OGH 10ObS29/20t

OGH10ObS29/20t16.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Gabriele Svirak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1 (zuvor Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstraße 77), wegen Familienzeitbonus, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. Dezember 2019, GZ 12 Rs 112/19 f‑14, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E128134

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

1. Der Anspruch des Vaters auf Familienzeitbonus setzt unter anderem voraus, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG) und sich der Vater im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 iVm Abs 4 FamZeitbG).

2. Während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind nach der Geburt liegt kein gemeinsamer Haushalt im Sinn des § 2 Abs 3 FamZeitbG vor, weil in dieser Zeit die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt wird (10 ObS 109/18d; SSV‑NF 32/67; RIS‑Justiz RS0132377). Dies gilt auch bei einem gemeinsamen Aufenthalt der Familie in einem Familienzimmer des Geburtskrankenhauses (10 ObS 101/19d, RS0132377 [T1]).

3. Mit der Novelle zum FamZeitbG BGBl I 2019/24 wurde mit § 2 Abs 3a FamZeitbG eine – auf Geburten nach dem 31. 12. 2018 anzuwendende (§ 12 Abs 3 FamZeitbG) – Ausnahmebestimmung geschaffen, nach der ausnahmsweise der gemeinsame Haushalt im Sinn des § 2 Abs 3 FamZeitbG angenommen wird, wenn bei einem medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalt des Kindes dieses durch den Vater und den anderen Elternteil im Mindestausmaß von jeweils durchschnittlich vier Stunden täglich persönlich gepflegt und betreut wird. Die Gesetzesmaterialien (AB 494 BlgNR 26. GP  2) nennen als Beispiel eines medizinisch erforderlichen Krankenhausaufenthalts eine schwere Erkrankung des Kindes oder den Fall eines „Frühchens“.

4. Die Voraussetzungen für diese Ausnahme sind hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht verwirklicht. Das Kind wurde am 13. 1. 2019 gesund geboren. Der stationäre Aufenthalt von Mutter und Kind ab der Geburt bis 21. 1. 2019 war durch eine Erkrankung der Mutter, nicht aber des Kindes medizinisch indiziert. Wenn der Revsionswerber im Zusammenhang mit einer angeblichen Erkrankung des Kindes einen Verfahrensmangel erster Instanz erneut geltend macht, so ist dies nicht zulässig (RIS‑Justiz RS0043111). Dass das Kind von der Mutter gestillt wurde und deshalb bei ihr im Geburtskrankenhaus blieb, ist einer Erkrankung (im Sinn einer Gesundheitsstörung) des Kindes, die dessen stationären Aufenthalt medizinisch indiziert, nicht gleichzusetzen.

5. Der Oberste Gerichtshof hat zwar erst jüngst zu 10 ObS 147/19v ausgesprochen, dass im Fall eines unvorhersehbaren, medizinisch erforderlichen stationären Krankenhausaufenthalts des „anderen Elternteil“ während der Familienzeit des Vaters (weiterhin) ein gemeinsamer Haushalt im Sinn des § 2 Abs 1 Z 3, Abs 3 FamZeitbG vorliegt. Dieser Entscheidung lag jedoch eine andere Konstellation zugrunde, die eine differenzierte Beurteilung des Vorliegens eines gemeinsamen Haushalts erforderte. Nach Entlassung von Mutter und Kind aus dem Geburtskrankenhaus wohnte die gesamte Familie zunächst gemeinsam während der Familienzeit des Vaters in einem Haushalt, bis die Mutter aufgrund einer Erkrankung unvorhergesehen wieder stationär aufgenommen werden musste. Während ihres Krankenhausaufenthalts kümmerte sich der Vater in seiner Familienzeit ausschließlich und intensiv um das Kind. Die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft wurde daher tatsächlich mit der Absicht aufgenommen, sie dauernd fortzusetzen, und durch den zeitlich begrenzten Krankenhausaufenthalt der Mutter, des anderen Elternteils, nur vorübergehend aufgehoben.

6. Die Familienzeit und der beantragte Bezugszeitraum müssen sich decken. Die Familienzeit darf nicht kürzer dauern als der gewählte Familienzeitbonus‑Anspruchszeitraum (10 ObS 109/18d; SSV‑NF 32/67; 10 ObS 147/19v).

7. Der Familienzeitbonus wurde vom 15. 1. bis 14. 2. 2019 beansprucht. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die Anspruchsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts sei nicht für den gesamten Anspruchszeitraum verwirklicht, entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Stichworte