European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00125.14M.0730.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie als Endurteil zu lauten haben:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 80.000 EUR samt Anhang zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 8.776,62 EUR (darin 1.462,77 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 14.505,40 EUR (darin 827,90 EUR USt und 9.538 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile, damals 24 und 19 Jahre alt, lernten einander im Jahre 1986 kennen und gingen eine „lose Beziehung“ ein, wobei sie häufigen Geschlechtsverkehr hatten. Die Beklagte wurde schwanger und gebar am 19. 2. 1987 eine Tochter. Sie ging stets davon aus, dass der Kläger der Vater des Kindes ist. Der Kläger, der daran wegen der Intensität der geschlechtlichen Beziehung mit der Beklagten auch nicht zweifelte, anerkannte die Vaterschaft zu dem Kind kurz nach dessen Geburt. Die Streitteile gingen danach eine Lebensgemeinschaft ein, die bis zum Jahr 2007 andauerte.
Einige Monate nach der Geburt des Babys meinte die Mutter des Klägers, dass es ihm überhaupt nicht ähnlich sehe und er deshalb wohl nicht der Vater sei. Der Kläger sprach die Beklagte darauf an, worauf sie ihm antwortete, dass er natürlich der Vater sei und sie nicht fremdgegangen sei. Der Kläger glaubte ihr und war in der Folge von seiner Vaterschaft wieder überzeugt.
Während der Lebensgemeinschaft mit dem Kläger gebar die Beklagte drei weitere Kinder, zu denen der Kläger jeweils die Vaterschaft anerkannte. Im Jahre 2010 veranlasste er aufgrund neu aufgetretener Zweifel DNA-Tests, nach deren Ergebnis keines der vier Kinder von ihm abstammt.
Die Vaterschaftsanerkenntnisse des Klägers wurden mittlerweile mit Beschlüssen des Erstgerichts rechtskräftig für rechtsunwirksam erklärt. Während der biologische Vater der drei jüngeren Geschwister fest steht, ist der Erzeuger der ältesten Tochter unbekannt geblieben.
Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren den pauschalierten Ersatz des von ihm für die älteste vermeintliche Tochter geleisteten Unterhalts. Die Beklagte habe ihn bewusst in die Irre geführt und zum Vaterschaftsanerkenntnis „bewegt“, indem sie durch zahlreiche Liebesbekundungen und bewusst wahrheitswidrige Angaben vorgetäuscht habe, in der empfängniskritischen Zeit lediglich mit ihm verkehrt zu haben. Er stütze das Begehren auf Schadenersatz und hilfsweise auf § 1042 ABGB.
Die Beklagte erhob einen (im Revisionsverfahren nicht mehr aufrecht erhaltenen) Verjährungseinwand und brachte in der Sache selbst vor, sie habe nie Zweifel an der Vaterschaft des Klägers zu ihrer ältesten Tochter gehegt und keine bewusst wahrheitswidrigen Angaben gemacht oder ihn zum Anerkenntnis der Vaterschaft veranlasst. Nach den von ihr angestellten Berechnungen des möglichen Empfängniszeitraums sei kein anderer als der Kläger als Vater in Frage gekommen. Weder stehe dem Kläger daher ein Schadenersatzanspruch zu, noch seien die rechtlichen Voraussetzungen für einen Bereicherungsanspruch gemäß § 1042 ABGB erfüllt.
Das Erstgericht gab mit Zwischenurteil dem Klagebegehren dem Grunde nach statt. Es verwarf den Verjährungseinwand als unbegründet, hielt den Schadenersatzanspruch aber für berechtigt. Zwar gebe es nach herrschender Rechtsprechung keine aktive Offenlegungspflicht einer unehelichen Mutter über einen Mehrverkehr in der empfängniskritischen Zeit, sehr wohl aber hafte sie für wider besseres Wissen dem Scheinvater gegenüber abgegebene Beteuerungen, dass außer ihm kein anderer als Vater in Frage komme. Die Beklagte habe nicht gutgläubig annehmen dürfen, dass der Kläger der einzig mögliche Vater wäre. Seine Schädigung habe sie daher zumindest mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen, zumal er sein Anerkenntnis im Vertrauen auf seine Vaterschaft abgegeben habe. Soweit der Klagsanspruch auf § 1042 ABGB gestützt werde, sei die Rechtssache derzeit noch nicht spruchreif.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten keine Folge. Die Fällung eines Zwischenurteils sei zwar unzulässig gewesen, weil das Erstgericht Teile des Anspruchsgrundes für noch nicht spruchreif erachtet habe, jedoch sei dieser Mangel vom Kläger nicht aufgegriffen worden. Der Anspruch nach § 1042 ABGB sei damit aus dem weiteren Verfahren ausgeschieden. Im Übrigen sei die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts jedoch zutreffend.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Beklagten ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO einer Korrektur bedarf. Die Revision ist dementsprechend auch berechtigt.
1. Der Kläger hat die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Anspruch nach § 1042 ABGB sei aus dem Verfahren ausgeschieden, in dritter Instanz nicht bekämpft. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher nur mehr sein Schadenersatzbegehren.
2. Den Schadenersatzanspruch hat der Kläger darauf gestützt, dass ihn die Beklagte durch bewusst wahrheitswidrige Beteuerungen und Angaben zum Vaterschaftsanerkenntnis „bewegt“ habe.
2.1. Im Zivilprozess werden die Grenzen der Entscheidungsbefugnis durch den Verfahrensgegenstand, also den Inhalt des Sachantrags und das diesen begründende Tatsachenvorbringen abgesteckt (RIS‑Justiz RS0124048). Derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, hat auch die rechtsbegründenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0037797 [T16]).
Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass das Klagsvorbringen zur Begründung des Schadenersatzanspruchs in den getroffenen Feststellungen keine Deckung findet. Es waren danach nicht Behauptungen der Beklagten, die den Kläger dazu brachten, das Vaterschaftsanerkenntnis abzugeben, sondern er war von seiner Vaterschaft aufgrund der objektiven Tatsache überzeugt, dass er im fraglichen Zeitraum mit ihr häufigen Geschlechtsverkehr hatte.
2.2. Aufgrund der Rechtsrüge der Beklagten hat das Berufungsgericht diese Divergenz anscheinend auch erkannt, weil es seine bestätigende Entscheidung auf die zusätzliche Überlegung gründete, der Kläger habe sein Vaterschaftsanerkenntnis wegen der Erklärungen der Beklagten „nicht früher bekämpft“.
Diese Begründung des Berufungsgerichts ist im Klagsvorbringen nicht gedeckt. Es gibt im vorliegenden Verfahren kein Vorbringen, dass der Kläger sein bereits abgelegtes Vaterschaftsanerkenntnis früher bekämpft hätte, wenn die Beklagte seine Bedenken in dem festgestellten Gespräch nicht zerstreut hätte. Allein daraus, dass der Kläger irgend etwas tun hätte können, lässt sich ein konkreter Schadenersatzanspruch nicht ableiten.
Die Behauptungs- und Beweislast, dass bei pflichtgemäßem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten (RIS-Justiz RS0022900 [T5 und T11]). Der Problematik der Beweisbarkeit eines bloß hypothetischen Kausalverlaufs trägt die Judikatur dadurch Rechnung, dass daran nicht so strenge Anforderungen gestellt werden wie bei der Schadenszufügung durch positives Tun (RIS-Justiz RS0022900 [T1 und T14]). Um die Kausalität der Erklärung der Beklagten darzustellen, hätte der Kläger aber jedenfalls behaupten müssen, welche Schritte er im Fall eines rechtmäßigen Alternativverhaltens unternommen hätte, zu welchem Zeitpunkt er sich dazu entschlossen hätte, und inwieweit dadurch der geltend gemachte Schaden nicht eingetreten wäre.
2.3. Das Erstgericht musste diese Frage mit dem anwaltlich vertretenen Kläger auch nicht von Amts wegen erörtern, weil die Manuduktionspflicht des Gerichts nicht so weit reicht, auf Rechtsgründe hinweisen zu müssen, die ein völlig neues Tatsachenvorbringen erfordern (RIS-Justiz RS0120057). Im Übrigen konnte der Kläger schon deswegen nicht davon überrascht sein, dass er sein Vorbringen, durch die Beklagte zur Abgabe des Vaterschaftsanerkenntnisses verleitet worden zu sein, nicht würde beweisen können, weil er es nicht einmal in seiner eigenen Parteienaussage bestätigt hat.
Ein Alternativvorbringen wäre allenfalls dann als entbehrlich anzusehen gewesen, wenn der vom Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung unterstellte Geschehensablauf nach der Lebenserfahrung ohne jede denkbare Alternative gewesen wäre. Davon kann aber hier nicht die Rede sein. Es ist wohl möglich, dass der Kläger sein Anerkenntnis umgehend und mit Erfolg bekämpft hätte. Es hätte der Beklagten jedoch auch gelingen können, ihn trotz Eingeständnisses eines Mehrverkehrs von seiner Vaterschaft zu überzeugen, zumal sie ja selber „stets davon ausgegangen ist, dass er der Vater ist“. Auch die Möglichkeit eines DNA‑Tests stand notorisch im Jahre 1987 noch nicht allgemein zur Verfügung.
Das Fehlen eines ausreichenden Vorbringens, aus dem der geltend gemachte Anspruch abzuleiten wäre, muss zur Abweisung des Schadenersatzbegehrens führen.
3. Darüber hinaus bedarf auch die Beurteilung der Schuldfrage durch das Berufungsgericht einer korrigierenden Klarstellung.
3.1. Den Vorinstanzen ist beizupflichten, dass die Existenz der nicht vom Kläger stammenden Tochter die Behauptung der Beklagten, es habe im gesamten empfängniskritischen Zeitraum überhaupt keinen Mehrverkehr gegeben, als objektiv unrichtig beweist. Daraus ist aber für die Beurteilung des Verschuldens der Beklagten an der unrichtigen Auskunft und die Erfüllung des Haftungsmaßstabs noch nichts gewonnen.
3.2. Gemäß § 163a Abs 1 ABGB hat die Mutter eines unehelichen Kindes das Recht, den Namen des Vaters nicht bekanntzugeben. Allein aus der Ausübung dieses Schweigerechts kann kein Schadenersatzanspruch abgeleitet werden ( Stabentheiner in Rummel ³ § 163a ABGB Rz 3; Stefula in Klang ³ § 163a Rz 14; Gitschthaler , Scheinvaterregress ‑ Bereicherung oder Schadenersatz, EF‑Z 2009/94, 133).
3.3. Nach herrschender Auffassung gibt es kein absolutes Persönlichkeitsrecht, nicht für den Vater eines Kindes zu gelten, das man nicht gezeugt hat. Ein Mann, für den die gesetzliche Vaterschaftsvermutung gilt, muss für die Entkräftung dieser Vermutung Sorge tragen (RIS‑Justiz RS0008942 = 1 Ob 536/88 = JBl 1988, 577 = ÖA 1990, 47 = SZ 61/89).
3.4. Die Rechtsprechung gewährt demjenigen, der die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind anerkannt, dann aber dieses Anerkenntnis erfolgreich angefochten hat, nur dann einen auf § 1295 Abs 2 ABGB gestützten Schadenersatzanspruch gegen die Mutter des Kindes, wenn sie die Abgabe des Anerkenntnisses durch bewusst wahrheitswidrige Angaben veranlasst hatte (SZ 30/40; SZ 61/89 ua; Reischauer in Rummel ³ § 1295 Rz 60). Bloß fahrlässiges Handeln genügt nicht (ua Harrer in Schwimann, ABGB³ VI § 1295 Rz 146).
3.5. Der hier zu beurteilende Fall ist aber dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin selbst nach den im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen ‑ welche Berechnungen sie auch immer angestellt haben mag ‑ stets von der Vaterschaft des Klägers überzeugt war. Die Vorinstanzen sind nur davon ausgegangen, dass sie die mögliche Vaterschaft eines anderen Mannes erkennen hätte müssen. Dies begründet (allenfalls grobe) Fahrlässigkeit, aber nicht Vorsatz.
Die vom Berufungsgericht für seine Rechtsauffassung zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 48/98x ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil die dort Beklagte wider besseres Wissen einen Mehrverkehr im empfängniskritischen Zeitraum gegenüber dem Scheinvater geleugnet hatte.
4. Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)