OGH 4Ob168/19p

OGH4Ob168/19p24.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz‑Martin Orou, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** e.U., Inhaber D*****, vertreten durch Dr. Bernhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterlassung (Streitwert 43.200 EUR), Beseitigung (Streitwert 5.100 EUR), Rechnungslegung und Zahlung (Art XLII EGZPO, Streitwert 5.100 EUR), Auskunftserteilung (Streitwert 5.100 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.100 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 29. Juli 2019, GZ 2 R 66/19v‑15, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00168.19P.1024.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist aufgrund einer Lizenzvereinbarung mit dem Rechteinhaber zum Vertrieb eines „Zirbenwürfels“ aus Zirbenholz berechtigt, für den beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster in der Produktklasse „Ziergegenstände“ registriert und dessen Aussehen ausschließlich durch die folgenden der Registrierung beiliegenden Lichtbilder definiert ist:

 

 

 

 

 

Der Beklagte vertreibt einen ebenfalls aus Zirbenholz gefertigten Würfel mit geringfügig anderem Außenmaß, mit einer Tiefenlochbohrung statt einer Schalenfräsung (jeweils zur Einbringung von Zirbenspänen) an der Oberseite, ohne seitliche Querlochbohrung (in welcher beim Würfel der Klägerin ein Ölfläschchen verstaut werden kann) und ohne Aufschriften:

Das Berufungsgericht wies das einerseits auf einen Eingriff in das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und andererseits auf UrhG und UWG gestützte Klagebegehren ab, den Beklagten zu verpflichten, ohne Zustimmung der Klägerin die Nutzung des registrierten Gemeinschaftsgeschmacksmusters oder eines Designs, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck als dieses hervorrufe, zu unterlassen, rechtswidrig hergestellte Erzeugnisse zu beseitigen und zu vernichten, Rechnung zu legen und entgangenen Gewinn zu leisten, Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg zu erteilen, sowie ihr die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung zu erteilen.

Das Berufungsgericht verneinte die Verletzung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters, weil der Zweck des geschützten Erzeugnisses die Verbreitung von charakteristischem Zirbenduft sei, womit der Werkstoff technisch bedingt und dessen Ähnlichkeit nicht anspruchsbegründend sei. Die bildliche Darstellung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters lasse die konkrete Ausführung der Öffnung an der Oberseite nicht erkennen; die visuelle Erscheinung spiele bei diesem Merkmal gegenüber dem Zweck des Verströmens von Duft auch zufolge der darin aufgenommenen Späne keine Rolle. Auch der Würfelform komme keine ins Gewicht fallende Eigenart zu. Die seitliche Öffnung zur Aufnahme eines Fläschchens sei prägender Bestandteil des Klagsmusters, der beim Eingriffsgegenstand fehle. Es liege ein unterschiedlicher Gesamteindruck vor.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen zeigt die Klägerin in ihrer – sich auf Fragen des Gemeinschaftsgeschmacksmusterrechts beschränkenden – außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Bei Beurteilung der Frage, ob ein anderes Geschmacksmuster in den Schutzumfang des Gemeinschaftsgeschmacksmusters fällt, ist der jeweilige Gesamteindruck zu ermitteln und zu vergleichen. Es kommt nicht auf einen mosaikartig aufgespaltenen Vergleich von Einzelheiten an. Maßgeblich ist vielmehr die Würdigung des Gesamteindrucks unter dem Blickwinkel, ob sich bei einer Gegenüberstellung zweier Formgebungen insgesamt der Eindruck einer Übereinstimmung ergibt (RS0120720). Dies ist danach zu beurteilen, ob beim informierten Benutzer ein anderer Gesamteindruck erweckt wird (RS0122070). Dieser Benutzer unterscheidet sich durch ein gewisses Maß an Kenntnissen und Aufgeschlossenheit für Designfragen vom „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“, wenn auch nicht Wissen und Fähigkeiten eines Fachmanns anzulegen sind (RS0122068). Ein hohes Maß an Eigenart gibt dabei Raum für einen großen Schutzumfang, umgekehrt führt geringe Eigenart auch nur zu einem kleinen Schutzumfang (RS0122071). Ist der informierte Benutzer des Geschmacksmusters bereit, trotz geringer Unterschiede zwischen Formenschatz und Geschmacksmuster die Eigenart zu bejahen, muss er gleichermaßen im Verletzungsstreit bei derartigen Unterschieden zwischen dem Geschmacksmuster und der angegriffenen Ausführungsform die Verletzung verneinen (RS0120720 [T4]; 4 Ob 17/18f mwN).

Ob ein informierter Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck gewinnt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0122070 [T1]) und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf (4 Ob 17/18f mwN).

2. Das Berufungsgericht ist zum Ergebnis gelangt, dass ein informierter Benutzer bei einem Vergleich des geschützten Geschmacksmusters mit dem Eingriffsgegenstand einen unterschiedlichen Gesamteindruck gewinnt. Diese Beurteilung im Einzelfall überschreitet den dem Berufungsgericht in dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraum nicht:

Das Berufungsgericht hat einerseits berücksichtigt, dass das Geschmacksmuster als Würfel nicht vom überkommenen Formenschatz abweicht, dass die – soweit sie sichtbar und Gegenstand des Geschmacksmusterschutzes ist (4 Ob 17/18f [Pkt 3]) – bloße Ausfräsung an der Oberseite zur Aufnahme von Duftspänen ebenso wie die Verwendung desselben Werkstoffs durch die technische Funktion (Beduftung der Umgebung) bedingt sind und dass der Werkstoff an sich auch gar nicht Gegenstand der Anmeldung als Geschmacksmuster war. Wenn das Berufungsgericht andererseits die gut sichtbare seitliche Öffnung des Geschmacksmusters als – wenn auch mit geringer Eigenart – prägend und deren Fehlen beim Eingriffsgegenstand daher als einen anderen Gesamteindruck begründend ansieht, so bildet dies keine im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende Fehlbeurteilung (vgl zur maßgeblichen Einzelfallbeurteilung durch einzelstaatliche Gerichte EuGH 8. März 2018, C‑395/16 , Doceram).

3. Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks, den ein Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorruft, ist die Art und Weise zu berücksichtigen, wie das von dem Geschmacksmuster dargestellte Produkt benutzt wird (EuG 14. März 2017, T‑174/16 , Wessel‑Werk, Rn 26 mwN). Da es somit auf die bestimmungsgemäße Verwendung ankommt, stellt sich die im Zulassungsantrag aufgeworfene Frage nach dem Vergleich des Gemeinschaftsgeschmacksmusters mit dem verpackten Eingriffsgegenstand nicht.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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