OGH 15Os61/05t

OGH15Os61/05t28.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fuchsloch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Renate F***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 27. Jänner 2005, GZ 12 Hv 30/04f-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Renate F***** (zu A./) des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB und (zu B./) des Vergehens (richtig: der Vergehen) der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie

A./ in Steyr mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte von Versandhäusern durch die Vorspiegelung, eine zahlungsfähige und -willige Kundin zu sein, unter Verwendung falscher Urkunden zur Lieferung von Waren verleitet, die diese in einem insgesamt 3.000 Euro nicht übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, wobei sie die teils schweren Betrugshandlungen in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

I./ in der Zeit von 27. November 2001 bis 19. September 2002 in einer Mehrzahl von Angriffen Verfügungsberechtigte der Versandhäuser Q***** AG, L***** R*****, N***** und H*****, Schaden insgesamt 1.981,03 Euro, wobei sie den Zustellschein über eine Paketausfolgung der Q***** AG am 18. Dezember 2001 mit dem Falschnamen „Regina F*****" unterfertigte,

II./ Verfügungsberechtigte des Versandhauses O***** GmbH

1. am 20. September 2002 zur Lieferung von Waren im Wert von 345,26 Euro, wobei sie den Bestellschein mit dem Falschnamen „E*****" unterfertigte und mit dem falschen Geburtsdatum 5. Juni 1962 versah,

2. am 16. September 2002 und 10. Oktober 2002 zur Lieferung von Waren im Gesamtwert von 346,87 Euro,

B./ am 6. September 2003 in Amstetten als Lenkerin eines PKW Honda-Civic unter Außerachtlassen der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, indem sie unter Missachtung einer Stopptafel in die Eggersdorferstraße einfuhr und dabei gegen den bevorrangten von Kata I***** gelenkten PKW VW Passat stieß, fahrlässig leichte Verletzungen der Genannten, nämlich eine Zerrung der Halswirbelsäule und eine Prellung unterhalb des Kinns, sowie der Beifahrerinnen Marina I*****, nämlich eine Stirnprellung und eine Prellung mit Bluterguss in der Knie- und Schienbeinregion, und der Melanie I*****, nämlich Blutergüsse im Bereich des rechten Arms, herbeigeführt.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a, 9 lit b, 10a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider durfte das Erstgericht den vom Verteidiger in der Hauptverhandlung zu A./ gestellten Antrag auf „graphologische" (gemeint: schriftvergleichende) Untersuchung eines mit „Regina F*****" gezeichneten, an den Rechtsanwalt Dr. M***** gerichteten Briefes (S 475) zu Recht ablehnen, hat es doch das im Antrag ausschließlich genannte Beweisthema, dass dieser Brief nicht von der Angeklagten geschrieben worden sei, ohnedies als erwiesen erachtet (S 478; vgl Danek, WK-StPO § 238 Rz 12). Mit der Erweiterung des Beweisthemas dahingehend, dass die gegenständlichen Bestellungen nicht von der Angeklagten getätigt worden seien, verstößt die Beschwerde gegen das Neuerungsverbot.

Auch der Antrag auf Ausforschung der Regina F***** „unter Zuhilfenahme der Telefonnummer 0676/4*****, allenfalls unter Zuhilfenahme der zuletzt getätigten Telefonate" zum Beweis dafür, dass der Großteil der zu A./ angeklagten Bestellungen von Regina F***** getätigt worden seien (S 453), verfiel ohne Verletzung von Verteidigungsrechten der Ablehnung. Zum einen erwies sich die Ausforschung nur über die Telefonnummer für das erkennende Gericht als undurchführbar (S 475), zum anderen stellt das alternative Begehren auf Rufdatenerfassung mangels Darlegung, warum anzunehmen sei, dass die Telefonnummern von Gesprächspartnern des bezeichneten Anschlusses nach mehr als zwei Jahren noch gespeichert seien (vgl S 475) und aus ihnen ein Aufschluss über den Inhaber der bezeichneten Telefonnummer zu gewinnen wären, als reiner Erkundungsbeweis dar (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) zu A./ hat das Schöffengericht den konstatierten (US 5) Vorsatz der Angeklagten auf Täuschung und unrechtmäßige Bereicherung nicht unbegründet gelassen, sondern mit dem Verweis auf die Verwendung falscher Daten bei den Bestellungen und die finanziellen Verhältnisse der Angeklagten (US 9 f) zureichend begründet. Zur festgestellten Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, hat das Erstgericht die finanzielle Situation der Angeklagten ohne Vernachlässigung von - von der Beschwerde gar nicht näher bezeichneten - Verfahrensergebnissen vollständig dargestellt, zumal die Verantwortung der Angeklagten in der Hauptverhandlung von den Tatrichtern insgesamt als widerlegt angesehen worden ist und andere Verfahrensergebnisse hinsichtlich weiterer Einkünfte aus einer Beschäftigung als Reinigungskraft erst für 2004, nicht aber für den zu A./ gegebenen Tatzeitraum vorlagen (S 241a, 439 ff). Mit der nicht näher konkretisierten Behauptung einer bloßen Scheinbegründung der zur Gewerbsmäßigkeit getroffenen Feststellungen mangelt es der Beschwerde an einer prozessordnungsgemäßen Darstellung der behaupteten Urteilsnichtigkeit.

Formal unter Z 9 lit a, der Sache nach ebenfalls unter Z 5, behauptet die Beschwerde „Feststellungsmängel" zur subjektiven Tatseite zu A./, vermag jedoch mit der wiederum nur pauschal geäußerten Kritik an der Begründung der getroffenen Konstatierungen keinen konkreten Mangel derselben darzutun.

Die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisste Annahme der Tatrichter, die Angeklagte habe zu A./ mit (zumindest bedingtem) Schädigungsvorsatz gehandelt, ergibt sich noch hinreichend deutlich (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) aus den getroffenen Feststellungen zum korrelierenden (Leukauf/Steininger Komm3 § 146 RN 59) - in der konkreten Fallkonstellation ohne gleichzeitig vorliegenden Schädigungsvorsatz nicht vorstellbaren - Bereicherungsvorsatz (US 5). Zu B./ orientiert sich die Rechtsrüge mit der Behauptung, eine fahrlässige Körperverletzung sei gemäß § 88 Abs 2 Z 4 StGB jedenfalls nicht zu bestrafen, wenn aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit einer anderen Person von mehr als dreitägiger Dauer erfolgt sei, nicht am - dies nur für Fälle nicht schweren Verschuldens normierenden - Gesetz (§ 88 Abs 2 erster Satzteil StGB). Zu einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO bestand in diesem Zusammenhang kein Anlass, stellt doch im konkreten Fall das Einfahren in eine mit zwei sehr übersichtlich angebrachten (S 293) Stopptafeln versehene Kreuzung als Benachrangte ohne anzuhalten mit nicht bloß unbeträchtlicher Geschwindigkeit (vgl S 460: im dritten Gang) - auch wenn es infolge eines Übersehens der Verkehrszeichen geschehen sein sollte - eine auffallende Sorglosigkeit dar, die als schweres Verschulden iSd § 88 Abs 2 StGB zu qualifizieren ist (vgl Mayerhofer StGB5 § 88 E 8b).

Der - eine Anwendung des § 42 StGB reklamierenden - Rüge nach Z 9 lit b mangelt es mit der bloßen Behauptung, die Schuld der Angeklagten sei als gering anzusehen und die Tat habe gerade noch unbedeutende Folgen nach sich gezogen, an jeglicher inhaltlicher Argumentation, wozu sie mit der Darstellung der Vorstrafen der Angeklagten als nicht einschlägig jene wegen fahrlässiger Körperverletzung vernachlässigt (Punkt 4 der Strafregisterauskunft S 385). Zu einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO bestand in diesem Zusammenhang infolge Fehlens der spezialpräventiven Voraussetzungen kein Anlass.

Die Diversionsrüge (Z 10a) vernachlässigt mit ihrer - lediglich die formalen Kriterien des § 90a StPO zitierenden - Behauptung, ein Vorgehen nach dem Hauptstück IXa der StPO wäre spezialpräventiv geboten gewesen, erneut die einschlägige Vorstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung, weiters auch das im Übrigen massiv in anderer Richtung getrübte Vorleben (S 385 ff) und deren zu A./ festgestellte Delinquenz. Zu einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO bestand auch in diesem Zusammenhang infolge Fehlens der spezialpräventiven Voraussetzungen kein Anlass.

Die Sanktionsrüge (Z 11) geht nicht vom gesamten erstinstanzlichen Schuldspruch aus, sondern reklamiert eine Anwendung des § 31 StGB unter der urteilsfremden Prämisse eines Wegfalls des Schuldspruchs zu B./. Sie entbehrt auch hiemit einer gesetzmäßigen Ausführung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.

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