European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E127660
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Klägerin und ihr damaliger Lebensgefährte hatten beabsichtigt, ein Wohnhaus zu errichten. Dabei sollte die Klägerin den bereits vorhandenen Baugrund zur Verfügung stellen, der Lebensgefährte hingegen alle finanziellen Mittel für die Errichtung. Die Klägerin wollte Alleineigentümerin der Liegenschaft bleiben, um sie ihren Kindern weitergeben zu können. Der Lebensgefährte war damit einverstanden, wollte aber „abgesichert“ sein. Bei einem Beratungsgespräch schlug der nun beklagte Notar vor, dem Lebensgefährten ein dingliches Wohnrecht und ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Er klärte die Klägerin nicht darüber auf, dass der Lebensgefährte bei Beendigung der Lebensgemeinschaft Ansprüche in Bezug auf seine Investitionen geltend machen könnte. Hätte die Klägerin das gewusst, so hätte sie der Errichtung des Hauses nicht zugestimmt.
In der Folge wurde das Haus in der geplanten Weise errichtet, und für den Lebensgefährten wurde ein Wohnrecht und ein Vorkaufsrecht einverleibt. Etwa sechs Jahre später scheiterte die Lebensgemeinschaft. Der Lebensgefährte klagte die Klägerin auf Zahlung von 450.000 EUR, wobei er sich auf die Abwicklung einer konkludent begründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts stützte. Die Klägerin zahlte ihm aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs 100.000 EUR und hatte eigene Anwaltskosten von (zumindest) 67.685,84 EUR zu tragen. Das Vorkaufs- und das Wohnrecht wurden daraufhin gelöscht.
Der Verkehrswert der bebauten Liegenschaft betrug bei Abschluss des Vergleichs ohne Berücksichtigung des Wohnrechts etwa 400.000 EUR. Ohne die Bebauung hätte er etwa 100.000 EUR betragen.
Die Klägerin begehrt 167.685,84 EUR. Der Beklagte habe sie mangelhaft beraten, was zum Prozess mit ihrem Lebensgefährten, zur Zahlung des Vergleichsbetrags und zu ihren eigenen Kosten geführt habe. Diesen Schaden habe der Beklagte zu ersetzen.
Die Vorinstanzen wiesen das Begehren ab, weil die Klägerin im Ergebnis keinen Schaden erlitten habe. Ihren Aufwendungen stehe das unbelastete Eigentum an der Liegenschaft gegenüber, wobei die Werterhöhung durch die Bebauung höher sei als der Vermögensnachteil aufgrund der Auseinandersetzung mit dem Lebensgefährten. Dieser Vorteil sei anzurechnen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin, in der sie das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Vorteilsanrechnung bestreitet, ist nicht zulässig.
1. Der Oberste Gerichtshof hat die für die Vorteilsanrechnung maßgebenden Grundsätze zuletzt in der Entscheidung 9 Ob 22/19d wie folgt zusammengefasst:
„1. Der Schadenersatzanspruch hat den Zweck, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittene Einbuße zukommen zu lassen (RS0023471, RS0022586, zuletzt 1 Ob 70/18b). Der Geschädigte soll nicht mehr und nicht weniger als die erlittenen Nachteile ersetzt erhalten (RS0023600 [T10]; 10 Ob 31/00g). Der Schädiger hat den Geschädigten dazu grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt wäre. Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln; es ist zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen (RS0030153).
2. Dem Umstand, dass ein schädigendes Ereignis dem Geschädigten auch Vorteile bringen kann, wird mit der Vorteilsausgleichung Rechnung getragen (s nur Koziol, Haftpflichtrecht I3 [1997] Rz 10/33 ff). Es sind jene Vermögensbestandteile des Geschädigten in den Kreis der Betrachtung einzubeziehen, die durch die Beschädigung irgendwie beeinflusst wurden, aber auch Vermögensbestandteile (Aktiven oder Passiven), die erst durch das schädigende Ereignis gebildet wurden oder deren Bildung durch dasselbe verhindert wurde; demnach ist auch ein Vorteil des Beschädigten, der ohne die erfolgte Beschädigung nicht entstanden wäre, grundsätzlich zugunsten des Schädigers zu buchen (RS0022834; zuletzt 1 Ob 70/18b).
3. Es sind jedoch nicht jegliche Vorteile des Geschädigten auf Schadenersatzansprüche anzurechnen. In der Rechtsprechung hat sich im Meinungsstreit um die sogenannte Vorteilsausgleichung bei Zuwendungen von dritter Seite eine teleologische Betrachtungsweise durchgesetzt: Die Anrechnung eines Vorteils muss dem Zweck des Schadenersatzes entsprechen und soll nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen. Es ist also nicht schlechthin jeder Vorteil anzurechnen, der dem Geschädigten aus dem vom Schädiger verursachten Ereignis zufließt, sondern es kommt immer auf die ganz besondere Art des erlangten Vorteils und den Zweck der Leistung des Dritten an (s RS0023600; s auch Koziol, Haftpflichtrecht I3 10/37 ff). Die Anrechnung eines Vorteils darf nicht mechanisch erfolgen, sondern es ist zu prüfen, ob bei wertender Betrachtung eine Entlastung des Schädigers sachlich gerechtfertigt erscheint (RS0030638 [T6]; 9 ObA 56/16z mwN; Koziol, aaO Rz 10/54; Karner in KBB ABGB5 § 1295 Rz 16).
4. Anzurechnen sind solche Vorteile, die mit dem Schadenersatzanspruch in einem besonderen Zusammenhang stehen. Dass Schade und Vorteil nicht aus demselben Ereignis entsprungen sind, schließt die Vorteilsausgleichung nicht aus, weil es genügt, wenn beide im selben Tatsachenkomplex wurzeln (RS0022824), wenn also das schädigende Ereignis nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch zu einem Vorteil des Geschädigten führt (RS0022824 [T3]). Die Berücksichtigung von Vorteilen kommt aber nur gegenüber sachlich und zeitlich kongruenten Schadenersatzansprüchen in Betracht (RS0114259; s auch RS0122868).“
2. Die angefochtene Entscheidung ist durch die dargestellte Rechtsprechung gedeckt:
2.1. Das Haus wäre nach den Feststellungen bei korrekter Beratung durch den Beklagten nicht errichtet worden. Es besteht daher kein Zweifel, dass (auch) der mit der Errichtung verbundene Vermögenszuwachs durch die mangelhafte Beratung verursacht wurde. Dieser Vermögenszuwachs ist höher als der Aufwand der Klägerin. Bei rechnerischer Betrachtung hat sie daher keinen Schaden erlitten.
2.2. Nach der dargestellten Rechtsprechung ist die Werterhöhung daher grundsätzlich zugunsten des Beklagten in Anschlag zu bringen (oben 1.2.). Gründe für eine Nichtanrechnung (oben 1.3. und 1.4.) liegen nicht vor:
(a) Gerade bei wertender Betrachtung ist nicht zu erkennen, weshalb die Klägerin aufgrund der Fehlberatung durch den Notar finanziell besser stehen sollte als bei korrekter Beratung. Diese Beratung hatte gerade den Zweck, die Errichtung des Hauses zu ermöglichen, was nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu einem Vermögenszuwachs der Klägerin führen sollte und auch tatsächlich geführt hat. Durch den von ihr angestrebten Schadenersatz wäre sie ohne jeden Rechtsgrund bereichert.
(b) Die Frage, ob die Leistungen des Lebensgefährten den Beklagten entlasten sollten, stellt sich nicht, weil keiner der Beteiligten bei deren Erbringung an künftige Schadenersatzansprüche dachte. Zweck der Leistung war vielmehr die Wohnversorgung bei aufrechter Lebensgemeinschaft. Dass diese Leistungen auch bei Scheitern der Lebensgemeinschaft allein der Klägerin zugute kommen sollten, kann dem Lebensgefährten nicht unterstellt werden. Zudem wurde das Kriterium des Leistungszwecks in Fallgestaltungen entwickelt, in denen der Schaden bereits eingetreten war und erst durch nachträgliche Zahlungen Dritter (rechnerisch) beseitigt wurde (vgl RS0023600). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
(c) Auch das Erfordernis der zeitlichen und sachlichen Kongruenz ist erfüllt: Dem Vermögenszuwachs der Klägerin durch Errichtung des Hauses auf ihrer Liegenschaft stand von Anfang an das Wohn- und Vorkaufsrecht des Lebensgefährten sowie dessen Rechtsstellung aufgrund einer konkludent begründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegenüber. Der nun strittige Aufwand der Klägerin (also der vom Beklagten verursachte Vermögensnachteil) führte im Ergebnis zum Wegfall dieses Wohn- und Vorkaufsrechts und zum Erlöschen weiterer Ansprüche des Lebensgefährten. Erst dadurch fiel die Werterhöhung der Liegenschaft auch wirtschaftlich endgültig der Klägerin zu. Vor- und Nachteil realisierten sich daher unmittelbar nacheinander jeweils im Vermögen der Klägerin. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem Sachverhalt, der der Entscheidung 9 Ob 22/19d zugrunde lag: Dort stand dem Liquiditätsabfluss durch eine Fehlberatung nur eine höhere Pensionsanwartschaft mit ungewisser künftiger Realisierung gegenüber.
3. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt somit nicht vor. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.
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