OGH 8Ob39/19x

OGH8Ob39/19x29.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A*, vertreten durch DDr. Karl Robert Hiebl und Mag. Alexander Lirk, Rechtsanwälte in Braunau am Inn, wider die beklagte und gefährdende Partei J*, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ehescheidung (hier: wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 lit c EO), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten und gefährdenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Rekursgericht vom 13. Februar 2019, GZ 14 R 15/19k‑17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E125074

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 528 Abs 3, § 505 Abs 4 ZPO kann in familienrechtlichen Angelegenheiten nach § 502 Abs 5 ZPO einschließlich einstweiliger Verfügungen zur Sicherung des Aufteilungsanspruchs nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c zweiter Fall EO der außerordentliche Revisionsrekurs ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstands stets erhoben werden, auch wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig (1 Ob 236/14h; 1 Ob 160/01p ua; E. Kodek in Angst/Oberhammer, EO3 § 382 Rz 66). Einer Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Rekursgericht bedarf es daher nicht.

Eine Rechtsfrage in der Qualität von § 528 Abs 1 ZPO zeigt der Revisionsrekurswerber allerdings nicht auf.

2. Die hier im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Ehescheidung beantragte Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens (Liegenschaft samt Ehewohnung) ist eine einstweilige Verfügung zur Sicherung künftiger Leistungsansprüche, die nur unter der Voraussetzung der Anspruchs- und Gefahrenbescheinigung bewilligt werden darf (RIS‑Justiz RS0006039 [T2]; RS0115099). Für die geforderte konkrete Gefährdungsbescheinigung müssen zum Beispiel Anhaltspunkte vorliegen, dass die gefährdende Partei (hier: der Beklagte) einen allenfalls erzielten Verkaufserlös verwirtschaften oder Verfügungen treffen werde, die die Realisierung des Aufteilungsanspruchs unmöglich machen. Es muss also bescheinigt werden, dass ohne die einstweilige Verfügung die Befriedigung des Aufteilungsanspruchs vereitelt oder erheblich erschwert wäre (RS0006055 [T10, T12]). Bei der Beurteilung der Anspruchsgefährdung nach § 381 EO kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (RS0005118; RS0005175 [T16, T17]). Ob im Einzelfall die Bescheinigung gelungen ist, wirft keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf (RS0013475).

3. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass die Klägerin ihr Vorbringen bescheinigt hat, es handle sich bei der zu sichernden Liegenschaft um die Ehewohnung und daher um einen Teil des der Aufteilung unterliegenden Gebrauchsvermögens (§ 81 Abs 2 EheG).

Dem Einwand des Beklagten, er habe diese Liegenschaft in die Ehe eingebracht (§ 82 Abs 1 Z 1 EheG), hat das Rekursgericht zutreffend schon das auch im Rechtsmittelverfahren gegen eine einstweilige Verfügung geltende Neuerungsverbot entgegengehalten (RS0002445). Neues Vorbringen ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Beschwerdeführer in erster Instanz nicht gehört wurde (RS0002445 [T4]).

4.1 Das Rekursgericht ist zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin die konkrete Gefährdung ihres Aufteilungsanspruchs bescheinigt hat, weil der Beklagte anlässlich seines Auszugs aus der gemeinsamen Wohnung gedroht hat, er werde das ganze Vermögen in Österreich verkaufen und die Klägerin finanziell ruinieren, wenn sie seine Bedingungen für die Vermögensaufteilung nicht akzeptiere. Er habe ihr weiters mehrfach erklärt, er lasse sich von ihr nichts wegnehmen, sie bekomme von seinem Vermögen gar nichts und werde finanziell untergehen und er werde alles wegbringen und verkaufen, und habe schließlich im zeitlichen Zusammenhang mit einer sehr konfrontativen Scheidungsverhandlung einen Ranganmerkungsbeschluss für die Veräußerung der Liegenschaft erwirkt. Dabei hat das Rekursgericht darauf verwiesen, dass die Klägerin in ihrer eidesstattlichen Erklärung erwähnt hat, dass der Beklagte seine Ankündigung in Bezug auf Pkws, Traktoren, Pferde, Pkw-Anhänger und Inventar des Hauses bereits in die Tat umgesetzt und in den letzten Monaten alles nach Ungarn verbracht oder verkauft habe.

4.2 Der Revisionsrekurswerber rügt in diesem Zusammenhang als Aktenwidrigkeit, dass das Rekursgericht aufgrund einer von der Klägerin (nur) im Scheidungsverfahren vorgelegten Urkunde angenommen hat, dass er bereits über eine Wohnmöglichkeit in Ungarn verfüge.

Eine Aktenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde. Erwägungen der Tatsacheninstanzen, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen oder bestimmte Feststellungen nicht getroffen werden können, fallen in das Gebiet der Beweiswürdigung, können daher weder eine Aktenwidrigkeit bilden noch gegen den Dispositionsgrundsatz verstoßen (RS0043347).

5. Bereits das Erstgericht hat die einstweilige Verfügung (entsprechend dem Sachvorbringen der Klägerin) nach § 382 Z 8 lit c zweiter Fall EO erlassen, obgleich sich die Klägerin in ihrem Antrag auf die Bestimmung des § 382h EO gestützt hat, ohne dass der Beklagte diesen Umstand im Rekurs beanstandet hätte. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens kann der Beklagte diesbezüglich schon aus diesem Grund nicht mit Aussicht auf Erfolg in dritter Instanz geltend machen (RS0043111).

6. Der im Rechtsmittel ausgeführten Beweisrüge ist überdies zu erwidern, dass bei der Entscheidung über einen Revisionsrekurs der Oberste Gerichtshof auch im Provisorialverfahren nur Rechtsinstanz und nicht Tatsacheninstanz ist (RS0002192).

7. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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