European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00027.19Y.0529.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ali A***** des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 85 Abs 2 StGB (I/1), mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 (erster Fall) StGB (I/2 [zu I/2/b iVm § 15 StGB]), mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (I/3/a) und nach § 107 Abs 1 StGB (I/3/b und c), jeweils eines Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 und 4 StGB (I/4), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (I/5) und des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (II/1) sowie eines Verbrechens der „schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 und 4 StGB“ (II/2, vgl hingegen RIS‑Justiz RS0132358) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in S*****
(I)1) am 13. Oktober 2017 Alina L***** durch einen heftigen Schlag in das Gesicht, durch welchen ihre Brille zerstört wurde und Bruchstücke in ihr linkes Auge gelangten, was das Zerplatzen des linken Augapfels mit Glaskörperverlust, Verlust einer Kunststofflinse und einer Netzhautabhebung samt Steigerung des Augeninnendrucks bewirkte, vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Dauerfolge in Form einer „funktionellen Einäugigkeit“, mithin einer schweren Schädigung des Sehvermögens, des Opfers herbeigeführt,
2) vom 13. Oktober 2017 bis zum 23. März 2018 Alina L***** mehrfach durch die Äußerungen, wenn sie eine Aussage gegen ihn mache, werde er sie umbringen, wenn er ins Gefängnis gehe, werde er sie von einem Freund umbringen lassen, er werde sie, ihre Tochter und ihren Bruder umbringen, er werde „ihr Blut trinken“, somit durch gefährliche Drohungen mit dem Tod, jeweils zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von einer Anzeigeerstattung gegen ihn und von einer ihn im Zusammenhang mit der zu I/1 angeführten Tat belastenden Aussage sowie von der Aufnahme einer Beziehung zu einem anderen Mann, genötigt (a) und in einem Fall zu nötigen versucht (b),
3) Alina L***** gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar
a) mehrfach bis zum 13. Oktober 2017 mit dem Tod durch die Äußerung, er werde sie umbringen,
b) am 20. März 2018 mit einer Verletzung am Körper durch die Äußerung, „er werde bei ihr zu Hause warten und ihr zeigen, wer er sei“, und
c) am 20. März 2018 mit einer Verletzung am Körper, indem er sie gegen eine Hauswand drückte und einen Schlag andeutete,
4) Alina L***** durch die zu I/2 angeführten Äußerungen dazu bestimmt, am 15. Dezember 2017 in der Strafsache gegen einen unbekannten Täter wegen der zu I/1 angeführten Straftat als Zeugin in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache durch Verschweigen des Täters und – im Urteil detailliert wiedergegebene – Angaben dahingehend, dass sie (zusammengefasst) keine näheren Hinweise zur Identifizierung des Täters geben könne, falsch auszusagen, weiters
5) am 13. Oktober 2017 durch die zu I/1 angeführte Handlung eine fremde Sache, nämlich die Brille der Alina L*****, zerstört.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 9 (lit a) StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider stand die Vernehmung der Zeugin L***** mit § 156 Abs 1 Z 1 StPO im Einklang, weshalb keine Nichtigkeit ihrer Aussage nach § 159 Abs 3 StPO vorliegt. Das Erstgericht ging nach Abklärung der Voraussetzungen (vgl zu diesen Jerabek/Ropper in WK 2 § 72 Rz 14 und 17 f) durch Befragung der Zeugin und ihres Bruders davon aus, dass eine Lebensgemeinschaft der Zeugin mit dem Beschwerdeführer jedenfalls im Zeitpunkt ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht mehr bestanden habe (ON 75 S 2 und 4). Mit eigenständigen Erwägungen zum behaupteten Fortbestehen einer Lebensgemeinschaft und der Kritik an der – insoweit irrelevanten – Urteilsfeststellung, eine solche habe seit Juni 2017 nicht mehr existiert (US 4), wird diese tatrichterliche Sachverhaltsannahme nicht nach den Kriterien der Z 5 oder Z 5a bekämpft und solcherart kein Rechtsfehler des gerügten Vorgangs aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0118977).
Soweit auch die Mängelrüge (Z 5) diese Feststellung zur Auflösung der Lebensgemeinschaft bereits im Juni 2017 als aktenwidrig kritisiert, spricht sie – abgesehen davon, dass sie eine unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln gar nicht behauptet (vgl RIS‑Justiz RS0099431) – keine (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0117499).
Die zu I/1 im Rahmen der Mängelrüge geäußerte Kritik, das Erstgericht habe sich „mit der Frage der Vorhersehbarkeit einer schweren Dauerfolge“ in der „Begründung dagegen nicht näher auseinandergesetzt“, „der Ausspruch des Schöffengerichts über entscheidende Tatsachen“ sei „undeutlich, unvollständig und mit sich selbst in Widerspruch“ und es seien „dafür auch keine oder nur offenbar unzureichende Gründe angegeben“ worden (vgl US 5 und 11), verkennt zunächst, dass die Vorhersehbarkeit als Teil der objektiven Sorgfaltswidrigkeit (vgl Burgstaller/Schütz in WK 2 StGB § 6 Rz 35 f) nicht Gegenstand von (Tatsachen-)Feststellungen und somit als Rechtsfrage einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (14 Os 50/16h; allgemein Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 391 und § 288 Rz 19). Davon abgesehen erschöpft sich das dazu (insbesondere zur Sachverhaltsgrundlage für die Annahme auch subjektiver Sorgfaltswidrigkeit) erstattete Vorbringen in Beweiswürdigungskritik nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
Die Subsumtionsrüge (nominell „Z 9“, der Sache nach Z 10) legt nicht dar, weshalb hier (ex ante) auf Basis der Feststellungen zum Verletzungshergang (wonach der Bügel der gebrochenen Brille infolge des Schlages in das Gesicht des Opfers dessen Auge traf und die Verletzung verursachte) von einer atypischen Ungefährlichkeit der konkreten Begehungsweise des Grunddelikts auszugehen sei (vgl die ins Treffen geführte Entscheidung 10 Os 146/85, SSt 57/28; RIS‑Justiz RS0089264).
In der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse, die Feststellungen zu einem Ausnahmesatz indiziert hätten (vgl 14 Os 97/07g; RIS‑Justiz RS0121423; Burgstaller/Schütz in WK 2 StGB § 7 Rz 21 ff), werden nicht genannt (RIS‑Justiz RS0118580 [zu den Voraussetzungen prozessordnungsgemäßer Geltendmachung eines Feststellungsmangels]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 dritter und letzter Satz StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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