OGH 6Ob99/19f

OGH6Ob99/19f24.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. d***** GmbH, 2. d***** Verein *****, beide *****, vertreten durch Dr. Nikolaus Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die außerordentliche Revision und den Rekurs der klagenden Partei gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. Juli 2018, GZ 13 R 14/18a‑22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00099.19F.1024.000

 

Spruch:

I. Der Rekurs wird zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zu I.:

Der Rekurs gegen einen Beschluss, mit dem das Berufungsgericht einen im Berufungsverfahren eingebrachten Schriftsatz (wegen Verletzung des Einmaligkeitsprinzips) zurückweist, ist gemäß § 519 Abs 1 ZPO nicht zulässig (RS0043841; RS0043763 [T4, T14]; 2 Ob 209/10i).

Zu II.:

1.1. Die bloße Namensnennung berührt das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Recht auf Namensanonymität (vgl RS0008998 [T1]; RS0109217 [T2]), das dem Namensträger zukommt. Die Vorinstanzen legten das Klagebegehren, den Beklagten zu untersagen, den (konkret angegebenen) Vor‑ und Familiennamen der Tochter des Klägers öffentlich zu erwähnen, dahin aus, dass der Kläger damit einen Eingriff in das Recht seiner Tochter auf Namensanonymität geltend mache. Sie wiesen das Klagebegehren in diesem Punkt daher mangels Aktivlegitimation des Klägers ab.

1.2. Der Kläger steht in seiner außerordentlichen Revision auf dem Standpunkt, mit der Nennung des Vor- und Familiennamens seiner Tochter werde auch sein Familienname genannt, sodass seine Rechte berührt seien.

1.3. Die Auslegung des Prozessvorbringens ist stets einzelfallbezogen und bildet daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042828 [T3, T6 ua]). Angesichts des Umstands, dass das Klagebegehren auf die Unterlassung der Nennung des Vor- und Familiennamens der Tochter, nicht bloß auf Unterlassung der Nennung ihres (mit jenem des Klägers übereinstimmenden) Familiennamens gerichtet ist, bedarf die Auslegung der Vorinstanzen, wonach ausschließlich das Recht der Tochter auf Namensanonymität geltend gemacht werde, keiner im Interesse der Rechtssicherheit vorzunehmenden Korrektur im vorliegenden Einzelfall.

2.1. Die Ermittlung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung hängt stets von den näheren Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der konkreten Formulierung in ihrem Zusammenhang ab (RS0031883 [T6]; RS0115693 [T1]; vgl RS0107768). Dies gilt auch für die Frage, ob Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Äußerung vorliegt (RS0113943 [T1]). Ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet demnach keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0107768).

Maßgebend ist das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, nicht der subjektive Wille des Erklärenden (RS0031883 [T3]). Ebenso wenig ist maßgeblich, ob sich der Kläger in einer bestimmten Art und Weise angesprochen fühlt, die sich weder aus der Äußerung noch aus dem vermittelten Gesamteindruck ergibt (RS0031883 [T57]).

2.2. Das Berufungsgericht maß der von den Beklagten in einem außergerichtlichen Abmahnschreiben gegenüber einem Verein, dessen Mitglied der Kläger ist, enthaltenen Formulierung den Tatsachenkern zu, dass ein gerichtliches Sachverständigengutachten, das die Aussage enthalte, bestimmte seinerzeitige Angaben der Tochter des Klägers seien „erfunden“, nicht existiere. Hinsichtlich dieser Äußerung hätten die Beklagten den Wahrheitsbeweis erbracht.

2.3. Der zentrale Aspekt der Auslegung des Berufungsgerichts besteht darin, dass es den Bedeutungsgehalt der in einem gerichtlichen Sachverständigengutachten hinsichtlich der Tochter des Klägers enthaltenen Formulierung, wonach aus psychologischer Sicht keine Hinweise auf einen strafrechtlich relevanten Missbrauch hervorgekommen seien, mit dem Bedeutungsinhalt der Aussage, die diesbezüglichen Behauptungen des Kindes seien erfunden, nicht gleichsetzte. Das Berufungsgericht legte die in dem Abmahnschreiben der Beklagten enthaltenen beanstandeten Äußerungen im Übrigen dahin aus, dass diesen nicht entnommen werden könne, ob die Behauptungen des Kindes richtig oder unrichtig seien.

2.4. Diese Auslegung bewegt sich schon angesichts des Wortlauts des Sachverständigengutachtens und der davon abweichenden Wiedergabe in jener Äußerung, gegen die sich die Beklagten mit ihrem Abmahnschreiben verwahrten, im Rahmen des den Vorinstanzen eingeräumten Beurteilungsspielraums. Dass der Kläger eine abweichende Auslegung – wonach die Beklagten behauptet hätten, die Angaben des Kindes seien wahr – anstrebt, ist nicht geeignet, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darzutun. Der Kläger lässt vielmehr außer Acht, dass sich die Beklagten in ihrem Abmahnschreiben gegen die Paraphrasierung des Sachverständigengutachtens wenden, zu allfälligen tatsächlichen Geschehnissen aber nicht Stellung nehmen. Das Klagebegehren wendet sich damit gegen die Erweckung eines – ehrenbeleidigenden und rufschädigenden – Eindrucks, den die Vorinstanzen der beanstandeten Äußerung gar nicht entnehmen konnten.

2.5. Auf die vom Berufungsgericht im Übrigen angenommenen Rechtfertigungsgründe kommt es angesichts dieser – nicht korrekturbedürftigen – Auslegung der beanstandeten Äußerung nicht an.

2.6. Das Berufungsgericht erachtete die Ausführungen des Klägers zu seiner grundrechtlich geschützten Rechtsposition als nicht geeignet, um daraus konkrete Schlussfolgerungen für den zu beurteilenden Sachverhalt abzuleiten. Dass diese – von den Umständen des Einzelfalls abhängige (RS0042828 [T6]) – Auslegung des klägerischen Vorbringens im Interesse der Rechtssicherheit korrekturbedürftig wäre, wird nicht dargetan. Auch in diesem Zusammenhang wird daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

Stichworte