OGH 14Os25/20p

OGH14Os25/20p8.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in der Strafsache gegen S* D* und andere Angeklagte wegen Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten S* D* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. Oktober 2019, GZ 74 Hv 23/19x‑64, sowie dessen Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127995

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den M* D* und D* D* betreffenden Strafaussprüche aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten S* D* werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Diesem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden S* D* (zu 1 und 2), M* D* und D* D* (je zu 1) jeweils eines Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie in W* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz * W* als Verfügungsberechtigten der W* GmbH sowie der M* GmbH durch Täuschung über ihre Zahlungsfähigkeit und -willigkeit sowie die ihrer Mittäter unter Verwendung gefälschter Verdienstnachweise zum Abschluss von Kreditverträgen und zur Ausfolgung von Fahrzeugen, die unter Eigentumsvorbehalt der M* GmbH standen, verleitet, wodurch dieses Unternehmen einen 5.000 Euro übersteigenden Vermögensschaden erlitt, und zwar

(1) S* D*, M* D* und D* D* im einverständlichen Zusammenwirken als Mittäter am 22. November 2016 zur Ausfolgung eines Pkw Mercedes Benz C220 im Wert von 32.500 Euro, wobei ein gefälschter Verdienstnachweis der M* D*, die als Kaufinteressentin und Kreditwerberin auftrat, vorgelegt wurde;

2) S* D* im einverständlichen Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Mittäter * Y* am 25. November 2016 zur Ausfolgung eines PKW Mercedes Benz E 250 im Wert von 34.000 Euro, wobei ein gefälschter Verdienstnachweis des * Y*, der als Kaufinteressent und Kreditantragsteller auftrat, vorgelegt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S* D* ist nicht im Recht.

Die Mängelrüge bezieht den Vorwurf unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) der Feststellungen zur Verwendung einer gefälschten Gehaltsbestätigung der M* D* zwecks Täuschung des Verfügungsberechtigten der Geschädigten deutlich und bestimmt nur auf die dem Schuldspruch zu 1 zugrunde liegende Tat, ohne die Annahme der Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB in Ansehung des Schuldspruchs zu 2 in Frage zu stellen. Solcherart spricht sie mit Blick auf die gemäß § 29 StGB zu bildende Subsumtionseinheit keine entscheidende Tatsache an (Ratz in WK² StGB § 29 Rz 5 ff; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 401; RIS‑Justiz RS0113903, RS0120980).

Davon abgesehen ist es für die rechtliche Beurteilung des Täterverhaltens nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB irrelevant, wer den Verdienstnachweis, den die Angeklagten nach den unbekämpft gebliebenen weiteren Konstatierungen im einverständlichen Zusammenwirken und im Wissen um deren Fälschung und inhaltliche Unrichtigkeit zur Täuschung vorlegten (US 6 f), besorgte oder herstellte.

Entgegen dem weiteren Beschwerdeeinwand entspricht die Ableitung der – mit hinreichender Deutlichkeit getroffenen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19; 15 Os 61/05t; 11 Os90 /16v) – Feststellungen zu einem auf die Wertqualifikation nach § 147 Abs 2 StGB bezogenen Schädigungsvorsatz (US 7 f, 9) aus den – detailliert festgestellten (US 5 ff) – äußeren Tatumständen (US 14 f) den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen und ist daher unter dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst – erneut bloß in Bezug auf den Schuldspruch zu 1 – Feststellungen zu einer tatsächlich eingetretenen Vermögensschädigung der M* GmbH, legt aber nicht dar, aus welchem Grund solche – trotz der (aus Z 5) nicht erfolgreich bekämpften Konstatierungen zur subjektiven Tatseite und der rechtlichen Gleichwertigkeit von Tatvollendung und Versuch – für die Subsumtion nach §§ 146 f StGB erforderlich sein sollen (RIS‑Justiz RS0116565; vgl im Übrigen RS0122137, RS0122138).

Darüber hinaus lässt die Beschwerde prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) die Konstatierungen außer Acht, nach denen die inkriminierten Fahrzeuge, deren Wert zum Zeitpunkt ihrer Ausfolgung (zu 1) 32.500 Euro und (zu 2) 34.000 Euro betrug, zwar nach Fälligstellung der Kredite (in Realisierung eines zu Gunsten der finanzierenden Bank eingeräumten Eigentumsvorbehalts) eingezogen wurden, deren Verkauf aber (nur) Erlöse von(zu 1) 30.000 Euro und (zu 2) 19.000 Euro erbrachte, wobei zuvor lediglich im ersten Fall zwei Kreditraten in Höhe von jeweils 290,02 Euro bezahlt worden waren (US 7 ff iVm US 3). Damit hat das Erstgericht den tatsächlichen Eintritt eines – in ursächlichem Zusammenhang mit den Täuschungshandlungen, dem dadurch bedingten Irrtum der Getäuschten und deren Vermögensverfügung stehenden (US 6 ff; RIS‑Justiz RS0094536; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 15, 52) – insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Schadens (bei der M* GmbH; vgl dazu im Übrigen RIS‑Justiz RS0132241, RS0094502; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 59) mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt und ist solcherart in Ansehung des Angeklagten S* D*– trotz des konstatierten Eigentumsvorbehalts (vgl dazu gleich unten) – auch in Bezug auf die Qualifikation nach § 147 Abs 2 StGB zu Recht von Tatvollendung ausgegangen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass den M* D* und D* D* betreffenden (rechtskräftigen) Strafaussprüchen – von diesen Angeklagten nicht geltend gemachte – Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) anhaftet, die sich zu deren Nachteil auswirkt und demnach von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Entgegen der ersichtlich vom Erstgericht vertretenen Rechtsauffassung (US 15) tritt der Schaden (in Höhe der gesamten Kreditsumme) beim Kreditbetrug nur im Fall des gänzlichen Fehlens der Rückzahlungsfähigkeit des Kreditnehmers zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme bereits mit der Zuzählung der jeweiligen Darlehensvaluta (bei einem kreditfinanzierten Kauf mit Ausfolgung des Gegenstandes) ein, weil dieser von Anfang an jeweils nur eine wertlose, nicht realisierbare Forderung gegenübersteht (Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 130 f iVm Rz 91; RIS‑Justiz RS0128771).

Verwertbare Sicherheiten, wie hier ein – nicht nur realisierbarer, sondern auch tatsächlich realisierter (vgl erneut US 7 ff iVm US 3) – Eigentumsvorbehalt, schließen zwar per se weder den Eintritt eines Vermögensschadens noch einen darauf gerichteten Vorsatz aus, dürfen jedoch bei Ermittlung des objektiven Schadens nicht außer Betracht bleiben. Abzuziehen ist bei Gebrauchsgegenständen (wie hier etwa Kraftfahrzeugen) deren Verkehrswert, bei dessen Berechnung auf den nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten üblichen Zeitpunkt der Verwirklichung des Rückforderungsrechts oder, wenn die Rücknahme bereits erfolgt ist, auf deren Zeitpunkt abzustellen ist (Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 79, 83; Kert, SbgK § 146 Rz 301 iVm Rz 243; RIS‑Justiz RS0094151, RS0094626, RS0094388).

Ausgehend von den oben zitierten Feststellungen entstand der M* GmbH durch den – den Angeklagten M* D* und D* D* ausschließlich angelasteten – Betrug zum Schuldspruch zu 1 nach Abzug des Verkaufserlöses des Fahrzeugs kein 5.000 Euro übersteigender Schaden. Mit Blick auf die – auch hinsichtlich dieser Angeklagten hinreichend deutlichen – Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 7 f, 9, vgl auch US 15) liegt daher insoweit bloß Tatversuch vor, während das Erstgericht von Vollendung ausging (US 15) und demzufolge in offenbar unrichtiger Beurteilung der hiefür maßgeblichen Feststellungen (Strafzumessungstatsachen) den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB (vgl dazu Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 131) zu Unrecht nicht in Rechnung gestellt hat (US 16, RIS‑Justiz RS0122137).

Dies erfordert die Aufhebung des Urteils in den M* D* und D* D* betreffenden Strafaussprüchen bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) und insoweit die Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (vgl Ratz, WK‑StPO § 285i Rz 4 f; RIS‑Justiz RS0120606).

Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten S* D* kommt dem Oberlandesgericht Wien zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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