OGH 7Ob102/19d

OGH7Ob102/19d28.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H***** H*****, vertreten durch Dr. Johann Gelbmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. E***** C*****, vertreten durch Dr. Manfred Ainedter, Mag. Klaus Ainedter, Rechtsanwälte in Wien, wegen 343.171,34 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. April 2019, GZ 13 R 195/18v‑276, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00102.19D.0828.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Beim Schmerzengeld handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine Globalentschädigung. Bei der Ausmessung kann das Begehren nicht in einzelne, bestimmte Verletzungen bzw Folgeerscheinungen zuzuordnende Teilbeträge zerlegt werden (RS0031191).

1.2 Dem von der Klägerin erhobenen Schmerzengeldbegehren wurde zur Gänze (rechtskräftig) stattgegeben. Ihre Ausführungen, sie habe einen Betrag von 10.000 EUR ausdrücklich ihren Beeinträchtigungen durch Kopfschmerzen zugeordnet, die in dem ihr zugesprochenen Schmerzengeldbetrag keine Berücksichtigung gefunden hätten, weshalb das Klagebegehren in diesem Umfang tatsächlich noch unerledigt sei, gehen ins Leere.

2.1 Unter Heilungskosten sind Aufwendungen zu verstehen, die durch die Körperverletzung veranlasst wurden und die gegenüber den ohne den Unfall erforderlich gewesenen gewöhnlichen Aufwendungen in der Absicht gemacht wurden, die gesundheitlichen Folgen des Unfalls zu beseitigen oder doch zu bessern (RS0030591). Nur der zweckmäßig gemachte Aufwand an Heilungskosten ist zu ersetzen, nicht aber Heilungskosten, die nicht der Besserung des durch die Verletzung verursachten Krankheitsbilds gedient haben. Darauf, ob der Verletzte die Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit erkennen konnte, kommt es nicht an (RS0030427).

2.2 Die Anwendung eines Softlasers zur Narbennachbehandlung war nach den Feststellungen weder medizinisch empfohlen, noch notwendig, die von der Klägerin durchgeführte Lokaltherapie somit nicht evidenzbasiert.

2.3 Aus diesen Feststellungen folgt die Unzweckmäßigkeit der von der Klägerin für die Lasertherapie aufgewendeten Kosten. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, es komme nicht darauf an, ob sie diese Unzweckmäßigkeit allenfalls aufgrund einer ihr gegenüber getätigten ärztlichen Empfehlung nicht habe erkennen können, ist nicht korrekturbedürftig.

3.1 Die Klägerin, die vor dem Vorfall (Behandlungsfehler bei einer Mundhygiene) als Notärztin, Arbeitsmedizinerin und als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Arbeits‑ und Betriebsmedizin tätig war, kann die Tätigkeit als Notärztin vorfallkausal nicht mehr ausüben. Eine Tätigkeit als Arbeitsmedizinerin und Sachverständige ist ihr weiterhin möglich. Diese Tätigkeiten wurden und werden von ihr auch – wie von ihr selbst angegeben – weiterhin ausgeübt.

3.2 Der entgangene Verdienst ist in der Weise zu berechnen, dass der vom Verletzten für den gesamten in Betracht kommenden Zeitraum erzielte tatsächliche Verlust zuzüglich der allenfalls zur Auszahlung gelangenden Sozialversicherungsrente von jenem Betrag abgezogen wird, den der Verletzte ohne die Körperverletzung erzielt hätte. Eine Aufspaltung des Verdienstentgangs nach Zeiträumen ist nicht zulässig. Es kann nicht schon deshalb ein Ersatz begehrt werden, weil in einem vom Verletzten willkürlich herausgegriffenen Zeitraum der tatsächliche Verdienst geringer war als jener, den er ohne den Unfall erzielt hätte, wenn für den gesamten Zeitraum keine solche Differenz besteht (RS0030638). Der Geschädigte soll nicht mehr und nicht weniger als den erlittenen Nachteil ersetzt erhalten (RS0023600 [T10]). Die Berechnung eines Vermögensschadens (wozu auch ein Verdienstentgang gehört) erfolgt durch Vergleichung des Geldwertunterschieds zweier Zustände, nämlich des tatsächlichen Zustands vor und nach der Schädigung. Es sind jene Vermögensbestandteile des Geschädigten in den Kreis der Betrachtung einzubeziehen, die durch die Schädigung irgendwie beeinflusst wurden, aber auch Vermögensbestandteile (Aktiven und Passiven), die erst durch das schädigende Ereignis gebildet wurden oder deren Bildung durch dasselbe verhindert wurde; daher ist auch ein Vorteil des Geschädigten, der ohne die erfolgte Schädigung nicht entstanden wäre, grundsätzlich zu Gunsten des Schädigers zu buchen (RS0022834). Im Schadenersatzprozess muss der Kläger grundsätzlich seinen Schaden beweisen (RS0023507).

Der Klägerin stünde Ersatz für einen Verdienstentgang daher nur dann zu, wenn sie beweist, dass durch den Vorfall insgesamt – und entgegen ihrer Ansicht nicht nur an Tagen, an denen sie vor dem Vorfall als Notärztin tätig war – weniger Einkommen erzielt hätte, als ohne den Vorfall.

3.3 Insbesondere aufgrund der beharrlichen Weigerung der Klägerin, ihre Einkommensteuerbescheide für die Zeiträume vor und nach dem Vorfall vorzulegen, trafen die Vorinstanzen die Tatsachenfeststellungen, dass nicht festgestellt werden könne, in welcher Höhe sie tatsächlich Einkommen aus ihren Tätigkeiten als (selbständige) Arbeitsmedizinerin und gerichtlich beeidete Sachverständige für Arbeits‑ und Betriebsmedizin vor, während und nach dem gegenständlichen Vorfall erzielte und ob sie ein aus ihrer nicht mehr möglichen Tätigkeit als Notärztin erzieltes Einkommen nicht ohnedies anderweitig – insbesondere durch Ausweitung ihrer beiden Nebentätigkeiten in den nunmehr zusätzlich zur Verfügung stehenden Zeiträumen – kompensierte.

3.4 Ausgehend von diesen den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe schon den Eintritt des von ihr behaupteten Verdienstentgangs nicht unter Beweis gestellt, gleichfalls nicht korrekturbedürftig. Die Frage nach einer Schadensminderungspflichtverletzung durch die Klägerin stellt sich demnach nicht.

3.5 Bloß unsubstantiiertes Bestreiten ist nur ausnahmsweise als Geständnis anzusehen, wenn die vom Kläger aufgestellten Behauptungen offenbar leicht widerlegbar sind, dazu aber nie konkret Stellung genommen wurde (RS0039977 [T1]). Davon, dass die Beklagte den geltend gemachten Verdienstentgang nur unsubstantiiert bestritten und damit zugestanden habe, kann keine Rede sein. Die Klagsforderung wurde nicht nur ausdrücklich der Höhe nach bestritten, sondern die Beklagte beantragte darüber hinaus zur Klärung der Höhe des von der Klägerin aus ihren Tätigkeiten als Arbeitsmedizinerin und gerichtlich beeidete Sachverständige tatsächlich erzielten Einkommens, dieser die – bislang schon verweigerte – Vorlage der Einkommensteuerbescheide aufzutragen.

3.6 Die Feststellungen, dass der Klägerin die Tätigkeit als Arbeitsmedizinerin und gerichtlich beeidete Sachverständige möglich ist und sie diese auch weiterhin ausübt, blieben von ihr unbekämpft.

Vor diesem Hintergrund im Zusammenhang damit, dass sich die Frage einer Schadensminderungspflichtverletzung nicht stellt, zeigt die Klägerin mit ihren Ausführungen, hätte das Berufungsgericht ihre (allein) zur Frage der Vorfallkausalität von Kopfschmerzen und einer peripheren Fazialisparese erhobene Mängel‑ und Beweisrüge (ordnungsgemäß) erledigt, dann hätte sich ergeben, dass sie auch als Arbeitsmedizinerin und gerichtlich beeidete Sachverständige nicht mehr arbeitsfähig sei, was Auswirkungen auf den Verdienstentgang gezeitigt hätte, keine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels des Berufungsgerichts auf.

4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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