OGH 15Os119/17i

OGH15Os119/17i22.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. November 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Rechtshörers Biley als Schriftführer in der Strafsache gegen Redjep D***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 4. Juli 2017, GZ 130 Hv 19/17f‑61, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00119.17I.1122.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Redjep D***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er am 24. und am 27. April 2015 in G***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einem verdeckten Ermittler der Polizei angeboten, und zwar 4.000 g Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 10 % (400 g Cocain‑Base in Reinsubstanz).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten nominell aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS‑Justiz RS0115902). Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde die Ausführungen zu „Z 4, 5, 5a“ sowie „5 und 5a“ sowie „Z 9 lit a und b, 10 und 11“ jeweils gemeinsam ohne Differenzierung erstattet und unter den letztgenannten Nichtigkeitsgründen auf das zuvor Angeführte verweist, gehen Unklarheiten, die durch diese Art der Rechtsmittelausführung bedingt sein können, zu Lasten des Beschwerdeführers (RIS‑Justiz RS0100183).

Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf den Antrag der Verteidigung, die Verlesung „sämtlicher Anlass‑, Abschluss‑ und VE‑Berichte“ zu unterlassen, die Ermittlungen der verdeckten Ermittler zum Gegenstand haben, und den Widerspruch gegen die Vernehmung der verdeckten Ermittler als Zeugen wegen Tatprovokation durch die Vertrauensperson „Luli“ und den verdeckten Ermittler „Josef“ (ON 60, S 2).

Dieses Vorbringen geht schon deshalb fehl, weil das Gesetz ein Beweisverbot bei unzulässiger Tatprovokation durch Strafverfolgungsbehörden (§ 5 Abs 3 StPO) nicht vorsieht (vgl § 133 Abs 5 StPO; 14 Os 38/17w).

Indem die Nichtigkeitsbeschwerde die vom Erstgericht angenommene Ernsthaftigkeit des Angebots des Angeklagten (US 4) bestreitet, wird lediglich die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung bekämpft, ohne die nominell angesprochenen Nichtigkeitsgründe nach Z 5 oder Z 5a des § 281 Abs 1 StPO darzustellen.

Unter „Anbieten“ von Suchtgift im Sinn des § 28a Abs 1 vierter Fall SMG ist eine Willenserklärung zu verstehen, die inhaltlich ausreichend bestimmt ist, also die wesentlichen Punkte der abzuschließenden Vereinbarung enthalten und einen endgültigen Bindungswillen des Offerenten zum Ausdruck bringen muss. Hingegen ist es nicht erforderlich, dass sich das Suchtgift bereits im Besitz des Anbietenden befindet, für diesen real verfügbar ist oder von ihm tatsächlich geliefert werden kann (RIS‑Justiz RS0125860). Dies verkennt das weitere Vorbringen der Mängel‑ und der Tatsachenrüge.

Die Behauptung, es hätte den verdeckten Ermittlern auffallen müssen, dass der Angeklagte über keinerlei Geldmittel verfügte, lässt sich keinem Nichtigkeitsgrund zuordnen.

Ob unzulässige Tatprovokation vorliegt, ergibt sich aus einer einzelfallbezogenen Gesamtbeurteilung des Verhaltens der Strafverfolgungsorgane und begleitender Umstände, wobei insbesondere Fakten wie (fehlende) anfängliche Verdachtsmomente dafür, dass eine bestimmte Person an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder der Begehung einer Straftat zugeneigt war, sowie Ausübung von (psychischem) Druck durch Strafverfolgungsorgane, etwa durch mehrfache Kontaktaufnahme, Wiederholung eines Angebots, beharrliche Aufforderung oder Überredung trotz (anfänglicher) Weigerung der verdächtigen Person, zu berücksichtigen sind (RIS‑Justiz RS0130354).

In diesem Zusammenhang traf das Erstgericht folgende Feststellungen (US 2 f): Im Sommer 2014 lernte der Angeklagte den abgesondert verfolgten Sami F***** kennen. Dieser forderte ihn auf, sich in G***** mit einem Albaner namens „Luli“ zu treffen, über den die Bekanntschaft zu einem Österreicher hergestellt und mit dem ein Suchtgiftgeschäft abgewickelt werden sollte. Einige Tage später kam es zu dem geplanten Treffen, bei welchem der Kauf von vier kg Kokain zu einem Preis von 240.000 Euro im Raum stand. Letztendlich kam dieses Suchtgiftgeschäft jedoch nicht zustande. Im April 2015 lernte der Angeklagte in Mazedonien einen Albaner namens „Sufi“ kennen. Der Angeklagte erzählte ihm von seinem Plan, ein Suchtgiftgeschäft in der beschriebenen Art und Weise abzuwickeln und aktivierte den Kontakt zu „Luli“ und weiteren bestehenden Bekanntschaften. Am 24. April 2015 reiste der Angeklagte nach G*****, traf dort die verdeckten Ermittler „Josef“ und „Geri“ und bot ihnen den Verkauf von vier kg Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 10 % zum Kauf an. Am 27. April 2015 bekräftigte der Angeklagte gemeinsam mit „Sufi“ das Angebot zur Abwicklung des Suchtgiftgeschäfts gegenüber den verdeckten Ermittlern. Schlussendlich kam auch dieses Suchtgiftgeschäft nicht zustande.

Die Rechtsrüge (inhaltlich Z 9 lit b) orientiert sich nicht am festgestellten Sachverhalt, soweit sie das Verfolgungshindernis nach § 133 Abs 5 iVm § 5 Abs 3 StPO anspricht (RIS-Justiz RS0099810) und nennt auch keine in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnisse für der Sache nach behauptete Feststellungsmängel betreffend angebliche Provokationshandlungen der verdeckten Ermittler (RIS‑Justiz RS0118580).

Soweit die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a) darauf verweist, der Angeklagte hätte über keine Suchtmittelkontakte oder Suchtmittel verfügt, legt sie nicht dar, weshalb es darauf ankommen sollte (RIS‑Justiz RS0125860).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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