OGH 5Ob129/19k

OGH5Ob129/19k24.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers H*, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin E*, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 8 Abs 2 MRG iVm § 37 Abs 1 Z 5 MRG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 16. April 2019, GZ 22 R 12/19y‑16, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Schwechat vom 15. November 2018, GZ 3 Msch 11/18x‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126475

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden mit Ausnahme der rechtskräftigen Zurückweisung des Unterlassungsbegehrens aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Antragsteller ist Hauptmieter einer Wohnung. Die Antragsgegnerin ist Vermieterin. Im Zug des 2002 der Antragsgegnerin bewilligten Dachgeschoßausbaus wurden die oberhalb der Wohnung des Antragstellers gelegene ehemalige Waschküche und die angrenzenden Trocknungsräume zu neuen Wohnungen umgebaut. Nach Fertigstellung der Arbeiten erteilte die Baubehörde im Oktober 2006 die Benützungsbewilligung.

Der Antragsteller begehrte gestützt auf § 8 Abs 2 MRG wegen unzumutbarer von den neu errichteten Wohnungen ausgehender Lärmbelästigung die Wiederherstellung durch Verlegung von Trittschalldämmungen sowie die Unterlassung derartiger Störungen. Vor dem Ausbau sei zwar keine Trittschalldämmung, aber eine besonders dicke Estrichschicht samt Waschbetonplatten vorhanden gewesen.

Die Antragsgegnerin wendete ein, bei den Umbauarbeiten seien sämtliche einschlägige Bauvorschriften eingehalten worden. Insbesondere sei eine Trittschalldämmung hergestellt worden. Lärmbeeinträchtigungen überstiegen nicht das gemäß ÖAL‑Richtlinie Nr 6/8 zulässige Ausmaß.

Das Erstgericht wies das Wiederherstellungsbegehren ab sowie das Unterlassungsbegehren zurück. Der Antragsteller könne die Ansprüche nicht auf § 8 MRG stützen, weil diese Bestimmung nur den Umfang des Benützungsrechts des Mieters sowie die Rechte des Vermieters gegenüber dem Mieter in Anbetracht von Veränderungen des Mietgegenstands und der Durchsetzung von Erhaltungs‑ und Verbesserungsarbeiten im Bestandobjekt regle. Die Anbringung einer Trittschalldämmung sei allenfalls als nützliche Verbesserung im Sinn des § 4 Abs 2 Z 3 MRG zu sehen. Ein einzelner Mieter sei nicht berechtigt, einen Antrag auf Durchführung von Verbesserungsarbeiten zu stellen. Unterlassungsbegehren könnten nicht im außerstreitigen Verfahren durchgesetzt werden.

Das Rekursgericht gab dem nur gegen die Abweisung des Wiederherstellungsbegehrens gerichteten Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Nach seiner rechtlichen Beurteilung ist § 8 Abs 2 MRG keine taugliche Anspruchsgrundlage für das Wiederherstellungsbegehren. Der Anspruch des Antragstellers könne nur auf § 3 (Durchführung von Erhaltungsarbeiten) oder § 4 MRG (Durchführung von Verbesserungsarbeiten) gestützt werden. Die Verlegung eines Estrichs oder einer Trittschalldämmung zähle nicht zu Erhaltungsarbeiten. Für allfällige Verbesserungsarbeiten, soferne diese aufgrund des einschränkenden Wortlauts überhaupt von § 4 Abs 2 Z 3 MRG umfasst seien, komme dem einzelnen Hauptmieter kein Antragsrecht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der nachträglich zugelassene und beantwortete Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung auch berechtigt.

1. Nach § 8 Abs 2 Z 2 MRG hat der Hauptmieter die vorübergehende Benützung und die Veränderung seines Mietgegenstands zuzulassen, wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Beseitigung einer von seinem oder einem anderen Mietgegenstand ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung oder zur Durchführung von Veränderungen (Verbesserungen) in einem anderen Mietgegenstand notwendig, zweckmäßig und bei billiger Abwägung aller Interessen auch zumutbar ist. Die Zumutbarkeit ist im Besonderen anzunehmen, wenn die Veränderung keine wesentliche oder dauernde Beeinträchtigung des Mietrechts zur Folge hat.

2. Ausgehend von einem weiten Verständnis des Begriffs „anderen Mietgegenstand“ in § 8 Abs 2 Z 2 MRG (RIS‑Justiz RS0069325) ist diese Bestimmung nach Lehre und Rechtsprechung auch auf die Neuerrichtung von Wohnungen und Geschäftslokalen anzuwenden, wie insbesondere im Zug eines – auch im vorliegenden Fall erfolgten – Dachbodenausbaus (5 Ob 22/87 = wobl 1989/3 [Würth, Call]; RS0069515; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 8 MRG Rz 38 mwN).

3. § 8 Abs 2 MRG erfasst auch eine dauernde Veränderung des Mietgegenstands jenes Mieters, dessen Duldungspflicht nach dieser Gesetzesstelle zu beurteilen ist (RS0069346). Dazu zählen auch von einem anderen Mietgegenstand ausgehende dauernde Lärmimmissionen (5 Ob 176/15s = wobl 2016/75 [Etzersdorfer]).

4. Ein Mieter hat einen Dachbodenausbau durch den Vermieter hinzunehmen, wenn dadurch sein Mietrecht – im Sinn einer Abwägung der beiderseitigen Interessen (RS0069506) – nicht wesentlich beeinträchtigt wird (RS0107167).

5. Nach dem für die (verfahrens- und materiell‑rechtliche) Einordnung seines Antrags maßgeblichen Sachvorbringen beruft sich der Antragsteller auf eine wesentliche Beeinträchtigung seines Mietgegenstands durch unzumutbare Lärmimmissionen, die aufgrund der Veränderung der Geschoßdecke von den neu errichteten Wohnungen im Dachgeschoß ausgingen. Seiner Ansicht nach muss er diesen Eingriff in sein Mietrecht nicht dulden.

6. Sein Begehren, mit dem er mangels Duldungspflicht im Sinn des § 8 Abs 2 Z 2 MRG die Wiederherstellung eines dem früheren Zustand entsprechenden Lärmschutzes durch Trittschalldämmung anstrebt, ist nach der Rechtsprechung (5 Ob 176/15s; 5 Ob 262/15p; RS0070525) im außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 5 MRG zu erledigen. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts fehlt ihm deshalb auch nicht die Legitimation, einen auf § 8 Abs 2 MRG gestützten Antrag zu stellen.

7. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die sich mit der Duldungspflicht inhaltlich nicht auseinandergesetzt und keine Feststellungen zur behaupteten wesentlichen Beeinträchtigung durch Lärmimmissionen als Folge baulicher Maßnahmen getroffen haben, sind aus diesen Erwägungen aufzuheben.

8. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Erst mit der endgültigen Sachentscheidung sind die gebotenen Billigkeitserwägungen möglich (5 Ob 176/15s mwN).

Stichworte