OGH 1Ob28/20d

OGH1Ob28/20d26.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 48.594,68 EUR sA und Feststellung, hier wegen Ablehnung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 24. Juni 2019, GZ 5 Nc 1/19i‑5, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00028.20D.0226.000

 

Spruch:

I. Das Rekursverfahren wird fortgesetzt.

II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.560,60 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Zu I.:

Das Rekursverfahren war bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Ablehnung der Mitglieder des Ablehnungssenats unterbrochen (1 Ob 137/19g) und ist nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses (1 Ob 209/19w), mit dem die Ablehnung zurückgewiesen wurde, fortzusetzen.

Zu II.:

Die Klägerin hat im zugrundeliegenden Amtshaftungsprozess in ihrer außerordentlichen Revision die Mitglieder des Berufungssenats des Oberlandesgerichts Linz als befangen abgelehnt.

Der nach der Geschäftsverteilung zuständige Ablehnungssenat dieses Oberlandesgerichts wies mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag der Klägerin, mit dem sie die Mitglieder des Berufungssenats abgelehnt hatte, zurück.

Dagegen richtet sich der zulässige Rekurs der Klägerin (§ 24 Abs 2 JN), dem jedoch keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin hat – wie dargelegt – mit ihrem Rekurs einen gegen die Mitglieder des Ablehnungssenats gerichteten „Ablehnungsantrag“ erhoben. Diese Ablehnung wurde inzwischen rechtskräftig zurückgewiesen (1 Ob 209/19w). An diesen Beschluss ist das erkennende Rechtsmittelgericht gebunden (RIS‑Justiz RS0042079 [T1]). Die von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeit im Sinn des § 477 Abs 1 Z 1 ZPO liegt somit nicht vor.

2. Die Rekurswerberin will eine Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung oder eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens daraus ableiten, dass ihre Ablehnung nicht in das Jv‑Register der Präsidentin des Oberlandesgerichts Linz eingetragen wurde. Sie wurde vom Obersten Gerichtshof bereits in zwei Entscheidungen über von ihr eingebrachte Fristsetzungsanträge mit jeweils eingehender Begründung, auf die hier verwiesen werden kann, davon in Kenntnis gesetzt, dass keine solche Eintragung zu erfolgen hat (1 Fsc 1/19s; 1 Fsc 3/19k). Für ihre bloße Mutmaßung über eine gebotene andere Zusammensetzung des Ablehnungssenats fehlt jede Grundlage. Die relevierten Rechtsmittelgründe liegen bereits aus diesem Grund nicht vor.

3.1. Die Rekurswerberin erachtet den angefochtenen Beschluss auch deshalb als nichtig, weil dessen Urschrift nur von der Senatsvorsitzenden sowie vom Berichterstatter (von diesem aber bloß paraphiert und nicht mit vollem Namen unterschrieben) unterfertigt worden sei und eine Unterschrift oder Paraphe des dritten Senatsmitglieds gänzlich fehle.

3.2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 124/19z; 1 Ob 209/19w, jeweils mwN) ist die auf der Urschrift anzubringende Unterschrift zwar notwendiger Bestandteil einer Entscheidung. Selbst das völlige Fehlen der Unterschrift des zuständigen Organs lässt für sich allein aber nicht in jedem Fall eine abschließende Beurteilung darüber zu, ob eine diesem zurechenbare Entscheidung oder eine keine Rechtswirkung entfaltende Nichtentscheidung vorliegt. Maßgeblich ist die eindeutige Dokumentation des Entscheidungswillens des Richters. Lässt sich dieser Entscheidungswille unmissverständlich aus dem Akt erschließen, bildet die Unterschrift auf der Urschrift einen bloßen – im Weg der Verbesserung nachtragbaren – Formalakt, der keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Entscheidung hat.

3.3. Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel am Entscheidungswillen der an der Beschlussfassung beteiligten Senatsmitglieder, weist die Urschrift doch die Unterschrift der Vorsitzenden auf. Außerdem wurde der Urschrift ein von der Vorsitzenden unterschriebener und vom Berichterstatter paraphierter Abstimmungsvermerk angeschlossen, aus dem sich die einstimmige Beschlussfassung durch die im Kopf der angefochtenen Entscheidung namentlich genannten Senatsmitglieder ergibt. Ob es sich bei der „handschriftlichen Beurkundung“ auf der Urschrift des angefochtenen Beschlusses um eine bloße Paraphe oder um eine (abgekürzte) Unterschrift des Berichterstatters handelt, kann daher dahingestellt bleiben. Dass die fehlende Paraphierung bzw Unterzeichnung der Urschrift durch das weitere (dritte) Senatsmitglied keine Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses zu begründen vermag, ergibt sich bereits aus § 429 Abs 1 ZPO, wonach die Urschrift des Beschlusses, wenn dieser – wie hier – von einem Senat gefasst wurde, nur vom Vorsitzenden zu unterschreiben ist (1 Ob 209/19w mwN; M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 III/2 § 429 ZPO Rz 1; Brenn in Höllwerth/Ziehensack , ZPO‑TaKom § 429 ZPO Rz 2).

4. Zur Frage der behaupteten Befangenheit ist der Rekurswerberin entgegenzuhalten, dass sie ihre Ablehnung auf behauptete Unrichtigkeiten des vom Berufungssenat im Amhaftungsprozess gefassten Urteils stützte. Auch in ihrer Rechtsrüge beschränkt sie sich im Wesentlichen auf die Behauptung, die vom Berufungssenat getroffene Entscheidung sei rechtlich unrichtig. Weder die Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch einen Richter bildet jedoch einen Ablehnungsgrund, selbst wenn die Rechtsansicht von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt wird. Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen sind nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen, das den Parteien nicht die Möglichkeit bieten soll, sich eines ihnen nicht genehmen Richters zu entledigen (RS0111290). Vermeintliche Entscheidungsfehler sind daher in der Regel kein Ablehnungsgrund. Es ist dann auch nicht Aufgabe des zur Beurteilung einer aus der Entscheidung eines Richters abgeleiteten Ablehnung berufenen gerichtlichen Organs, die Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (RS0046047). Der von der Rekurswerberin genannte Fall einer eindeutigen Missachtung der Rechtslage, die praktisch nur durch unsachliche Beweggründe der Richter erklärt werden kann, liegt hier nicht vor. Die Ablehnung der Mitglieder des Berufungssenats wurde daher zu Recht zurückgewiesen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Aufgrund der Zweiseitigkeit bildet auch das Ablehnungsverfahren einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (RS0126588).

Stichworte