European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E124877
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind je zur Hälfte schuldig, der klagenden Partei die mit 688,92 EUR (darin enthalten 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Zu Gunsten der Grundstücke 234/15 und 234/16 und zu Lasten der Grundstücke 234/1 und 234/2 war grundbücherlich ein Geh- und Fahrtrecht sowie ein Wasserleitungsrecht (kurz „Servitut“) eingetragen, das anlässlich der Abtrennung (und des Verkaufs) der erstgenannten Grundstücke von den letztgenannten (auf einer genau festgelegten Trasse) begründet worden war und bei Teilung der herrschenden Grundstücke auch den Erwerbern solcher Bauparzellen „gebühren“ sollte. Von den dienenden Grundstücken 234/1 und 234/2 wurden (unter vertraglicher Überbindung der hier strittigen Servitut) die Grundstücke 234/21 und 234/22 abgetrennt, deren Eigentümerin nunmehr die Zweitbeklagte ist. Vom Grundstück 234/22 wurde das Grundstück 234/28 abgetrennt, dessen Eigentümerin die Erstbeklagte ist. Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks 234/16 sowie des vom Grundstück 234/15 abgeschriebenen Grundstücks 234/29. Die Servitut ist weder im C‑Blatt bei den Grundstücken der Erst- und Zweitbeklagten einverleibt, noch im A2‑Blatt bei den Grundstücken der Klägerin angemerkt. In der Natur verläuft der Weg entsprechend der bei seiner Begründung festgelegten Trasse.
Die Klägerin begehrt die Feststellung des Bestehens der Servitut am Grundstück 234/28 der Erstbeklagten und an den Grundstücken 234/21 und 234/22 der Zweitbeklagten zu Gunsten ihrer Grundstücke 234/16 und 234/29 sowie die Zustimmung zur Einverleibung der Servitut. Sie brachte vor, dass die Eintragung bzw Anmerkung der Servitut anlässlich der Abschreibung von Teilstücken der herrschenden und der dienenden Grundstücke bloß versehentlich unterblieben und die Servitut jedenfalls auch ersessen worden sei.
Die Beklagten entgegneten, dass die Eintragung bzw Anmerkung der Servitut auf den abgeschriebenen Grundstücken nicht versehentlich sondern absichtlich unterblieben sei. Die Servitut sei mangels Ausübung auch erloschen. Jedenfalls hätten sich die Beklagten bzw ihre Rechtsvorgänger einer Ausübung der Servitut durch Errichtung eines Schrankens widersetzt.
Die gegen die Beklagten zunächst getrennt geführten Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Das Berufungsgericht änderte das klageabweisende Urteil des Erstgerichts ab und gab der Klage statt, weil sich die Servitut auch nach Teilung der dienenden und herrschenden Grundstücke – obwohl eine bücherliche Übertragung unterblieben sei – auf die abgeschriebenen Grundstücke beziehe. Eine Freiheitsersitzung hätten die Beklagten nicht nachweisen können. Ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb der dienenden Grundstücke sei nicht erfolgt. Das Berufungsgericht erklärte nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Frage, „ob sich die [richtig:] Beklagten durch Einsichtnahme in das Grundbuch Kenntnis darüber verschaffen hätten müssen, ob infolge der Teilung der herrschenden Liegenschaft eine Beschränkung der Dienstbarkeiten vorlag, oder ob die Gutgläubigkeit der Erwerber auch dann zu verneinen ist, wenn weder beim abgetretenen herrschenden Grundstück noch beim abgetretenen dienenden Grundstück die ursprünglich verbücherte Servitut ersichtlich war“, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig, weil darin keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage erörtert wird.
Die gerügte Aktenwidrigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RS0117019). Soweit die Beklagten unter diesem Revisionsgrund behaupten, dass sie sich einer Ausübung des Servitutsrechts durch die Klägerin (hinsichtlich eines Befahrens des Servitutswegs mit Kraftfahrzeugen) durch Errichtung eines Schrankens widersetzt hätten, scheitert die daraus abgeleitete „Freiheitsersitzung“ bereits daran, dass die Klägerin das Grundstück (erst) am 21. 11. 2014 erworben hat, sodass die dreijährige Frist des § 1488 ABGB bei Klagseinbringung am 22. 5. 2017 noch nicht abgelaufen war, und ihre Rechtsvorgänger im Eigentum ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Schloss am Schranken angebracht worden war, über einen Schlüssel zu diesem verfügt hatten.
Die Behauptung der Revisionswerberinnen, die „Löschung“ der Servitut im C‑Blatt hinsichtlich der Grundstücke der Beklagten und im A2‑Blatt hinsichtlich der Grundstücke der Klägerin sei „prima facie“ nicht versehentlich sondern absichtlich erfolgt, widerspricht der vom Erstgericht getroffenen (Negativ-)Feststellung, wonach gerade nicht festgestellt werden konnte, aus welchem Grund die Eintragung der Servitut (gemeint: hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Grundstücke) nicht mehr besteht. Dem Argument, die Beweislast für eine vom Grundsatz des § 844 ABGB (demnach bestehen Grunddienstbarkeiten bei Teilung des herrschenden Grundstücks zu Gunsten der einzelnen Grundstückteile auch ohne bücherliche Übertragung weiter; vgl RS0013871; zur Teilung des dienenden Grundstücks vgl § 847 ABGB) abweichende Vereinbarung treffe die Klägerin, kann aufgrund der allgemeinen Regel, wonach anspruchsvernichtende Umstände von der beklagten Partei zu behaupten sind (vgl RS0109287), nicht gefolgt werden. Dass die Servitut nur einzelnen Teilen des ursprünglich herrschenden Grundstücks zugute gekommen wäre (in diesem Fall erlöschen Grunddienstbarkeiten hinsichtlich der übrigen Teile; vgl RS0013870), wird nicht behauptet.
Soweit die Revisionswerberinnen für sich in Anspruch nehmen, ihre Grundstücke im Vertrauen auf das Grundbuch gutgläubig lastenfrei erworben zu haben, nehmen sie erkennbar auf die zu § 1500 ABGB ergangene Rechtsprechung Bezug, wonach eine nicht verbücherte, nicht offenkundige Dienstbarkeit durch den gutgläubigen Erwerb des belasteten Grundstücks erlischt (RS0012151). Auf den Einwand des gutgläubigen lastenfreien Eigentumserwerbs ist aber nur dann Bedacht zu nehmen, wenn sich der Erwerber einer Liegenschaft darauf beruft (vgl RS0123034). Dies haben die Beklagten in erster Instanz unterlassen, sodass ihr erstmals in der Berufungsbeantwortung erhobener und in der Revision wiederholter Einwand eines gutgläubigen, lastenfreien Eigentumserwerbs unbeachtlich ist.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 46 Abs 1 und § 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.
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