OGH 3Ob117/19f

OGH3Ob117/19f29.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.‑Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei J***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. G*****, 2. C*****, 3. M*****, alle vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Wien, wegen 1.) 115.138,18 EUR sA und 2.) 69.976,59 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2019, GZ 12 R 82/18v‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00117.19F.0829.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.

 Fragen der Vertragsauslegung hängen stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und können nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende – vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende – Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS‑Justiz RS0044298 [T27]). Eine solche liegt hier nicht vor; die Auslegung der werkvertraglichen Vereinbarung durch die Vorinstanzen dahin, dass unter der „förmlichen Objektübernahme“, ab der die Klägerin ihre Schlussrechnung binnen eines Monats zu legen hatte, die förmliche Übernahme ihrer Arbeiten durch die Beklagten (im März 2014) und nicht erst die Schlussbegehung des Objekts durch die Förderstelle nach Gesamtfertigstellung des Bauvorhabens (im Dezember 2014) zu verstehen sei, ist jedenfalls vertretbar.

2. Selbst wenn die Parteien die Errichtung einer schriftlichen Vertragsurkunde vorgesehen haben, besagt eine solche Vereinbarung noch nicht, sie wollten vor der Beurkundung ihres Geschäftswillens iSd § 884 ABGB nicht gebunden sein, sofern nicht ein ausdrücklicher Vorbehalt in diese Richtung gemacht wurde (RS0017286 [T8]). Insbesondere eine (Teil‑)Erfüllung vor der Formeinhaltung kann die Vermutung des § 884 ABGB widerlegen (RS0017286 [T7]).

Wenn das Berufungsgericht den Einwand der Klägerin, die Verjährungsfrist habe keinesfalls vor der Unterfertigung des endgültigen Vertragstextes am 1./10. Juni 2014 zu laufen beginnen können, mit der Begründung verwarf, dass sich die Parteien bereits am 3. September 2013 mündlich über alle Vertragspunkte mit Ausnahme der damals noch strittigen Abgeltung von Parkgebühren der Klägerin, also insbesondere auch über die letztlich auch im schriftlichen Werkvertrag enthaltene Frist für die Legung der Schlussrechnung, geeinigt hatten, begründet dies daher keine erhebliche Rechtsfrage.

Daran kann auch die von der Klägerin ins Treffen geführte Passage des E-Mails der von den beklagten Bauherren beauftragten Ziviltechniker-GmbH vom 13. Mai 2014 nichts ändern, wonach die Klägerin erst (Schluss‑)Rechnung legen könne, wenn es einen unterschriebenen Vertrag gebe. Maßgeblich ist nämlich nicht diese Wissenserklärung, sondern die bereits im September 2013 mündlich getroffene Vereinbarung, aufgrund derer die Schlussrechnung binnen eines Monats nach der förmlichen Übernahme zu legen war.

3.

 Die Verjährungseinrede verstößt gegen Treu und Glauben, wenn die Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten seines Gegners zurückzuführen ist (

RS0014838).

Es begründet

Arglist, die der Einrede der Verjährung entgegengesetzt werden kann, wenn zuerst auf die Einrede der Verjährung verzichtet und dann doch im Prozess die Verjährung eingewendet wird (

RS0014828;

RS0014826).

Bei der Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin der Verjährungseinrede der Beklagten aufgrund der Mitteilung der Ziviltechniker-GmbH im E‑Mail vom 21. Oktober 2015, wonach die Klägerin letztmalig die Möglichkeit habe, bis 30. Oktober 2015 die Schlussrechnung zu legen, widrigenfalls ihre Leistung durch eine Ersatzvornahme bewertet werde, nicht die Replik der Arglist oder der Sittenwidrigkeit entgegensetzen könne, handelt es sich ebenfalls nicht um eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Aus der letztmaligen Urgenz der Legung der – für die Gesamtabrechnung des geförderten Bauvorhabens notwendigen – Schlussrechnung unter Setzung einer Nachfrist und Androhung der Ersatzvornahme kann für sich allein noch kein Verzicht auf die Verjährungseinrede abgeleitet werden.

4. Soweit sich die Klägerin erstmals in dritter Instanz darauf beruft, dass die Beklagten ihr erst mit E-Mail vom 12. Mai 2015 alle für die erforderliche Gliederung der Schlussrechnung entsprechend den Vorgaben der Förderstelle erforderlichen Informationen erteilt hätte, handelt es sich um eine unzulässige und damit unbeachtliche Neuerung.

Stichworte