OGH 13Os114/19t

OGH13Os114/19t26.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Schriftführers Dr. Schöll in der Strafsache gegen Michael Z* wegen Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 25. September 2019, GZ 52 Hv 26/19v‑39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Dr. Hohler‑Rössel zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127717

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der bedingten Nachsicht der Strafe und der Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB, demzufolge auch die zugleich ergangenen Beschlüsse auf Erteilung von Weisungen und auf Anordnung der Bewährungshilfe, aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird in der Sache selbst erkannt:

Die Strafe und die vorbeugende Maßnahme werden nicht bedingt nachgesehen.

 

Der Berufung, soweit sie eine Erhöhung des Strafmaßes anstrebt, wird nicht Folge gegeben.

Mit ihrer Berufung im Übrigen wird die Staatsanwaltschaft auf die Entscheidung in der Sache selbst verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael Z* mehrerer Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB (I) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach §§ 125 und 15 StGB (II) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt sowie gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Sowohl die Freiheitsstrafe als auch die vorbeugende Maßnahme wurde bedingt nachgesehen. Zugleich fasste das Schöffengericht Beschlüsse nach § 494 Abs 1 StPO (ON 38 S 4; ON 39a).

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in W*

(I) an einer fremden Sache, nämlich einer Mehrparteienwohnhausanlage, ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst zu verursachen versucht, indem er jeweils einen brennenden Gegenstand in die Kellerabteile folgender Hausbewohner warf, und zwar

(1) in der Nacht zum 21. Jänner 2019 des Cornelius E*, wodurch ein Gewehrschrank beschädigt und ca 60 Säcke Holzpellets vernichtet wurden, eine weitere Ausbreitung des Feuers jedoch durch einen Löscheinsatz der Feuerwehr verhindert werden konnte,

(2) am 8. Februar 2019 des René S*, wodurch darin befindliche Autoreifen und Brennholz Feuer fingen und der Brand, der auch ein weiteres Kellerabteil erfasste, auf die gesamte Anlage überzugreifen drohte, sodass diese evakuiert werden musste,

(3) vom 20. bis zum 25. Februar 2019 der Gertraud M*, wobei das Feuer infolge Unzulänglichkeit der eingesetzten Mittel trotz dort vorhandenen brennbaren Materials (Holz und Karton) von selbst wieder erlosch, sowie

(4) in der Nacht zum 8. März 2019 des Karl H*, wobei das Feuer infolge Unzulänglichkeit der eingesetzten Mittel trotz dort vorhandenen brennbaren Materials (1,5 Tonnen Braunkohle) von selbst wieder erlosch, weiters

(II) fremde Sachen durch Brandlegung beschädigt, und zwar

(1) am 13. November 2018 einen Müllcontainer des Unternehmens „W*“,

(2) am 24. Februar 2019 einen Altkleider-container des Vereins „Hu*“,

(3) am 4. März 2019 einen Müllcontainer des Unternehmens „W*“, wobei es infolge rechtzeitiger Entdeckung beim Versuch blieb, und

(4) am 21. März 2019 ein Fahrrad der Birgit We*.

Ausschließlich gegen den Sanktionsausspruch wenden sich die – zum Nachteil des Angeklagten ausgeführten – Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Die Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) richtet sich gegen die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe.

Sie zeigt anhand des Urteilsinhalts (vgl insbesondere US 10) zutreffend auf, dass das Schöffengericht § 41 Abs 3 StGB nicht anwendete. Hiervon ausgehend widersprach die Gewährung bedingter Nachsicht der mit dem angefochtenen Urteil verhängten, zwei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe – wie das Erstgericht im Nachhinein selbst erkannte (US 10) – § 43 Abs 1 StGB.

Die darin gelegene Nichtigkeit (Z 11 erster Fall; vgl 15 Os 55/06m, RIS‑Justiz RS0091369 [T1]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 671) führte – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung sowohl des Ausspruchs über die Strafe im Umfang deren bedingter Nachsicht als auch – worauf die Beschwerde zutreffend hinweist – des damit insoweit in einem untrennbaren Zusammenhang stehenden (§ 45 Abs 1 zweiter Satz StGB; vgl Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 6; RIS‑Justiz RS0115054, RS0100108, jüngst 13 Os 115/18p) Ausspruchs über die Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB im Umfang deren bedingter Nachsicht (§§ 288 Abs 2, 289 StPO), demzufolge auch der gemäß § 494 Abs 1 StPO ergangenen Beschlüsse.

Im Umfang der Aufhebung war vom Obersten Gerichtshof in der Sache selbst zu entscheiden:

Schon mit Blick auf die im Rahmen der Entscheidung über die Berufung darzustellenden Strafzumessungsgründe sind weder die Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung (§ 41 Abs 3 StGB) erfüllt noch besteht eine (über die von § 43 Abs 1 StGB geforderte Spezialprognose hinausgehend) hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Rechtsbrecher keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde (§ 43a Abs 4 StGB). Hiervon ausgehend scheitert die Gewährung einer (auch nur teilweise) bedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe an deren zwei Jahre übersteigender Dauer (§ 43 Abs 1 StGB, § 43a Abs 3 StGB).

Die bedingte Nachsicht der Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB wiederum wäre von vornherein nur bei – hier mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 41 Abs 3 StGB nicht gewährter – gänzlicher bedingter Nachsicht der Strafe statthaft (§ 45 Abs 1 zweiter Satz StGB; RIS‑Justiz RS0112223 [T1] und RS0119998).

2. Zur Berufung:

Soweit sie ein höheres Strafmaß anstrebt, ist die Berufung nicht berechtigt.

Als erschwerend wertete das Erstgericht eine „einschlägige Vorstrafe“ und die Tatwiederholung bei Zusammentreffen (richtig) mehrerer Verbrechen (I) mit einem Vergehen (II), als mildernd ein reumütiges Geständnis, den Umstand, dass es (mit Ausnahme der Taten II 1, 2 und 4) beim Versuch geblieben ist, sowie die – infolge ADHS und eines Tourette-Syndroms (US 7, 11) – „herabgesetzte Schuld“ (US 10).

Nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB erschwerend können nur rechtskräftige Verurteilungen wirken (RIS‑Justiz RS0074684 [T11]; Birklbauer/Schmidthuber SbgK § 33 Rz 44). Demnach kommt auch ein von der Berufung reklamierter „rasche[r] Rückfall“ – um als solcher aggravierend zu sein (vgl Ebner in WK2 StGB § 33 Rz 11; RIS‑Justiz RS0090981, RS0091041) – nur gegenüber einer Verurteilung in Betracht, die zur Tatzeit bereits in Rechtskraft erwachsen ist (vgl 15 Os 154/89). Letzteres war hier nicht der Fall:

Die zeitlich letzte der nunmehr abgeurteilten Taten (II 4) beging der Angeklagte am 21. März 2019. Davor – und solcherart die Anwendbarkeit des § 31 StGB hindernd (vgl RIS-Justiz RS0090555 [T3]) – wurde gegen ihn die Strafverfügung des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 20. März 2019, AZ 5 U 9/19p, (wegen eines am 3. Dezember 2018 begangenen Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB) erlassen. Diese bislang einzige gerichtliche Abstrafung des Angeklagten erwuchs (erst) mit 19. Mai 2019 in Rechtskraft (ON 27).

Richtigerweise ist somit die Tatbegehung (nicht trotz einschlägiger Vorbelastung [vgl RIS‑Justiz RS0122141], sondern) während des zur Tatzeit noch anhängigen Strafverfahrens – im Rahmen des § 32 Abs 2 StGB – als aggravierend zu werten (RIS‑Justiz RS0091048 [insbesondere T4]).

Wie das Rechtsmittel zutreffend einwendet, ist der vom Erstgericht gefundene Strafzumessungskatalog ferner um den besonders verwerflichen Beweggrund (§ 33 Abs 1 Z 5; Ebner in WK2 StGB § 33 Rz 18) der Rachsucht (US 4) zu ergänzen.

Davon abgesehen hat das Erstgericht die Strafzumessungsgründe vollständig erfasst. Dem Berufungsvorbringen zuwider stellt die „heimliche Begehung zur Nachtzeit in einem relativ abgelegenen Gebäudeteil“ (vgl US 4) – für sich genommen – den Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 6 StGB nicht her (dazu Ebner in WK2 StGB § 33 Rz 20).

Auch unter Berücksichtigung des korrigierten Strafzumessungskatalogs erweist sich – auf der Grundlage der Schuld (§ 32 Abs 1 StGB) des Angeklagten – das vom Schöffengericht gefundene Strafmaß als jedenfalls keiner Erhöhung zugänglich. Dies umso mehr, als der Angeklagte seit der Urteilsfällung in erster Instanz seine Lebensverhältnisse, welche die Tatbegehung begünstigten, durch Wohnsitznahme in einer betreuten Einrichtung und Inanspruchnahme medizinischer Behandlung seiner psychischen Krankheit nachhaltig zum Positiven geändert und stabilisiert hat (vgl Ebner in WK2 StGB § 42 Rz 46/1).

Mit ihrer Berufung, soweit sie die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht anstrebt, war die Staatsanwaltschaft auf die Entscheidung in der Sache selbst zu verweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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