OGH 5Ob211/19v

OGH5Ob211/19v16.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. Mag. J*, und 2. Dr. T*, beide vertreten durch Hoffmann & Sykora Rechtsanwälte KG in Tulln, wegen Einverleibung eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbots, über den Revisionsrekurs des Erstantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Oktober 2019, AZ 47 R 245/19f, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 30. Juli 2019, berichtigt mit Beschluss vom 6. August 2019, TZ 4094/2019, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E127491

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

In der mit „Einräumung eines Belastungs‑ und Veräußerungsverbots“ bezeichneten Urkunde vom 19. Juli 2019 räumte der Antragsteller seiner Ehegattin, der Zweitantragstellerin (unter anderem) ob den 31/* Anteilen einer Liegenschaft ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot im Sinn des § 364c ABGB ein. Die Urkunde enthält eine Aufsandungserklärung und weist nur die Unterschrift des Erstantragstellers auf, deren Echtheit notariell beglaubigt ist. Eine urkundliche Zustimmung der Verbotsberechtigten zur Einräumung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots liegt nicht vor.

Die Antragsteller begehren die Einverleibung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots zugunsten der Zweitantragstellerin. Vorgelegt werden die Urkunde vom 19. Juli 2019 und die Heiratsurkunde der Antragsteller.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, dass die vorgelegte Vereinbarung lediglich vom Liegenschaftsmiteigentümer, nicht aber von der Verbotsberechtigten beglaubigt unterfertigt worden sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Erstantragstellers nicht Folge. Nach seiner rechtlichen Beurteilung kann ein Veräußerungs‑ und Belastungsverbot im Sinn des § 364c ABGB nur durch Vertrag oder letztwillige Verfügung, nicht jedoch durch einseitiges Rechtsgeschäft begründet werden. Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob ein Veräußerungs‑ und Belastungsverbot auch aufgrund einer einseitigen Willenserklärung einverleibt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Erstantragstellers ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Ein vertragliches oder letztwilliges Veräußerungs‑ oder Belastungsverbot hinsichtlich einer Sache oder eines dinglichen Rechts verpflichtet nur den ersten Eigentümer, nicht aber seine Erben oder sonstigen Rechtsnachfolger. Gegen Dritte wirkt es dann, wenn es zwischen Ehegatten, eingetragenen Partnern, Eltern und Kindern, Wahl‑ oder Pflegekindern oder deren Ehegatten oder eingetragenen Partnern begründet und im öffentlichen Buch eingetragen wurde (§ 364c ABGB).

2. Das im Sinn des § 364c ABGB begründete Veräußerungs‑ und Belastungsverbot ist grundsätzlich ein obligatorisches Rechtsverhältnis, das zur Unterlassung einer Verfügung verpflichtet und dessen Übertretung nach allgemeinen Regeln schadenersatzpflichtig macht (RIS‑Justiz RS0108057). Die Verbücherung eines Veräußerungs‑ und Belastungsverbots verleiht dem Verbotsberechtigten eine absolute Rechtsposition gegenüber jedem Dritten, das Verbot ist aber kein dingliches Recht im Sinn des § 308 ABGB, § 9 GBG (5 Ob 128/10z = RIS‑Justiz RS0108057 [T2] = RS0062140 [T6]).

3. Nach Rechtsprechung und überwiegender Lehre muss die ein Veräußerungs‑ und Belastungsverbot nach § 364c ABGB einräumende Grundbuchsurkunde keinen Rechtsgrund im Sinne des § 26 Abs 2 GBG oder ein Motiv enthalten (RS0010804; Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3 § 364c ABGB Rz 46 mwN; Oberhammer in Schwimann 4§ 364c ABGB Rz 7; Hagleitner in Kodek Grundbuchsrecht2 § 26 Rz 45; Rassi Grundbuchsrecht3 Rz 4.129; aA Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 364c Rz 6, 20; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 364c Rz 3).

4. Nach der Rechtsprechung kann ein Veräußerungs‑ und Belastungsverbot, das in einem echten Vertrag zugunsten Dritter vereinbart wurde, ohne in grundbuchsfähiger Form vorliegende Annahmeerklärung des Begünstigten einverleibt werden (5 Ob 53/16d = RS0130920).

5. Der Revisionsrekurswerber schließt aus dieser Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Begründung eines Veräußerungs‑ und Belastungsverbots durch (echten) Vertrag zugunsten Dritter, dass es generell keiner Zustimmung des Verbotsberechtigten bedarf. Zudem meint er, ein Veräußerungs‑ und Belastungsverbot könne durch einseitige Willenserklärung eingeräumt werden, weil § 364c ABGB ausdrücklich die letztwillige Anordnung eines derartigen Verbots ermögliche. Beide Argumente überzeugen nicht.

6. Eine letztwillige Verfügung ist kein einseitiges Rechtsgeschäft unter Lebenden, sondern eine jederzeit widerrufliche Anordnung für den Todesfall (§ 552 Abs 1 ABGB idF BGBl I 2015/87). Eine analoge Erweiterung der in § 364c ABGB vorgesehenen Begründungsarten (Vertrag oder letztwillige Verfügung) um ein einseitiges Rechtsgeschäft unter Lebenden würde eine echte Gesetzeslücke im Sinn einer planwidrigen Unvollständigkeit voraussetzen (RS0008757). Unter Lebenden bilden mehrseitige Rechtsgeschäfte die Regel, einseitige hingegen die Ausnahme, wie die Auslobung nach den §§ 860 f ABGB (Bollenberger in KBB5 § 860 Rz 1) oder die einseitige, empfangs‑ aber nicht annahmebedürftige Bevollmächtigung ohne Begründung eines Auftragsverhältnisses (Baumgartner/U. Torggler in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang 3§ 1002 ABGB Rz 109; vgl P. Bydlinksi in KBB5 § 1002 ABGB Rz 2). Wenn der Gesetzgeber in § 364c ABGB als Begründungsart ausdrücklich nur Vertrag oder letztwillige Verfügung nennt, kann ihm nicht unterstellt werden, die Einräumung eines Veräußerungs‑ und Belastungsverbots zusätzlich durch eine bloß einseitige, zu Lebzeiten wirkende Erklärung des Verbotsverpflichteten zulassen zu wollen.

7. Auch ein echter Vertrag zugunsten Dritter bedarf einer Einigung der den Vertrag schließenden Parteien. Die Einverleibung eines (eintragungsfähigen) Rechts des begünstigten Dritten setzt voraus, dass nach § 31 Abs 1 GBG die Unterschriften der Vertragsparteien auf der Grundbuchsurkunde gerichtlich oder notariell beglaubigt sind. Wird ein Veräußerungs‑ und Belastungsverbot in einem echten Vertrag zugunsten Dritter eingeräumt, ist der Verbotsberechtigte weder Partei des Titelgeschäfts im Sinn des § 26 GBG noch Partei im Sinn des § 31 Abs 1 GBG, weshalb seine beglaubigte Unterschrift auf der Titelurkunde (oder einer separaten Zustimmungs‑ und Annahmeerklärung) nicht notwendig ist (5 Ob 53/16d mwN). Das gilt aber nicht für einen Verbotsberechtigten, der selbst Vertragspartei ist.

8. Wird das Veräußerungs‑ und Belastungsverbot zwischen einem Liegenschaftseigentümer und dem Verbotsberechtigten selbst vereinbart, ist der Verbotsberechtigte unmittelbar Partei dieses Vertrags. Seine Annahmeerklärung muss durch gerichtlich oder notariell beglaubigte Unterschrift im Sinn des § 31 Abs 1 GBG nachgewiesen werden. Eine einseitige Erklärung des Verbotsverpflichteten reicht nicht. Da eine Erklärung des Verbotsberechtigten fehlt, haben die Vorinstanzen zu Recht die Einverleibung des Veräußerungs‑ und Belastungsverbots abgelehnt.

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