OGH 7Ob185/18h

OGH7Ob185/18h28.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* B*, vertreten durch Dr. Ingrid Türk, Rechtsanwältin in Lienz, gegen die beklagte Partei H* B*, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, wegen 35.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. Juli 2018, GZ 4 R 85/18z‑22, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 5. März 2018, GZ 1 Cg 109/17x‑9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E126067

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Begründung:

Der Kläger, der die Beklagte 2001 kennengelernt hatte, traf diese anlässlich eines berufsbedingten Aufenthaltes in ihrem Heimatort im März 2002 wieder. Er erzählte ihr, dass er geschieden sei und er gerne mit der Beklagten eine Familie gründen wolle. Die Streitteile nahmen (wieder) intimen Kontakt auf. Dem Kläger war bekannt, dass die Beklagte in ihrer Mietwohnung mit einem Lebensgefährten zusammen wohnte. Aus Anlass einer Geburtstagsfeier der Beklagten am 10. 12. 2002 in deren Wohnung, zu der der Kläger anreiste, informierte die Beklagte ihn, dass sie sich von dem Lebensgefährten getrennt hätte und er bereits ausgezogen sei. An diesem Abend kam es zwischen den Streitteilen auch zu einem intimen Kontakt, danach bis Februar oder März 2003 nicht mehr.

Am 14. 12. 2002 setzte bei der Beklagten der erste Tag der letzten Regelblutung vor der Schwangerschaft ein. Sie hatte ihren letzten ungeschützten intimen Kontakt mit dem ehemaligen Lebensgefährten nach dem 14. 12. 2002.

In der Zeit davor hatte die Beklagte regelmäßige Regelblutungen, was sie auch dem behandelnden Facharzt anlässlich der gynäkologischen Anamnese am 3. 3. 2003 mitteilte.

Der Kläger erfuhr erstmals im Februar oder März 2003 von der Mutter der Beklagten und anschließend von der Beklagten selbst, dass sie schwanger sei. Die Beklagte sagte dem Kläger, dass er der Vater des Kindes sei, ohne zu erwähnen, dass aufgrund der intimen Kontakte mit dem früheren Lebensgefährten im Dezember 2002 auch dieser als Vater in Frage käme.

Nach der bekämpften, vom Berufungsgericht aber nicht geprüften, weiteren erstgerichtlichen Feststellung wusste die Beklagte anlässlich des Bekanntwerdens ihrer Schwangerschaft aufgrund des letzten intimen Kontakts am 10. 12. 2002, dass der Kläger als Vater des ungeborenen Kindes ausschied und ihre Schwangerschaft erst aufgrund des intimen Kontakts mit dem Lebensgefährten nach dem 14. 12. 2002 verursacht worden sein konnte.

Für den Kläger bestand aufgrund der Information der Beklagten, dass er der Vater des erwarteten Kindes sei, keine Veranlassung, seine Vaterschaft in Zweifel zu ziehen.

Der Kläger erkannte die Vaterschaft zu dem am 8. 9. 2003 geborenen Sohn der Beklagten an. Am 3. 7. 2010 schlossen die Streiteile die Ehe, die am 11. 11. 2016 wieder geschieden wurde. Mit Beschluss vom 20. 6. 2017 wurde festgestellt, dass der Sohn der Beklagten nicht vom Kläger abstammt und kein legitimes Kind aus der Ehe der Streiteile ist.

Der Kläger begehrt 35.000 EUR sA an für das Kind bezahltem Unterhalt und stützt sich auf Schadenersatz und Bereicherung. Er habe der Beklagten vertraut und aus diesem Grund das Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben. Die Beklagte habe ihn belogen und den Mehrverkehr vorsätzlich verschwiegen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe von ihrer Lebensgemeinschaft gewusst. Er habe sie nie gefragt, ob er tatsächlich der leibliche Vater ihres Sohnes sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte habe den Kläger wissentlich irrig zur Meinung veranlasst, unterhaltspflichtig zu sein, sie hafte für diesen wissentlich zugefügten Schaden.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Bereicherung der Beklagten verneinte es mangels Verzichts des Klägers auf die Kondiktion gegen den Sohn und mangels Befreiung der Beklagten von ihrer Verbindlichkeit gegenüber dem Sohn. Der Kläger habe die Mitteilung, dass er Vater des Kindes sei, entgegengenommen und nicht bezweifelt, obwohl er von der bis Dezember 2002 bestehenden Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann gewusst habe. Die bloße Unterlassung der Aufklärung über einen Mehrverkehr in der Empfängniszeit stelle kein sittenwidriges, haftbar machendes Handeln der Beklagten dar. Ebenso wenig führe ein Wissen der Mutter um die Vaterschaft zu ihrem Sohn zur Schadenersatzpflicht, solange sie nicht Fragen des von ihr als Vater bezeichneten Mannes bewusst wahrheitswidrig beantworte. Da der Kläger der Beklagten im empfängnisrelevanten Zeitraum beigewohnt habe, habe er für die Entkräftung der Vermutung Sorge tragen müssen, was ihm aber nicht geglückt sei.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur Frage eines Verwendungsanspruchs des Scheinvaters nach § 1042 ABGB nur ältere Judikatur vorliege, die Literatur aber zur Verneinung eines derartigen Anspruchs tendiere und eine Klarstellung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen dem Scheinvater ein Verwendungsanspruch gegen die Mutter zustehe, wünschenswert erscheine.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Beklage beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags (5 Ob 234/10p; 7 Ob 269/08x) auch berechtigt.

1. Zum Bereicherungsanspruch:

1.1 Wer für einen Anderen einen Aufwand macht, den dieser nach dem Gesetz selbst hätte machen müssen, hat das Recht, Ersatz zu fordern. Erbringt ein vermeintlich selbst dazu Verpflichteter Unterhaltsleistungen, hat er – außer bei Schenkungsabsicht – nach Beseitigung des ihn als Vater feststellenden Rechtsakts grundsätzlich gegen den in Wahrheit nach dem Gesetz Unterhaltspflichtigen einen Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB. Dabei ist der vom Scheinvater geltend gemachte Anspruch nicht schon deshalb zu verneinen, weil er die Unterhaltszahlung in der Überzeugung leistete, dadurch eine eigene Schuld zu erfüllen. Es entspricht gesicherter Rechtsprechung, dass im Ausmaß der vom Scheinvater erfüllten Unterhaltsschuld der Unterhaltsanspruch des Kindes erloschen ist und der wahre Unterhaltspflichtige damit von seiner Verpflichtung befreit wird (4 Ob 87/17y mwN; 7 Ob 60/15x; RS0020073).

1.2 Der (Geld‑)Unterhaltspflichtige ist grundsätzlich der biologische Vater, unabhängig davon, ob seine Vaterschaft rechtlich festgestellt wurde (vgl 7 Ob 60/15x mwN), weil der Unterhaltsanspruch des Kindes auf dem Gesetz beruht und nicht von der Kenntnis des Schuldners von seiner Unterhaltspflicht abhängt (RS0102045). Daraus folgt auch die Möglichkeit rückwirkender Geltendmachung von Unterhalt (7 Ob 39/00m).

1.3 Eine Solidarschuld der unterhaltspflichtigen Eltern besteht nicht, sie haben den Unterhalt vielmehr anteilig nach ihrer Leistungsfähigkeit zu tragen (RS0047415 [T6]).

Abgesehen davon, dass sich die vom Revisionswerber behauptete mangelnde Benennung des Vaters durch die Mutter aus den Feststellungen nicht ergibt, entspricht auch der daraus gezogene Schluss auf eine subsidiäre (Geld‑)Unterhaltspflicht der Mutter nicht der Rechtslage: Die den Sohn in ihrem Haushalt versorgende Mutter erfüllt bereits damit im Sinne § 231 Abs 2 ABGB bzw § 140 ABGB idF vor BGBl I 2013/15 ihre Unterhaltspflicht. Dass sie aber zum (Geld‑)Unterhalt ihres Kindes beizutragen hatte, weil der andere Elternteil zur vollen Deckung dieser Bedürfnisse des Kindes nicht in der Lage war oder mehr leisten hätte müssen, als es seinen Lebensverhältnissen entsprochen hätte, wurde nicht behauptet und ist nicht hervorgekommen. Eine Bereicherung der Mutter durch die Unterhaltszahlungen des Klägers ist daher nicht erkennbar.

1.4 Die vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung angesprochene Entscheidung 4 Ob 201/07y hatte die Ansprüche des Scheinvaters gegen den biologischen Vater zum Inhalt und ist daher hier nicht einschlägig.

1.5 Da somit die – auf der Tatsachenebene gar nicht feststehende – mangelnde Benennung des Vaters nicht zu einer subsidiären Unterhaltspflicht der Mutter führt und eine solche infolge mangelnder Leistungsfähigkeit des biologischen Vaters nicht vorliegt, ist der Bereicherungsanspruch des Klägers zu verneinen.

2. Zum Schadenersatzanspruch:

2.1 Die Rechtsprechung gewährt demjenigen, der die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind anerkannt, in der Folge aber dieses Anerkenntnis erfolgreich angefochten hat, dann einen auf § 1295 Abs 2 ABGB gestützten Schadenersatzanspruch gegen die Mutter des Kindes, wenn sie die Abgabe des Anerkenntnisses durch bewusst wahrheitswidrige Angaben veranlasst hat (8 Ob 125/14m mwN; 1 Ob 536/88; RS0048325; Reischauer in Rummel³ § 1295 Rz 60; Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 1295 Rz 81). Bloß (auch grob) fahrlässiges Handeln genügt nicht (8 Ob 125/14m; Harrer in Schwimann, ABGB4 VI § 1295 Rz 146).

2.2 Wenn die Mutter einen Mann als Vater bezeichnet, für den die Vermutung des § 148 Abs 2 ABGB (§ 163 Abs 1 ABGB idF vor BGBl 2013/115) spricht, der also der Mutter innerhalb von nicht mehr als 300 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Geburt beigewohnt hat, besteht nach der Judikatur keine Offenlegungspflicht über einen Mehrverkehr, wenn ein solcher vom Scheinvater nicht in Betracht gezogen und die Mutter darüber nicht befragt wird (8 Ob 125/14m; 4 Ob 1600/94; 1 Ob 536/88; RS0048514). Die dazu ergangenen Entscheidungen betrafen jeweils Fälle, in denen die Mutter der Meinung war, dass der als Vater bezeichnete Mann auch tatsächlich der Vater war. So glaubte die Mutter in 1 Ob 536/88 bereits von ihm schwanger zu sein. Auch in 4 Ob 1600/94 hielt die Mutter den Scheinvater für den wahrscheinlichen Vater bzw ging nach den Feststellungen in 8 Ob 125/14m stets davon aus, dass der Scheinvater der Vater sei.

2.3 Im Gegensatz dazu ist in Fällen, in denen die Mutter die Vaterschaft nicht gutgläubig in Betracht gezogen, sondern den Mann wider besseres Wissen als den Vater bezeichnet hat, die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Frage des als Vater bezeichneten Mannes nach einem allfälligen Mehrverkehr nicht mehr zu fordern (vgl 6 Ob 48/98x).

2.4 Hier hat die Beklagte dem Kläger nicht nur mitgeteilt, dass sie schwanger sei, sondern auch, dass er der Vater sei. Es kommt daher zentral auf die bekämpfte, aber vom Berufungsgericht nicht geprüfte Feststellung an. Bliebe es bei den Feststellungen des Erstgerichts, wusste damit die Mutter, dass die Vaterschaft des Klägers auszuschließen war und bezeichnete sie ihn dennoch bewusst wahrheitswidrig und wider besseres Wissen als Vater, so würde dies auch ohne Fragen des Klägers nach einem allfälligen Mehrverkehr zur Haftung der Mutter nach § 1295 Abs 2 ABGB führen (vgl 6 Ob 48/98x; RS0048325). Andernfalls hat die Beurteilung nach den zu Punkt 2.2 dargelegten Grundsätzen zu erfolgen.

Der Revision war daher Folge zu geben und die Rechtssache zur Behandlung der Beweisrüge an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

3. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50 Abs 1 und 52 Abs 1 ZPO.

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