European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00024.19T.0402.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Adnan O***** (richtig [vgl Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 27 Rz 62 mwN]) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall SMG (I./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (II./1./ und 2./), der „Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 vierter, fünfter und sechster Fall SMG“ (III./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (IV./) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant gekürzt wiedergegeben – von Jänner 2017 bis zum 17. März 2018 in Wien und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift und zwar Kokain (Wirkstoff: Cocain)
I./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich zumindest 60 %) anderen in einer Vielzahl von Einzelangriffen
1./ überlassen, und zwar
a./ an einen verdeckten Ermittler in insgesamt dreizehn Angriffen ca 102,5 Gramm;
b./–d./ ...
2./ verschafft, und zwar Goran M***** insgesamt ca 40 Gramm (mit einem Reinheitsgehalt von durchschnittlich zumindest 80 %), indem er zumindest viermal auf dessen Ersuchen Kontakt zwischen diesem und dem abgesondert verfolgten Gholamali E***** zwecks Ankaufs von Suchtgift herstellte;
II./ anderen in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge angeboten, und zwar einem verdeckten Ermittler
1./ zumindest 1.000 Gramm (mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 80 %), wobei das Suchtgift von unbekannten Tätern aus Belgien geliefert werden, vom Angeklagten an den verdeckten Ermittler überlassen werden und der Angeklagte „Provision“ erhalten sollte;
2./ ca 50 bis 100 Gramm (mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 60 %), indem er den verdeckten Ermittler telefonisch kontaktierte und diesem mitteilte, dass dieser am folgenden Freitag „50 bis 100 Sessel“ haben könnte;
III./–IV./ ...
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Schuldsprüche richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 [lit] a und [lit] b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Verfahrensrüge (Z 4) nimmt Bezug darauf, dass sich der Verteidiger in der Hauptverhandlung gegen die „Verwertung“ und „Verlesung der Einvernahme des verdeckten Ermittlers … sowie der ON 68“ ausgesprochen hat, weil „eine Straftat entgegen § 5 Abs 3 StPO bzw Art 6 MRK verbotenerweise provoziert“ worden sei (ON 145 S 35).
Dieses Vorbringen geht schon deshalb fehl, weil das Gesetz ein Beweisverbot bei unzulässiger Tatprovokation durch Strafverfolgungsbehörden (§ 5 Abs 3 StPO) nicht vorsieht (vgl § 133 Abs 5 StPO; 14 Os 38/17w, 15 Os 119/17i).
Das gegen die Anordnung der Observation und die Durchführung der verdeckten Ermittlung im Ermittlungsverfahren aus Z 4 erhobene Beschwerdevorbringen verstößt gegen das spezifische Neuerungsverbot (RIS‑Justiz RS0099117).
In Ansehung des Anbietens von Suchtgift (II./1./ und 2./) haben die Tatrichter die leugnende Einlassung des Angeklagten betreffend die Ernstlichkeit seines Angebots, „1 kg Kokain zu besorgen“, sehr wohl berücksichtigt, sie aber als Schutzbehauptung verworfen, wobei sie sich auf die Aussage des Zeugen E***** vor der Polizei stützten, wonach der Angeklagte ihn bereits Ende 2017 gefragt habe, ob er den Verkauf eines Kilos Kokain für einen Käufer aus Deutschland organisieren könne (US 12 f). Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider bedurfte es daher keines ausdrücklichen Eingehens auf die Behauptung des Angeklagten, wonach er zum Zeitpunkt des Gesprächs mit dem verdeckten Ermittler durch Kokainkonsum, „nach dem man viel Blödsinn“ rede, beeinträchtigt gewesen sei (ON 136 S 8).
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810). Die behauptete rechtliche Konsequenz ist zudem methodisch vertretbar, dh folgerichtig aus dem Gesetz abzuleiten (RIS-Justiz RS0116565).
Die vorliegende Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermag in diesem Sinn nicht darzulegen, weshalb das auf der Seite des Anbietenden bestehende Erfordernis, sich das angebotene Suchtgift erst von einem anderen verschaffen zu müssen, und der Umstand, dass sich fallbezogen der Empfänger des Anbots auf die Geschäftsbesorgung für einen Dritten („Richie“) berufen hat (US 7 f), der Annahme der Verwirklichung von Suchtgifthandel durch Anbieten nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG entgegenstehen sollte, weil es sich lediglich um eine „Vermittlung“ von Suchtgift gehandelt hätte.
Im Übrigen ist unter „Anbieten“ eine Willenserklärung zu verstehen, die inhaltlich ausreichend bestimmt ist, also die wesentlichen Punkte der abzuschließenden Vereinbarung enthält, und einen endgültigen Bindungswillen des Offerenten zum Ausdruck bringt. Nicht erforderlich ist, dass sich das Suchtgift bereits im Besitz des Anbietenden befindet, für diesen real verfügbar ist oder von ihm tatsächlich geliefert werden kann (RIS‑Justiz RS0125860).
Soweit die Rechtsrüge weiter behauptet, auch „der Schuldspruch I./2.“ sei „aufgrund einer verfehlten Feststellung nichtig“, es gäbe kein Ergebnis „des Beweisverfahrens, dass der Angeklagte die Drogenmenge von 40 Gramm“ und die „Überschreitung der Grenzmenge“ für möglich hielt, verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Ausführung.
Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem – auf Basis des Urteilssachverhalts – unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS‑Justiz RS0118580).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit b) – mit Blick auf § 133 Abs 5 StPO abweichend vom Urteilssachverhalt – weitwändig behauptet, der Angeklagte wäre „nicht zur Tat geneigt“ gewesen, vom verdeckten Ermittler zur Straftat verleitet und von einem Informanten der Polizei falsch belastet worden, wird sie diesen Anforderungen nicht gerecht (US 5 ff, 17).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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