OGH 3Ob75/19d

OGH3Ob75/19d29.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.‑Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B***** GmbH, und 2. K***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Reinhard Schanda, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei O***** AG, *****, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.825.256,90 EUR (Erstklägerin) und 485.920,88 EUR (Zweitklägerin), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 1.342.849,53 EUR bzw 362.260,96 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Februar 2019, GZ 133 R 98/18m‑43, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00075.19D.0829.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Den Gegenstand des Verfahrens bildet die Rechtsfrage, wie die von den klagenden Betreiberinnen von Ökostromanlagen bei der Produktion von Ökostrom in den Jahren 2012 und 2013 eingesetzten Brennstoffe Rinde und Sägespäne von der für die Ökostromförderabwicklung nach dem Ökostromgesetz (ÖSG) verantwortlichen Beklagten tariflich zu entlohnen sind.

In einem Parallelprozess zwischen denselben Parteien betreffend die identen Ökostromanlagen und die identen, allerdings in den Kalenderjahren 2010 und 2011 eingesetzten Brennstoffe, beantwortete der Oberste Gerichtshof diese Rechtsfrage mit Urteil vom 20. November 2018 zu AZ 10 Ob 65/18h auf der Basis des ÖSG 2002 idF der 2. ÖSG‑Novelle 2008 (BGBl I 2008/114; die ÖSG‑Novelle 2009 brachte im hier relevanten Zusammenhang keine Veränderung der Rechtslage) und der Verordnung über die Festsetzung der Preise für die Abnahme elektrischer Energie aus Ökostromanlagen, BGBl II 2002/508 (EinspeisetarifV 2002) mit eingehender Begründung dahin, dass die genannten Brennstoffe nach dem höheren Tarif für „feste Biomasse“ nach § 7 Abs 1 EinspeistarifV 2002 zu vergüten sind (10 Ob 65/18h [P 6.3 und 6.4]).

Diesem Ergebnis entsprechen auch die Entscheidungen der Vorinstanzen im vorliegenden Verfahren; was die Beklagte dazu veranlasste, das Berufungsurteil unter Hinweis auf die erst während des Berufungsverfahrens ergangene Entscheidung 10 Ob 65/18h für die Zeit „von 1. 1. 2012 bis 1. 7. 2012“ unbekämpft zu lassen, weil in diesem zeitlichen Umfang auch für den klagegegenständlichen Zeitraum noch dieselbe Rechtslage maßgeblich ist. Nach dem in der Revision vertretenen Standpunkt der Beklagten sei aber danach das am 1. Juli 2012 in Kraft getretene ÖSG 2012, BGBl I 2011/75, anzuwenden. Die Begriffsdefinitionen in Bezug auf Biomasse (§ 5 Abs 1 Z 7 ÖSG 2012) und in Bezug auf Abfall mit hohem biogenen Anteil (§ 5 Abs 1 Z 1 ÖSG 2012) sei aber durch das ÖSG 2012 maßgebend im Verhältnis zur vorangegangenen Rechtslage geändert worden. Dazu sei erstmals eine gesonderte tarifliche Behandlung des „biologisch abbaubaren Anteils von Abfall mit hohen biogenen Anteil“ ausdrücklich angeordnet worden, was eine klare gesetzliche Abgrenzung zum Fördertarif für Biomasse darstelle und dem in den Gesetzesmaterialien offengelegten Willen des Gesetzgebers entspreche. Daraus folge, dass „der biologisch abbaubare Anteil von Abfall mit hohem biogenen Anteil“ ausschließlich zu dem für solche Brennstoffe vorgesehenen und verordneten (niederen) Fördertarif zu vergüten sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte vermag in ihrer außerordentlichen Revision damit aber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weil das ÖSG 2012 eine klare Übergangsbestimmung enthält, die die Anwendung der hier relevanten und geänderten Bestimmungen des ÖSG 2012 im vorliegenden Prozess ausschließt (RS0042656):

1.  § 56 Abs 1 Satz 1 ÖSG 2012 sieht vor, dass für die bestehenden Anlagen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes über einen aufrechten Vertrag mit der Ökostromabwicklungsstelle verfügen, soweit nichts Gesondertes bestimmt wird, die jeweiligen bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften weiter gelten. § 57 Abs 1 ÖSG 2012 ordnet an, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, soweit nichts anderes bestimmt wird, mit dem nach Ablauf einer viermonatigen Frist, beginnend mit der Genehmigung oder Nichtuntersagung durch die Europäische Kommission gemäß Art 108 Abs 3 AEUV, folgenden Quartalsersten in Kraft treten (das war der 1. Juli 2012 [K BGBl I 2012/11]), und gleichzeitig damit die Bestimmungen des ÖSG, BGBl I 2002/149, idF BGBl I 2009/104, soweit nichts anderes bestimmt wird, außer Kraft treten.

2.  Damit ist klargestellt, dass für die am 1. Juli 2012 bestehenden Anlagen, die damals über einen aufrechten Vertrag mit der beklagten Ökostromabwicklungsstelle verfügten, die am 30. Juni 2012 bestehende Rechtslage unverändert bleibt. Da der aufrechte Bestand der festgestellten, zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Verträge über die Abnahme und Vergütung von Ökostrom auch in den Jahren 2012 und 2013 nie strittig war, erfasst die Übergangsbestimmung des § 56 Abs 1 Satz 1 ÖSG (auch) die hier gegenständlichen Ökostromanlagen im noch relevanten Zeitraum. Auf die in § 56 Abs 1 Satz 2 ÖSG angeordnete parallele Geltung einiger Bestimmungen des ÖSG 2012 muss hier nicht eingegangen werden, weil davon jene Normen des ÖSG 2012, auf die sich die Beklagte beruft (§ 5 Abs 1 Z 1 und 7 sowie § 20 Abs 4 Z [richtig:] 2) nicht betroffen sind.

3.  Darauf, dass die neuen Begriffsbestimmungen des ÖSG 2012, mit denen die Beklagte ihren Standpunkt begründet, somit auf den Zeitraum von 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2013 im vorliegenden Prozess gar nicht anzuwenden sind, haben die Klägerinnen bereits in ihrer Berufungsbeantwortung hingewiesen. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher ohne weitere Erörterung der den Parteien ohnehin bekannten Entscheidung 10 Ob 65/18h, die in der Revision ebenfalls nicht kritisiert wird, zurückzuweisen, weil darin die auch hier zu lösende Rechtsfrage auf Basis der identen Rechtslage bereits geklärt wurde.

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