OGH 5Ob22/87

OGH5Ob22/878.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers V*** ZUR F*** DER G*** C***, Schillerplatz 5, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Gerald Kleinschuster und Dr. Hans Günther Medwed, Rechtsanwälte in Graz, wider die Antragsgegnerin Amanda W***, Pensionistin, Schillerplatz 5, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Robert Kronegger und Dr. Rudolf Lemesch, Rechtsanwälte in Graz, wegen Duldung von Eingriffen in die Mietrechte, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 29. Oktober 1986, GZ 3 R 247/86-8, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24. Juni 1986, GZ 24 Msch 15/86-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden derart abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

Die Antragsgegnerin hat zu dulden, 1.) daß ihr vom Antragsteller im Dachboden des Hauses Schillerplatz 5 in Graz anstelle der bisher zur Abstellung von Gegenständen mitvermieteten Abstellfläche im Bereich der nördlichen und westlichen Hausmauer und der dort befindlichen Dachsparren in nächstmöglicher Entfernung eine andere gleichgroße Abstellfläche als mitvermietetes Objekt zur Verfügung gestellt wird, so daß die Errichtung einer Kleinwohnung im Wege des Dachbodenausbaues gemäß dem Baubewilligungsbescheid des Magistrates der Stadt GrazPolizeiamt vom 21. September 1984, GZ A 10/3-K I 28423/84-3, möglich ist, und 2.) daß der Antragsteller die von ihr am bisherigen Abstellplatz gelagerten Gegenstände auf seine Kosten und Gefahr zum neuen Abstellplatz schafft.

Text

Begründung

Die Antragsgegnerin ist Hauptmieterin einer Wohnung im zweiten Stockwerk des Hauses Schillerplatz 5 in Graz und benützt eine ihr von dem antragstellenden Hauseigentümer mitvermietete, nicht erkennbar abgegrenzte Abstellfläche im Dachboden im Bereich der nördlichen und westlichen Hausmauer und der dort befindlichen Dachsparren; zuletzt hatte sie dort zwei Übersiedlungskisten, zwei Fahrräder, Balken für acht Fenster und eine Tür, eine PKW-Windschutzscheibe, eine Wohnungstür und einen Sonnenschirmständer abgestellt.

Der antragstellende Verein als Hauseigentümer hat mit Vertrag vom 14. Februar 1984 einen 33 m 2 großen Teil des Dachbodens, der zum Teil auch die von der Antragsgegnerin mitgemietete Abstellfläche erfaßt, Prof. Mladen J*** zum Zwecke der Errichtung einer Kleinwohnung im Wege des Dachbodenausbaues vermietet; zu dieser Baumaßnahme hat der Magistrat der Stadt Graz-Baupolizeiamt mit Bescheid vom 21. September 1984, GZ A 10/3-K I 28 423/84-3, die Bewilligung erteilt.

Die Antragsgegnerin weigert sich, die räumliche Verlagerung ihrer mitgemieteten Abstellfläche im Bereich des Dachbodens zu dulden, weil ihr Mietrecht einen ganz bestimmten Teil des Dachbodens erfasse.

Der Antragsteller begehrte - zunächst bei der Schlichtungsstelle des Magistrats der Stadt Graz -, "daß die Antragsgegnerin verhalten werde, die Veränderung bzw. den Eingriff in ihre Mietrechte im Hause Graz, Schillerplatz 5, dahingehend zu dulden, daß die von ihr im Dachboden dieses Hauses abgestellten Fahrnisse vom bisherigen Aufbewahrungsort darin, nämlich nordwestlich des Dachbodens im Bereiche der nördlichen und westlichen Hausmauer und dort befindlichen Dachsparren in einen anderen Bereich des Dachbodens durch den Antragsteller so abgestellt werden dürfen, daß die Errichtung einer Kleinwohnung gemäß Baubewilligungsbescheid des Magistrates Graz - Baupolizeiamt vom 21. September 1984, GZ A 10/3-K I 28423/84-3, in keiner Weise behindert oder erschwert wird und durchgeführt werden kann".

Nach Außerkrafttreten der Entscheidung der Schlichtungsstelle wies das Erstgericht den Antrag ab. Es begründete seinen Sachbeschluß im wesentlichen damit, daß die Verlagerung der Fahrnisse der Antragsgegnerin als Mieterin, um den bisherigen Platz zum Ausbau einer Kleinwohnung zu verwenden, eine dauernde Veränderung des Mietgegenstandes bewirke, und ein derartiger Eingriff der Antragsgegnerin, die niemanden über sich wohnen lassen wolle, unzumutbar sei; das Interesse eines anderen Mieters, der an dieser Stelle eine Kleinwohnung errichten wolle, und des antragstellenden Vermieters am Ausbau des Dachbodens durch Errichtung einer Kleinwohnung wiege weniger schwer als jenes der Mieterin und Antragsgegnerin.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung der ersten Instanz und erklärte den weiteren Rekurs an den Obersten Gerichtshof wegen des Fehlens einschlägiger höchstgerichtlicher Judikatur zur zulässig. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es im wesentlichen an:

Gemäß § 8 Abs 2 Z 2 MRG, worauf der Antrag erkennbar gestützt sei, habe ein Hauptmieter die vorübergehende Benützung und die Veränderung seines Mietgegenstandes zuzulassen, wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Durchführung von Veränderungen (Verbesserungen) in einem anderen Mietgegenstand notwendig, zweckmäßig und bei billiger Abwägung aller Interessen auch zumutbar ist; die Zumutbarkeit ist im besonderen anzunehmen, wenn die Veränderung keine wesentliche oder dauernde Beeinträchtigung des Mietrechts zur Folge hat. Diese Bestimmung beziehe sich somit auf Verbesserungs- und sonstige Änderungsarbeiten in einem Mietgegenstand, den ein anderer Mieter benützt (vgl. Korinek-Krejci, HBzMRG 239). Unter einem Mietgegenstand im Sinne dieser Gesetzesstelle könne wohl nur ein bereits geschaffener Mietgegenstand im Sinne des § 1 Abs 1 MRG verstanden werden. Die Schaffung eines solchen Mietgegenstandes könne hingegen schon nach dem Wortsinn nicht mit der Durchführung einer Veränderung im Sinne des § 8 Abs 2 Z 2 MRG gleichgesetzt werden. Darüberhinaus könne auch von einem "anderen" Mietgegenstand nicht gesprochen werden, wenn der von den Veränderungen betroffene örtliche Bereich vom Mietrecht der Antragsgegnerin umfaßt sei und offenbar eine Doppelvermietung vorliege.

Der antragstellende Vermieter bekämpft diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz mit Revisionsrekurs. Er stellt den Hauptantrag, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses seinem Sachantrag Erfolg zu geben, und begehrt hilfsweise, diesen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung in eine der beiden Vorinstanzen zurückzuverweisen. Die Mieterin als Antragsgegnerin begehrt, dem Rechtsmittel des antragstellenden Vermieters nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Gemäß § 8 Abs 2 Z 2 MRG hat der Hauptmieter unter anderem auch die Veränderung seines Mietgegenstandes zuzulassen, wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Durchführung von Veränderungen (Verbesserungen) in einem anderen Mietgegenstand notwendig, zweckmäßig und bei billiger Abwägung aller Interessen auch zumutbar ist; die Zumutbarkeit ist im besonderen anzunehmen, wenn die Veränderung keine wesentliche oder dauernde Beeinträchtigung des Mietrechts zur Folge hat.

Der Ausbau eines vermieteten Teiles des Dachbodens durch den Mieter dieses Mietgegenstandes zu einer Kleinwohnung stellt eine Veränderung dieses Mietgegenstandes im Sinne des § 8 Abs 2 Z 2 MRG dar, denn nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ist darunter auch eine Umgestaltung des Mietgegenstandes der Art zu verstehen, daß seine Nutzungsmöglichkeit verändert wird. Dementsprechend ist der Begriff "anderer Mietgegenstand" in dieser Gesetzesstelle nicht so eng zu verstehen, daß darunter nur eine Wohnung oder ein Geschäftslokal fällt. Vielmehr kann dies auch ein bisher für Wohn- oder Geschäftszwecke nicht geeigneter Teil eines Hauses sein, wie hier ein Teil des Dachbodens, der erst im Wege des sogenannten Dachausbaues zu einer Kleinwohnung umgestaltet werden soll. Schließlich ist ja - woran weder die Antragsgegnerin noch die beiden Vorinstanzen gezweifelt haben - auch die von der Antragsgegnerin als Hauptmieterin einer Wohnung mitgemietete und nicht erkennbar abgegrenzte Abstellfläche im Dachboden desselben Hauses Mietgegenstand im Sinne der angeführten Gesetzesstelle. Es ist nun gar nicht streitig, daß diese Abstellfläche zur Errichtung einer Kleinwohnung im Dachgeschoß des Hauses unbedingt notwendig ist und in Anspruch genommen werden muß, um den beabsichtigten Zweck zu erreichen. Wird diese Abstellfläche in die zu errichtende Kleinwohnung miteinbezogen und an ihrer Stelle vom antragstellenden Vermieter der Antragsgegnerin als Mieterin in nächstmöglicher Nähe eine gleichgroße andere Abstellfläche zur Verfügung gestellt, so kommt es in Wahrheit doch nur zu einer räumlichen Veränderung (Verlagerung) der mitvermieteten Abstellfläche ohne irgend eine beachtliche Beeinträchtigung des Nutzungszweckes des Mietgegenstandes Abstellfläche und der Nutzungsbefugnisse der Mieterin. Der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, daß eine derartige bloß räumliche Verschiebung einer Dachbodenabstellfläche auch dem Begriff (dauernde) "Veränderung" des Mietgegenstandes des von Veränderungen an einem anderen Mietgegenstand betroffenen Hauptmieters zuzuordnen ist. Eine Abwägung der Interessen der von der Errichtung einer Kleinwohnung durch den Mieter eines dazu bestimmten Dachbodenraumes betroffenen Mieterin einer Dachbodenabstellfläche und jenes Mieters sowie des antragstellenden Vermieters läßt gar keine Möglichkeit offen, die (räumliche) Veränderung der nicht erkennbar abgegrenzten Dachbodenabstellfläche für die Antragsgegnerin als unzumutbar zu qualifizieren, denn es ist - unterstellt man nicht mißbräuchliche Rechtsausübung in schikanöser Absicht - kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum die von der Antragsgegnerin bisher abgestellten Gegenstände nicht auch an einer räumlich veränderten gleichgroßen Abstellfläche gelagert werden können, ist doch damit auch für die Antragsgegnerin keine Erschwernis des Zuganges zu diesen Gegenständen verbunden. Der Umstand, daß die Antragsgegnerin als Hauptmieterin künftig eine über ihrer Wohnung befindliche Kleinwohnung haben wird, stellt keine unzumutbare Beeinträchtigung ihrer bisherigen Rechtsposition dar. Aus den dargelegten Erwägungen muß dem Antrag des Vermieters Berechtigung zuerkannt werden. Da das Gericht besonders im außerstreitigen Verfahren nicht an den Wortlaut eines Antragsbegehrens gebunden ist, konnte im erkennbaren Antragsinn der Entscheidungsspruch in zweckmäßige und notwendige Form gefaßt werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte