OGH 4Ob17/18f

OGH4Ob17/18f20.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei R***** K***** e.U., *****, vertreten durch Hon. Prof. Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung, Beseitigung, Auskunft, Rechnungslegung und Zahlung (Stufenklage) sowie Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 70.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. November 2017, GZ 1 R 124/17p‑16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00017.18F.0220.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Parteien stehen in Österreich im Wettbewerb bei der Erzeugung und beim Handel mit Feuerstellen.

Die klagende Partei ist Inhaberin des im Folgenden dargestellten Geschmacksmusters einer quadratischen Feuerschale, wobei sich der Schutz unter der Nummer DM/084-855 auf das Gebiet der Europäischen Union erstreckt:

Der Beklagte bietet einen Grill mit der Bezeichnung „La Plaza“ und folgendem Aussehen an:

Die Vorinstanzen haben im Verfügungsverfahren den geltend gemachten Eingriff in das Geschmacksmuster der klagenden Partei durch das Produkt des Beklagten bejaht und die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Ein weiteres Unterlassungsbegehren, das ein anderes Geschmacksmuster der klagenden Partei betraf bzw sich auf UWG und UrhG stützte, wurde rechtskräftig abgewiesen.

Das Rekursgericht stützte den stattgebenden Teil seiner Entscheidung darauf, dass das Beklagtenerzeugnis „La Plaza“ in seiner abstrahierten Form exakt dem Klagsmuster gleiche. Größe, Form, Proportionen seien ident. Beim im Verletzungsstreit als Maßfigur relevanten informierten Benutzer werde zwischen dem Klagsmuster und dem Erzeugnis des Beklagten kein anderer Gesamteindruck erweckt. Das Rekursgericht bejahte die Neuheit bzw Eigenart des Klagsmusters und verneinte eine Nichtigkeit des klägerischen Schutzrechts.

Dagegen zeigt der Beklagte in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Sowohl die Schutzfähigkeit als auch der Eingriff in ein Geschmacksmuster sind nach dem Gesamteindruck (4 Ob 177/05s; RIS‑Justiz RS0120720) des informierten Benutzers zu beurteilen (4 Ob 43/07p mwN; RIS‑Justiz RS0122070). Dieser Benutzer unterscheidet sich durch ein gewisses Maß an Kenntnissen und Aufgeschlossenheit für Designfragen vom „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“, wenn auch nicht Wissen und Fähigkeiten eines Fachmanns anzulegen sind (4 Ob 43/07p; RIS‑Justiz RS0122068). Ein hohes Maß an Eigenart gibt dabei Raum für einen großen Schutzumfang, umgekehrt führt geringe Eigenart auch nur zu einem kleinen Schutzumfang (4 Ob 43/07p; RIS‑Justiz RS0122071). Ist der informierte Benutzer des Geschmacksmusters bereit, trotz geringer Unterschiede zwischen Formenschatz und Geschmacksmuster die Eigenart zu bejahen, muss er gleichermaßen im Verletzungsstreit bei derartigen Unterschieden zwischen dem Geschmacksmuster und der angegriffenen Ausführungsform die Verletzung verneinen (4 Ob 177/05s mwN; 4 Ob 246/06i).

2.1 Ob ein informierter Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck gewinnt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0122070 [T1]) und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf (17 Ob 32/09v).

2.2 Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass ein informierter Benutzer bei einem Vergleich des geschützten Geschmacksmusters mit dem Eingriffsgegenstand keinen unterschiedlichen Gesamteindruck gewinnt. Diese Beurteilung im Einzelfall überschreitet den dem Rekursgericht in dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraum nicht, berücksichtigt man die Übereinstimmungen bei der quadratischen Grundform, der mittigen quadratischen Feueröffnung, dem Verhältnis von Seitenlänge zu Höhe und Größe sowie der Form und Anordnung der Löcher in den Seitenwänden, durch die beim Betrieb ein besonderer optischer Effekt dahin erzielt wird, dass der Lichtschein des Feuers durch sie durchdringt.

3. Auch die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass bei der Prüfung des Gesamteindrucks nicht (zwingend) sichtbare Elemente des Eingriffsgegenstands (Aschenlade, Grillbodenrost) nicht zu berücksichtigen seien, bedarf keiner höchstgerichtlichen Korrektur. Der Senat hat in der Entscheidung 4 Ob 76/13z – Grablicht den dort von den Vorinstanzen bejahten unterschiedlichen Gesamteindruck von Klagsmuster und dem angeblichen Eingriffsgegenstand auch deshalb gebilligt, weil der dort zu beurteilende Eingriffsgegenstand (im Gegensatz zum dortigen Klagsmuster) von einem „in der Form deutlich erkennbaren Herz“ geprägt war. Wenn die angefochtene Entscheidung nicht (zwingend) sichtbare Elemente des Eingriffsgegenstands unberücksichtigt lässt, bildet dies keine im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende Fehlbeurteilung.

4.1 Für die Prüfung des Gesamteindrucks ist nicht ein Erzeugnis des Schutzrechtsinhabers, sondern nur dessen Muster heranzuziehen; dieses Muster ist wiederum mit dem Eingriffsgegenstand zu vergleichen (4 Ob 76/13z).

4.2 An diese Vorgaben hat sich das Rekursgericht gehalten, weil es „Klagsmuster und Beklagtenerzeugnisse“ verglich. Das Rechtsmittel vermag hier ein Abgehen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht aufzuzeigen. Auch der Hinweis, dass das Rekursgericht einen Vergleich des Klagsmusters nicht mit dem Erzeugnis des Beklagten, sondern mit dessen (prioritätsjüngeren) Muster hätte vornehmen müssen, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen.

5. Die behauptete Aktenwidrigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

6. Das Rekursgericht hat die Nichtigkeit des Klagsmusters verneint. Darauf kommt die beklagte Partei in ihrem Rechtsmittel nicht mehr zurück. Ihrer Anregung, im Zusammenhang mit der Gültigkeit des Klagsmusters ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, war schon deshalb mangels Relevanz für das Rechtsmittelverfahren nicht zu folgen.

Stichworte