OGH 13Os10/20z

OGH13Os10/20z7.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in der Finanzstrafsache gegen Elisabeth H***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1

FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 31. Oktober 2019, GZ 10 Hv 29/19h‑8, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00010.20Z.0407.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Elisabeth H***** mehrerer

Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat sie für die Jahre 2012 bis 2016 im Bereich des Finanzamts L***** vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten (im angefochtenen Urteil nach Veranlagungsjahren aufgegliederte) Verkürzungen an Einkommensteuer um insgesamt 288.748 Euro bewirkt, indem sie unrichtige Abgabenerklärungen einbrachte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

Weshalb die vorliegenden Schuldsprüche gegen das Verbot mehrfacher Strafverfolgung (Art 4 des 7. ZPMRK, Art 54 SDÜ) verstoßen sollen, macht die Rüge (Z 9 lit b) mit bloßem Hinweis auf die im Verfahren AZ 36 Hv 50/18m des Landesgerichts St. Pölten erfolgte Verurteilung der Angeklagten wegen des vom November 2012 bis zum Jänner 2017 zum Nachteil der G***** GmbH begangenen Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (aus dem das gegenüber dem Finanzamt verschwiegene Einkommen resultierte, vgl dazu die Konstatierungen auf US 3 ff) nicht klar (vgl aber RIS‑Justiz RS0116569).

Die im Rechtsmittel angeführte Entscheidung „14 Os 95/09x“ existiert nicht.

Warum das Recht der Angeklagten, sich im Strafverfahren nicht selbst zu belasten (§ 7 Abs 2 StPO, Art 6 MRK [Grabenwarter/Pabel, EMRK6 § 24 Rz 138]), die vom Erstgericht vorgenommene Subsumtion hindern soll, leitet die Beschwerde nicht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565).

Hinzugefügt sei, dass sich die Offenlegungspflicht auf abgabenrelevante Umstände beschränkt, während darüber hinausgehende, für den Steuertatbestand nicht maßgebliche Informationen (wie hier die strafgesetzwidrige Herkunft des Einkommens) für die Steuerbemessung irrelevant und daher insoweit vom Abgabepflichtigen nicht gefordert sind (RIS‑Justiz RS0109800). Zudem findet der von der Beschwerdeführerin angesprochene Grundsatz des „Selbstbezichtigungsverbots“ seine Grenze dort, wo es nicht mehr um ein bereits gesetztes Fehlverhalten, sondern um die Schaffung neuen Unrechts geht (RIS‑Justiz RS0109800 [T3]). Mögliche

Selbstbelastung führt daher gerade nicht zu einer entsprechenden Reduktion des Tatbestands des § 33 Abs 1

FinStrG. Da sich die Garantien des Art 6 MRK auf den jeweils verfahrensgegenständlichen Vorwurf beziehen, ist der Gefahr der Selbstbezichtigung nicht in dem Verfahren zu begegnen, das die abgabenrechtliche Pflicht zum Gegenstand hat, sondern in jenem, welches auf die Verfolgung des durch die Erfüllung dieser Pflicht allenfalls preisgegebenen strafbaren Verhaltens gerichtet ist (RIS‑Justiz RS0109800 [T5] und Lässig in WK2

FinStrG § 33 Rz 57).

Nach den Feststellungen des Erstgerichts erstattete die Angeklagte am 29. Juni 2017 beim Landeskriminalamt Niederösterreich gegen sich selbst Anzeige wegen schweren Betrugs, legte dabei aber weder die Unrichtigkeiten in Bezug auf die Einkommensteuererklärungen offen noch ersuchte sie um Weiterleitung der Anzeige an ein Finanzamt (US 7). Gegenüber den Finanzstrafbehörden erfolgte die „Selbstanzeige“ erst nach – der Angeklagten mitgeteilter – Einleitung von Vorerhebungen im Sinn des § 82 Abs 1 FinStrG (US 7). Die aufgrund der in Rechtskraft erwachsenen Bescheide vom 21. März 2018 geschuldeten Beträge zahlte die Angeklagte bis dato weder zurück noch beantragte sie die Gewährung von Zahlungserleichterungen (US 7 f).

Die Behauptung (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 9 lit b) strafbefreiender

Selbstanzeige (§ 29

FinStrG) wird nicht auf der Basis des dargestellten Urteilssachverhalts entwickelt. Solcherart verfehlt die Rechtsrüge die prozessförmige Darstellung des geltend gemachten materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0099810). Hinzugefügt sei, dass auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen die Strafbefreiung durch Selbstanzeige hier schon mangels Erfüllung der Kriterien der Rechtzeitigkeit (§ 29 Abs 3 lit a FinStrG) und der Begleichung der Abgabenschuld binnen Monatsfrist (§ 29 Abs 2 erster Satz FinStrG) ausscheidet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Hingewiesen wird darauf, dass das Zitieren des § 33 Abs 3 lit a

FinStrG (US 2) im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) verfehlt ist, weil § 33 Abs 3

FinStrG (bloß) Legaldefinitionen des Bewirkens (von Abgabenverkürzungen), also der möglichen Arten und des Zeitpunkts der technischen Vollendung der Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 und Abs 2

FinStrG, enthält, die finanzstrafrechtlichen Tatbestände der Abgabenhinterziehung hingegen in diesen Normen und in § 33 Abs 4

FinStrG umschrieben sind (RIS‑Justiz RS0087102, Lässig in WK²

FinStrG § 33 Rz 29).

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Dabei wird dieses zu

berücksichtigen haben, dass der Strafausspruch an (nicht geltend gemachter) Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO leidet (RIS-Justiz RS0109969 und RS0116501), weil das Erstgericht bei der Strafzumessung ausdrücklich „eine einschlägige Vorstrafe“ als erschwerend wertete (US 14), gleichzeitig aber unter Hinweis auf die Strafregisterauskunft bloß von einer einzigen Verurteilung durch das Landesgericht St. Pölten am 18. Juni 2018 (US 3), somit davon ausging, dass die Angeklagte vor den hier gegenständlichen Taten (bis zum Jahr 2017) noch nicht verurteilt worden war, obwohl § 23 Abs 2 FinStrG iVm § 33 Abs 1 Z 2 StGB (unter anderem) genau das erfordert (vgl dazu auch 11 Os 22/19y; 13 Os 114/19t).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte