OGH 7Ob95/19z

OGH7Ob95/19z28.8.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin S* D*, geboren am * 1999, *, vertreten durch Mag. Maximilian Kocher, Rechtsanwalt in Brunn am Gebirge, gegen den Antragsgegner R* F*, vertreten durch Mag. Dietmar Krammer, Rechtsanwalt in Ternitz, wegen Sonderbedarf (814,78 EUR), über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 21. März 2019, GZ 16 R 373/18v‑32, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 19. Oktober 2018, GZ 2 Fam 30/18y‑24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E125994

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 26,14 EUR (darin enthalten 4,36 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners. Sie wohnt im Haushalt ihrer Mutter. Mit Unterhaltsvereinbarung vom 25. 3. 2014 verpflichtete sich der Vater zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von 350 EUR.

Mit Antrag vom 24. 4. 2018 begehrte die Antragstellerin, den Antragsgegner zusätzlich zur Zahlung von 814,78 EUR an medizinischem Sonderbedarf (im Zeitraum 1. 4. 2017 bis 27. 9. 2017 angelaufene Kosten einer Psychotherapie) zu verpflichten. Sie sei nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Antragsgegner sprach sich gegen diesen Antrag aus. Die Antragstellerin sei nicht nur selbsterhaltungsfähig, die Kosten der Therapie seien auch von ihrer Mutter getragen worden.

Daraufhin änderte die Antragstellerin ihr Vorbringen dahin, dass die Therapiekosten zwar von ihrer Mutter bezahlt worden seien, diese aber einerseits mit der Geltendmachung des Anspruchs ausdrücklich einverstanden sei und andererseits den ihr gegen den Vater zustehenden Anspruch auf Ersatz der Therapiekosten an die Antragstellerin zum Inkasso abgetreten habe. Sie sei daher aktivlegitimiert.

Das Erstgericht wies den Antrag wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück und verpflichtet die Antragstellerin zum Kostenersatz. Der Anspruch der Mutter sei zwar infolge rechtswirksamer Abtretung auf die Antragstellerin übergegangen. Dabei handle es sich aber um einen zivilrechtlichen Anspruch nach § 1042 ABGB, der im Klagsweg und nicht im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Die Antragstellerin habe in ihrem Rechtsmittel ausdrücklich anerkannt, dass der gegenständliche Sonderbedarf als Anspruch gemäß § 1042 ABGB im streitigen Rechtsweg geltend zu machen sei. Sie beantrage daher auch lediglich die Nichtigerklärung des Verfahrens ab Zustellung des Antrags sowie die Umdeutung des als Klage zu wertenden Antrags. Der gemäß § 40a JN als Klage zu behandelnde Antrag könne bei falscher Verfahrensart unter Nichtigerklärung des gesamten Verfahrens dann zurückgewiesen werden, wenn das angerufene Gericht unter Zugrundelegung der richtigen Verfahrensart – wie hier – unzuständig wäre. Ansprüche gemäß § 1042 ABGB würden nicht in das Außerstreitverfahren fallen und seien von der Zuständigkeitsnorm des § 114 JN nicht erfasst, sodass das Bezirksgericht des allgemeinen Gerichtsstands des Antragsgegners (Neunkirchen) und nicht das Bezirksgericht am Wohnsitz der Unterhaltsberechtigten (Mödling) für die klageweise Geltendmachung des Anspruchs zuständig sei.

Das Rekursgericht sprach nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Frage, ob ein in eine Klage umzudeutender im Außerstreitverfahren eingebrachter Antrag vom Rechtsmittelgericht nach einer Zurückweisung durch das Erstgericht wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs dem für die Klage örtlich unzuständigen Erstgericht mit dem Auftrag zurückzustellen sei, das gesetzliche Verfahren über den als Klage zu wertenden Antrag einzuleiten, werde mangels gesicherter einheitlicher Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für revisibel erachtet.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag die Beschlüsse der Vorinstanzen einschließlich des Verfahrens ab Zustellung des Antrags als nichtig aufzuheben, dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den als Klage zu wertenden Antrag aufzutragen und die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens gegenseitig aufzuheben.

Der Antragsgegner erstattete keine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1.1 Die Beurteilung, dass das von der Antragstellerin (zuletzt) erhobene (geänderte) Begehren, mit dem sie eine ihr von ihrer Mutter abgetretene Forderung geltend macht, im streitigen Verfahren zu behandeln ist, blieb bereits im Rekursverfahren unbekämpft.

1.2 Die Revisionsrekurswerberin meint aber, dass das Verfahren einschließlich der Zustellung des Antrags für nichtig zu erklären und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den als Klage zu wertenden Antrag aufzutragen sei und die Kosten gegeneinander aufgehoben werden müssten.

2.1 Nach § 56 Abs 1 AußStrG ist ein angefochtener Beschluss über eine Sache, die nicht auf den außerstreitigen Rechtsweg gehört, vom Rekursgericht aufzuheben, das vorausgegangene Verfahren für nichtig zu erklären und der ihm allenfalls vorangegangene Antrag zurückzuweisen. Damit ist nicht dem § 40a JN derogiert (RS0121333).

Gelangt also das Rechtsmittelgericht aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels zu der Überzeugung, dass der angefochtene Beschluss oder das Verfahren an einem bisher unbeachtet gebliebenen Mangel unter anderem nach § 56 Abs 1 AußStrG leidet, so ist dieser wahrzunehmen, auch wenn er von keiner der Parteien geltend gemacht wurde und er die Richtigkeit der Entscheidung nicht berührt (2 Ob 127/17s mwN).

2.2 § 56 AußStrG gelangt – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – bereits deshalb nicht zur Anwendung, weil weder der Beschluss, noch das ihm vorangegangene Verfahren an einem Mangel im Sinn des § 56 Abs 1 AußStrG leidet. Vor Änderung ihres Begehrens machte die Antragstellerin einen nach ihren Behauptungen in das Außerstreitverfahren fallenden Unterhaltsanspruch gegen ihren Vater geltend. Über ihr sodann geändertes Begehren, nämlich nunmehr eine ihr zedierte Forderung ihrer Mutter nach § 1042 ABGB geltend zu machen, wurde weder meritorisch verhandelt noch entschieden, sondern der Antrag wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs zurückgewiesen. Die von der Antragstellerin angestrebte Nichtigerklärung unter Kostenaufhebung kommt jedenfalls nicht in Betracht.

3.1 Ein in der falschen Verfahrensart geltend gemachtes Rechtsschutzgesuch ist nicht zurückzuweisen. Nach ständiger Rechtsprechung ist es vielmehr umzudeuten und im richtigen Verfahren zu behandeln (RS0116390). Eine Zurückweisung eines im Außerstreitverfahren gestellten Antrags wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs kommt aber dann in Betracht, wenn das Gericht für das richtige Verfahren weder sachlich und örtlich zuständig noch § 44 JN anzuwenden ist. Sonst ist über den Antrag als Klage im streitigen Verfahren – wenn mehrere Gerichtsabteilungen bestehen – durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter zu verhandeln und zu entscheiden (RS0057140). Diese Rechtsprechung wurde insbesondere auch jüngst ausdrücklich fortgeschrieben (vgl 5 Ob 121/17f, 10 Ob 38/12d, 6 Ob 170/11k, 3 Ob 115/10y).

Die von der Antragstellerin dagegen herangezogenen Entscheidungen 2 Ob 127/17s und 5 Ob 255/15h stehen zu dieser Rechtsprechung nicht in Widerspruch, weil die (Un‑)Zuständigkeit des konkret angerufenen Gerichts weder ausdrücklich thematisiert noch geklärt wurde. Die Entscheidungen 2 Ob 68/15m und 6 Ob 170/11k stehen mit der genannten Rechtsprechung in Einklang, weil dort die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gegeben war. Lediglich in der Entscheidung 5 Ob 175/09k wurde ohne nähere Begründung von dieser Rechtsprechung abgewichen und dem Erstgericht – trotz dessen Unzuständigkeit – die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den als Klage zu wertenden Antrag aufgetragen.

3.2 Der erkennende Senat sieht sich durch diese zuletzt genannte – vereinzelt gebliebene – Entscheidung nicht veranlasst, von der ständigen Rechtsprechung abzugehen. Dies gilt umso mehr, als hier die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichts durch die Änderung des Begehrens und die fehlende Möglichkeit einer Überweisung nach § 44 JN von der Antragstellerin ausdrücklich zugestanden sind.

4. Dem Rechtsmittel war daher nicht Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten der Bekanntgabe des Vollmachtswechsels beruht auf § 78 AußStrG (vgl RS0046245).

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