OGH 12Os35/19t

OGH12Os35/19t11.4.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Korner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Obaidullah A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 30. November 2018, GZ 38 Hv 104/18p‑72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00035.19T.0411.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthaltenden Urteil wurde Obaidullah A***** des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (I./), der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (II./1./ bis 3./) und nach §§ 15, 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (II./4./), „der“ Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (III./) und des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2 StGB (IV./) schuldig erkannt.

Soweit für die Erledigung der – nur gegen die Vergewaltigungsvorwürfe (II./) gerichteten – Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung, hat er in I***** und an anderen Orten

II./ N***** E***** „trotz ihres geäußerten entgegenstehenden Willens und ihrer folgenden erkennbaren Gegenwehr“ mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlungen genötigt (1./–3./) und zu nötigen versucht (4./), und zwar

1./ Ende Dezember 2016, indem er unter Kraftanwendung ihre Hose hinunterzog, ihren Körper fixierte, ihre Beine auseinanderdrückte und zumindest einen Finger in ihre Vagina einführte, sie unter Kraftanwendung im Oberkörperbereich fixierte und den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog;

2./ im Oktober 2017, indem er sie „auf eine Matratze verbrachte“, sie am Körper erfasste, sie zurückzog und umdrehte, ihr die Leggings herunterriss, ihren Körper unter Kraftanwendung fixierte, ihren Kopf gegen die Matratze drückte, einen Finger in ihre Vagina einführte, ihr eine Ohrfeige versetzte und den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog;

3./ im März 2018, indem er sie küsste, ihr in die Lippen biss, sie mehrmals zu Boden drückte, ins Badezimmer schubste, sie unter Kraftanwendung auf den Badezimmerboden drückte, sie umklammerte, weshalb sie in dieser Position fixiert war, ihre Hose hinunterzog und zwei Finger zur Gänze in ihre Vagina einführte;

4./ am 11. Mai 2018, indem er sie am Körper und im Gesicht grob anfasste, ihr in die Lippen biss, sie unter Anwendung von Körperkraft auf die Couch drängte, sie an den Haaren zog, mit den Knien ihre Beine auseinanderdrückte und zeitgleich äußerte: „Komm schon“, sie mit den Händen fixierte und niederdrückte und – als sie mehrmals durch Drehbewegungen der Fixierung zu entkommen trachtete  – mit seinen unteren Extremitäten entgegendrückte, wobei er auch noch, nachdem sie: „Aua, mein Knie!“ aufgeschrieen hatte, nachdrückte und ihr den Mund mit einer Hand zuhielt, wobei sein Ansinnen auf Durchführung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung gerichtet war, wobei die Tat beim Versuch blieb und diese eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine operativ zu versorgende Meniskusläsion des medialen Meniskushinterhorns des linken Knies, verbunden mit einer länger als 24 Tage andauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.

Soweit die Mängelrüge (nominell Z 5 vierter Fall) auf Basis eigener Beweiswerterwägungen in den Angaben des Tatopfers keine tragfähige Grundlage für den Schuldspruch II./4./ erkennen will, bekämpft sie bloß die gegenteilige Beweiswürdigung des Schöffensenats (US 29) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung.

Mit der Behauptung, die Feststellung der Meniskusverletzung sei aufgrund des Fehlens darauf bezogener Verfahrensergebnisse aktenwidrig, wird Nichtigkeit aus Z 5 fünfter Fall der Sache nach nicht geltend gemacht (RIS‑Justiz RS0099431, RS0099524; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 393; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.135; Hager/Meller/Hetlinger , Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung 4 , 61; Ratz , EvBl‑LS 2019/56, 333; aA Hollaender , Aktenwidrigkeit im Strafurteil, AnwBl 2019, 16 ff, der jedoch Z 5 vierter und fünfter Fall vermengt). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist die vorliegende Bezugnahme der Tatrichter auf den – eine langstreckige Meniskusruptur dokumentierenden – ärztlichen Befund (vgl US 29 iVm ON 38) nicht zu beanstanden.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Indem die Beschwerde auf einen vom Opfer geäußerten Schwangerschaftswunsch verweist, die Glaubwürdigkeit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten und den Umstand hervorkehrt, dass dieser N***** E***** nach übereinstimmenden Angaben vom Bett an einen anderen Ort getragen hat, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über die entscheidenden Tatsachen in Bezug auf die Schuldsprüche II./1./ und 2./. Gleiches gilt für den Schuldspruch II./3./, den der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die mangelnde Aussageverlässlichkeit des Opfers bezweifelt.

Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) pauschal auf die Ausführungen zur Mängel- und Tatsachenrüge verweist, ist sie nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (RIS‑Justiz RS0115902).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). Daran scheitert die Subsumtionsrüge (Z 10), die (zu II./4./) trotz gegenteiliger Konstatierungen Feststellungen zum Nichtvorliegen einer vom Angeklagten verschuldeten Verletzung einfordert.

Weshalb das Schöffengericht trotz der Annahme eines Tatversuchs Feststellungen dazu treffen hätte müssen, dass es zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung gekommen sei, lässt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) offen.

Zum Schuldspruch II./3./ übergeht der Beschwerdeführer die Konstatierung, wonach der Angeklagte zwei Finger zur Gänze in die Vagina des Opfers einführte (US 22). Aus welchem Grund darin keine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung im Sinn des § 201 StGB (vgl dazu RIS-Justiz RS0095004 [insbesonders T7, T8]) zu erblicken sein soll, erklärt der Beschwerdeführer nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte