff als „Biomasse“ nach dem höheren oder als „Abfall mit hohem biogenen Anteil“ nach dem niedrigeren Tarif der EinspeisetarifV zu vergüten sei, auch die Herkunft des Abfalls entscheidend sei und nicht ausschließlich die Zuordnung einer fünfstelligen Schlüsselnummer. Wenn die verwerteten Abfälle die Definition von („reiner“) fester Biomasse erfüllten, stehe die (höhere) Gebühr nach § 7 Abs 1 EinspeisetarifV zu. Somit könne sich das Berufungsgericht darauf beschränken, „dass es die Rechtsansicht des Erstgerichts, was den Zeitraum bis 30. 6. 2012 betrifft, für zutreffend hält (§ 500a ZPO)“. Auch nach der Gesetzesänderung durch das ÖSG 2012 habe sich nichts daran geändert, dass ua Rinde weiter unter den Begriff Biomasse falle. Auch ab Juli 2012 habe die Klägerin daher Anspruch auf den höheren Tarif nach der EinspeisetarifV. Zur Frage, ob der Industriezweig, aus dem das Brennmaterial stamme, mit der Forstwirtschaft verbunden sei, sei bereits entschieden worden, dass es dabei nicht darauf ankomme, ob das Unternehmen, das ein Sägewerk betreibe, daneben auch andere Tätigkeiten entfalte (10 Ob 65/18h); weiters komme es nur auf die biologische Abbaubarkeit an. Dies führe im Ergebnis dazu, dass die Rinde aus den Jahren 2011, 2012 und 2013 – unabhängig ob das ÖSG 2002 idF BGBl I 2008/114 oder das ÖSG 2012 anzuwenden sei – als Biomasse zu vergüten sei. Dem Klagebegehren sei daher vollinhaltlich stattzugeben.

Der Rechtsrüge der Beklagten zum Zinsenlauf sei teilweise zu folgen: Wegen eines rechtlichen Feststellungsmangels sei auf Basis der Beilage ./O nachstehende Feststellung ergänzend zu treffen: „Die Klägerin übermittelte mit Mail vom 16. 10. 2014 der Beklagten eine von ihr vorgefertigte Eigenerklärung über die zum Einsatz gelangten Brennstoffmengen der Jahre 2011, 2012 und 2013.“ Erst damit sei die Klägerin dem Ersuchen der Beklagten um Nachweis der Herkunft der Brennstoffe nachgekommen. Aufgrund der die Klägerin treffenden Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht (nach den Allgemeinen Bedingungen der Ökostromabwicklungsstelle [„AB-ÖKO“]) sei erst dadurch die Fälligkeit der Forderungen eingetreten. Der Zinsenlauf beginne daher erst am 17. Oktober 2014.

§ 352 UGB aF sei anzuwenden, weil der Vertrag zwischen den Parteien (vgl § 15 ÖSG) jedenfalls vor dem 16. März 2013 geschlossen worden sei (vgl § 906 Abs 25 UGB idF BGBl I 2013/50). Daher stehe der Klägerin der – der Höhe nach nicht näher bestrittene – Zinssatz von 7,88 % nach § 352 UGB aF zu.

Da die in diesem Verfahren relevanten Rechtsfragen bereits Gegenstand von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs gewesen seien, sei die ordentliche Revision nicht zulässig.

Die Beklagte erhob eine außerordentliche Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils zum Kapital und durch Reduzierung des Zinsenzuspruchs um 0,5 % aus 950.190,55 EUR ab 1. Juli 2016; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die erhebliche Rechtsfrage erblickt die Beklagte in der Auslegung der Bestimmungen des ÖSG 2012, zu der noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Das Berufungsurteil werde wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wegen Verstoßes gegen § 405 ZPO insofern angefochten, als dem Klagebegehren für den Zeitraum ab Inkrafttreten des ÖSG 2012 am 1. Juli 2012 stattgegeben wurde. Zum Zeitraum davor werde es nur insoweit angefochten, als Nachforderungen für zugekaufte Rinde betroffen seien. Weiters werde die Höhe der zugesprochenen Zinsen bekämpft.

Die Klägerin fordert in der freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren sind (nur mehr) folgende Rechtsfragen zu klären:

- Ob die Rechtsgrundlage für die Vergütung durch das Inkrafttreten des ÖSG 2012 am 1. Juli 2012 (BGBl I 2011/75) für die hier geltend gemachten Nachforderungen geändert wurde, dies mit der Folge, dass seither die Vergütung von Rinde nach dem höheren Tarif für Biomasse ausgeschlossen ist; die Beklagte vertritt die Geltung der neuen Rechtslage auch für die hier gegenständlichen Nachforderungen ab 1. Juli 2012, während die Klägerin (schon in der Berufung) auf die Übergangsbestimmungen zum ÖSG 2012 verweist, wonach die Weitergeltung der Rechtslage vor dem 1. Juli 2012 für die hier betroffene Anlage angeordnet sei.

Ob die klagende Betreiberin einer Ökostromanlage für die Verfeuerung von Rinde in den Jahren 2011, 2012 und 2013 Anspruch auf Vergütung nach dem höheren Tarif für „feste Biomasse“ hat, obwohl die Rinde nicht im Sägewerk, von dem das klägerische Biomassekraftwerk beliefert wird, angefallen ist, sondern von der Klägerin von (auch) im Holzhandel tätigen Unternehmen zugekauft wurde; während die Klägerin darauf abstellt, ob die Rinde in verbundenen Industriezweigen angefallen ist, wozu sie die Papier- und Zellstoffindustrie zählt, hält die Beklagte an der Rechtsansicht des Erstgerichts fest. Der Umstand, dass die Beklagte den Zuspruch der Nachforderung für die Zeit vom 1. Jänner 2011 bis 30. Juni 2012 für aus dem Sägewerk am Standort der Ökostromanlage bezogene Rinde nicht bekämpft, bedeutet, dass sie deren Vergütung nach dem höheren Tarif nach der Rechtslage vor dem 1. Juli 2012 nicht mehr in Frage stellt.

Schließlich ist die Höhe des Zinssatzes ab 1. Juli 2016 zu klären, weil die Beklagte einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 405 ZPO darin erblickt, dass der für den Zeitraum ab 30. Juni 2016 zugesprochene Zinssatz von 7,88 % niemals begehrt worden sei, sondern nur 7,38 %.

Der Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Mit der im ÖSG 2012 enthaltenen Übergangsbestimmung hat sich der Senat erst vor kurzem auseinandergesetzt (3 Ob 75/19d):

1.1. § 56 Abs 1 Satz 1 ÖSG 2012 sieht vor, dass für die bestehenden Anlagen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes über einen aufrechten Vertrag mit der Ökostromabwicklungsstelle verfügen, soweit nichts Gesondertes bestimmt wird, die jeweiligen bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften weiter gelten. § 57 Abs 1 ÖSG 2012 ordnet an, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, soweit nichts anderes bestimmt wird, mit dem nach Ablauf einer viermonatigen Frist, beginnend mit der Genehmigung oder Nichtuntersagung durch die Europäische Kommission gemäß Art 108 Abs 3 AEUV, folgenden Quartalsersten in Kraft treten (das war der 1. Juli 2012 [K BGBl I 2012/11]) und gleichzeitig damit die Bestimmungen des ÖSG, BGBl I 2002/149, idF BGBl I 2009/104, soweit nichts anderes bestimmt wird, außer Kraft treten. Damit ist klargestellt, dass für die am 1. Juli 2012 bestehenden Anlagen, die damals über einen aufrechten Vertrag mit der beklagten Ökostromabwicklungsstelle verfügten, die am 30. Juni 2012 bestehende Rechtslage grundsätzlich unverändert bleibt.

1.2. Da der aufrechte Bestand des zwischen den Streitteilen geltenden Vertrags über die Abnahme und Vergütung von Ökostrom in den Jahren 2011, 2012 und 2013 für die schon lange bestehende Anlage nie strittig war, bewirkt die Übergangsbestimmung des § 56 Abs 1 Satz 1 ÖSG (auch) für die hier gegenständliche Ökostromanlage die Weitergeltung der Gesetzeslage vor dem 1. Juli 2012 und damit auch der damaligen Begriffsbestimmungen.

1.3. Damit korrespondiert die aufgrund des § 11 ÖSG 2002 erlassene EinspeisetarifV 2002, deren Anwendungsbereich sich auf die Festsetzung von Preisen für die Abnahme elektrischer Energie aus sonstigen Ökostromanlagen (§ 5 Abs 1 Z 12 ÖSG 2002) erstreckt, denen nach dem 31. Dezember 2002 die für die Errichtung notwendigen Genehmigungen erteilt wurden (§ 1 Abs 1 Z 2). Die Verordnung gilt gemäß § 1 Abs 2 nur für Neuanlagen, für die bis 31. Dezember 2004 alle für die Errichtung notwendigen Genehmigungen vorlagen und die bis 30. Juni 2006 in Betrieb gingen. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt (9. März 2004/1. Juni 2005). Gemäß deren § 2 gelten die in der Verordnung enthaltenen Preise (Tarife) für die Abnahme elektrischer Energie durch Ökobilanzgruppenverantwortliche für einen Zeitraum von 13 Jahren ab Inbetriebnahme der Anlage, also auch für die hier gegenständlichen Jahre. Der Oberste Gerichtshof hat auch schon festgehalten, dass der Anwendungsbereich der in weiterer Folge zum ÖSG 2002 ergangenen Ökostromverordnungen BGBl II 2006/401, II 2008/59, II 2009/53, II 2010/42 und II 2011/25 jeweils Ökostromneuanlagen betrifft, die auf Basis von fester Biomasse und Abfällen mit hohem biogenen Anteil betrieben werden, die nach dem 31. Dezember 2007 in Betrieb gingen (jeweils § 1 Abs 2 Z 2 der V), sodass auch insofern keine Überschneidungen vorliegen (10 Ob 65/18h).

1.4. Auf die in § 56 Abs 1 Satz 2 ÖSG angeordnete parallele Geltung einiger ausdrücklich genannter Bestimmungen des ÖSG 2012 muss (auch) hier nicht eingegangen werden, weil davon jene Normen des ÖSG 2012, auf die sich die Beklagte in ihrer Argumentation beruft (§ 5 Abs 1 Z 1 und 7 sowie § 20 Abs 4 Z 4 [?]) nicht betroffen sind.

1.5. Darauf, dass die neuen Begriffsbestimmungen des ÖSG 2012, mit denen die Beklagte ihren Standpunkt begründet, somit auf den Zeitraum von 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2013 im vorliegenden Prozess gar nicht anzuwenden sind, hat die Klägerin bereits in ihrer Berufung hingewiesen, wozu die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung Stellung nahm. Da sie darauf in ihrer Revision nicht mehr zurückkommt, erübrigen sich weitere Ausführungen dazu.

1.6. Daher sind die Nachforderungen der Klägerin für alle drei Jahre nach der Rechtslage vor dem 1. Juli 2012 zu beurteilen.

2. Der auf dieser Rechtsgrundlage erfolgte Zuspruch für die aus dem Sägewerk am Standort des Biomassekraftwerks im Jahr 2011 und im ersten Halbjahr 2012 gelieferte Rinde blieb von der Beklagten in der Revision unbekämpft und auch inhaltlich unbeanstandet. Somit besteht die Nachforderung der Klägerin für alle drei Jahre im Gesamtausmaß von 1.856.445,04 EUR (aufgeschlüsselt nach Jahren: 638.093,20 EUR für 2011, 624.194,69 EUR für 2012 und 594.157,16 EUR für 2013) zu Recht, weshalb das Berufungsurteil insofern im Ergebnis zu bestätigen war.

3. Auch zur für die Qualifikation als „Biomasse“ geforderten Herkunft des Brennstoffs liegt bereits Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor.

3.1. Zum ÖSG 2002 idF vor dem Inkrafttreten der 2. Ökostromgesetz-Novelle wurde ausgesprochen, dass für die Frage der Definition von „Biomasse“ in § 5 Abs 1 Z 4 ÖSG BGBl I 2002/149 die Novellierung durch BGBl I 2006/105 keine Rolle spielt (3 Ob 66/13x). Auch weitere ÖSG‑Novellen, und zwar jene aus dem Jahr 2007, BGBl I 2007/10, die beiden aus dem Jahr 2008, BGBl I 2008/44 und BGBl I 2008/114, sowie jene aus 2009, BGBl I 2009/104, brachten im hier relevanten Zusammenhang keine Veränderungen der Rechtslage (10 Ob 65/18h).

3.2. Nach den beiden genannten, auch hier einschlägigen Entscheidungen ist zu klären, ob die strittigen Abfälle zur Gänze oder anteilsmäßig die Kriterien der Definition für (feste) Biomasse erfüllen, und zwar gänzliche biologische Abbaubarkeit und die Herkunft der Abfälle aus der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft oder damit verbundener Industriezweige. Die „verbundenen Industriezweige“ dürfen nicht nur in einem losen Zusammenhang mit der Land- oder Forstwirtschaft stehen, sondern es muss eine funktional enge und unmittelbare Verbindung des vom Lieferanten betriebenen Industriezweigs mit der Land- oder Forstwirtschaft bestehen. In diesem Sinn ist der Holzgroßhandel kein mit der Land- oder Forstwirtschaft „verbundener Industriezweig“, ebenso wenig die Tischlereiindustrie und Spanplattenindustrie, wohl aber beispielsweise die Sägeindustrie (und aus Gleichheitsgründen auch das Sägegewerbe) oder Ölmühlen, die landwirtschaftliche Erzeugnisse unmittelbar aus dem Bereich der Landwirtschaft erwerben und verarbeiten (3 Ob 66/13x; 10 Ob 65/18h).

3.3. Die gänzliche biologische Abbaubarkeit der an das Biomassekraftwerk gelieferten Rinde in den Jahren 2011, 2012 und 2013 stellt die Beklagte nicht (mehr) in Frage; strittig ist (nur), ob die Zukäufe von Rinde von der Holzeinkauf GmbH, der Sägewerk-Holzexport GmbH und der Papierfabrik KG der Anforderung der Herkunft der Abfälle aus der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft oder damit verbundener Industriezweige entsprechen.

3.4. Da es sich bei der Holzeinkauf GmbH um eine Holzgroßhändlerin handelt, erfüllt die von ihr bezogene Rinde nach der dargestellten Judikatur nicht die Kriterien von „Biomasse“ iSd ÖSG 2002. In diesem Sinn hat die Klägerin schon in erster Instanz, worauf sie in der Revisionsbeantwortung hinweist, die Nachforderung für die Rinde, die von näher genannten „Handelsunternehmen“ angekauft wurde, fallen gelassen.

3.5. Nichts anderes gilt für die von der Sägewerk-Holzexport GmbH und der Papierfabrik KG, die ebenfalls im Holzhandel tätig sind, erworbene Rinde. Die oben unterstrichen wiedergegebene Negativfeststellung des Erstgerichts kann nämlich angesichts seiner darauf aufbauenden Rechtsansicht sinnvoll nur dahin verstanden werden, dass unklar blieb, ob die Rinde aus der Handelstätigkeit der beiden Lieferantinnen stammt oder bei der von ihnen vorgenommenen Verarbeitung des Rundholzes angefallen ist. Da die Herkunft der Abfälle aus der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft oder damit verbundener Industriezweige Voraussetzung für den von der Klägerin erhobenen Anspruch ist, trifft sie für diesen, für ihren Rechtsstandpunkt günstigen, weil anspruchsbegründenden Umstand die Beweislast (RS0106638 ua), weshalb Unklarheiten dazu zu ihren Lasten gehen. Das bedeutet, dass hier im Zweifel davon auszugehen ist, dass der Erwerb auch dieser Rinde aus dem Holzhandel erfolgte.

Schon begrifflich scheidet es aber aus, den „Holzhandel“ als verbundenen „Industriezweig“ anzusehen (idS schon 3 Ob 66/13x). Der in diesem Zusammenhang von der Klägerin in der Berufung reklamierten ergänzenden Feststellungen (zur Verbindung der Holzeinkauf GmbH und der Papierfabrik KG mit der Forstwirtschaft) bedarf es daher nicht.

3.6. Allerdings wurde diese Negativfeststellung von der Klägerin in ihrer Berufung mit einer Beweisrüge bekämpft, deren Behandlung das Berufungsgericht für entbehrlich erachtete. Das steht einer Berücksichtigung dieser Negativfeststellung nicht entgegen, weil die begehrte Ersatzfeststellung („Sägewerke verwenden die in ihren Entrindungsanlagen anfallende Rinde entweder selbst zur eigenen Wärme- oder Stromerzeugung [wie hier zB die Klägerin] oder sie verkaufen diese Rinde an Betreiber von Biomassekesseln.“) keine Aussage über das hier einzig relevante konkrete Vorgehen der Sägewerk-Holzexport GmbH trifft. Die angestrebte Ersatzfeststellung steht also mit der bekämpften Negativfeststellung nicht im Widerspruch; als ergänzende Feststellung fehlt ihr aber die rechtliche Relevanz.

3.7. Das Argument der Klägerin, relevant sei nicht, wer der jeweilige Verkäufer des Brennstoffs gegenüber dem Kraftwerksbetreiber war, sondern vielmehr, woher der Brennstoff ursprünglich stammt, welchen Ursprung er also hat, überzeugt nicht. Wäre „Herkunft“ in diesem Sinn zu verstehen, hätte sich die Ergänzung um „verbundene Industriezweige“ erübrigt, weil zB Baumrinde in welcher Gestalt auch immer ihren Ursprung stets in der Land- oder Forstwirtschaft hat. Herkunft ist daher im gegebenen Zusammenhang im Sinn von unmittelbarer Bezugsquelle zu verstehen.

3.8. Das Erstgericht hat deshalb die Nachforderung, soweit sie sich auf Zukäufe von außerhalb des am Standort des Biomassekraftwerks betriebenen Sägewerks gründet, zutreffend abgewiesen. Das betrifft einen Teilbetrag von 102.647,89 EUR (davon entfallen 48.702,44 EUR für 2011, 30.203,01 EUR für 2012 und 23.742,43 EUR für 2013) und erfordert die Abänderung des Berufungsurteils in diesem Sinn.

4. Zum Zinsenzuspruch, der hinsichtlich der Verkürzung durch das Berufungsgericht von der Klägerin unbekämpft blieb, zeigt die Beklagte zutreffend auf, dass das Berufungsgericht der Klägerin zum Teil einen höheren Zinssatz als von ihr begehrt zugesprochen hat. Sie forderte nämlich für alle drei Teilbegehren seit 1. Juli 2016 einen Zinssatz von nur 7,38 %. Das Berufungsurteil, das der Klägerin 7,88 % Zinsen durchgehend seit 17. Oktober 2014 zuspricht, war daher auch dazu entsprechend abzuändern.

5. Die Kostenentscheidung zum erst- und zweitinstanzlichen Verfahren war dem Berufungsgericht vorzubehalten (RS0124588).

In dritter Instanz unterlag die Klägerin nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen, keine besonderen Kosten veranlassenden Teil und hat daher Anspruch auf vollen Kostenersatz nach §§ 43 Abs 2, 50 ZPO. Das Kostenverzeichnis der Klägerin war aber zu korrigieren (ERV‑Beitrag nur 2,10 EUR; keine Pauschalgebühr).

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