OGH 8ObA60/18h

OGH8ObA60/18h25.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Ing. Karl Melichar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei IEF‑Service GmbH, 1150 Wien, Linke Wienzeile 246, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17–19, gegen die beklagte Partei Dr. K*****, als Insolvenzverwalter in der Insolvenz der Schuldnerin S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Franz Hafner, Dr. Karl Bergthaler, Rechtsanwälte in Altmünster, wegen 1.769 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 1. August 2018, GZ 12 Ra 44/18d‑11, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 19. April 2018, GZ 14 Cga 6/18w‑7, nicht Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBA00060.18H.0325.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der klagenden Partei 1.759 EUR samt 4 % Zinsen seit 10. 10. 2017 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 689,45 EUR bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (darin enthalten 114,91 EUR USt) sowie die mit 548,86 EUR (darin enthalten 91,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 377,50 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 62,92 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss des Landesgerichts Wels vom 10. 2. 2017 wurde über das Vermögen der Firma S***** GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser überlegte zunächst die Möglichkeit einer Unternehmensfortführung bzw Sanierung. Dem von ihm erarbeiteten Vorschlag stimmte die Muttergesellschaft aber nicht zu. Der Entscheidungsfindungsprozess dauerte ca einen Monat. Nach Ablehnung der Fortführung durch die Muttergesellschaft erfolgte mit Beschluss vom 8. 3. 2017 die Schließung des Unternehmens.

Im Zuge des Insolvenzverfahrens begehrten zwei Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis zur Schuldnerin Insolvenz‑Entgelt von der Klägerin. Diese Arbeitnehmer hatten aufgrund einer Gleitzeitregelung Anspruch auf Zeitausgleich für in der Zeit von 1. 9. 2016 bis 10. 2. 2017 erbrachte Leistungen von 44,75 bzw (zumindest) 50 Stunden. Das Entgelt für diesen Zeitausgleich wurde von der Klägerin anerkannt und im Umfang von 1.759 EUR bezahlt.

In der Zeit zwischen Insolvenzeröffnung und Unternehmensschließung waren die beiden Arbeitnehmer auf einer Baustelle in Wien eingesetzt worden und hatten daher ihr Zeitguthaben nicht verbrauchen können.

Die Klägerin begehrt den von ihr auf die Zeitguthaben geleisteten Betrag von 1.759 EUR sA und bringt vor, die Insolvenzeröffnung lasse ein bestehendes Zeitguthaben unberührt. Dieses könne nach Insolvenzeröffnung noch in natura verbraucht werden, solange das Arbeitsverhältnis aufrecht bestehe. Insoweit stelle das Zeitguthaben keine betagte, mit der Insolvenzeröffnung fällig werdende Geldforderung dar, sondern sei, wenn es in der Folge nicht konsumierbar sei, als Masseforderung zu qualifizieren.

Der Beklagte bestreitet und bringt vor, dass es sich bei den Entgeltansprüchen aus nicht verbrauchten Zeitguthaben um Insolvenzforderungen handle. Sie seien keine Forderungen der Arbeitnehmer auf laufendes Entgelt für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinn des § 46 Z 3 IO und würden erst mit Beendigung des Dienstverhältnisses von einer bloßen Anwartschaft bzw von einem durch Nichtkonsumation bedingten Anspruch zu einer unbedingten Forderung umgewandelt. Sie seien kein Entgelt für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weil die Arbeitsleistung bereits vor Insolvenzeröffnung erbracht worden sei und nicht eine nach Insolvenzeröffnung während laufenden Dienstverhältnisses gegebene arbeitsleistungslose Arbeitszeit entlohnt werde.

Masseforderungen seien solche, die auf rechtsgeschäftliches Handeln des Masseverwalters zurückzuführen seien, zumal es in seiner Verantwortung stehe, ob und in welchem Umfang er das Unternehmen führe. Dies treffe auf Zeitguthaben, die vor der Insolvenzeröffnung aufgebaut worden seien, nicht zu. Im konkreten Fall habe der Entscheidungsfindungsprozess hinsichtlich der Frage der Unternehmensschließung länger gedauert, die Unternehmensschließung sei aber zum frühest möglichen Zeitpunkt erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Insolvenzeröffnung lasse ein bestehendes Zeitguthaben unberührt. Wenn es in der Folge nicht konsumierbar sei, sei es als Masseforderung zu qualifizieren, weshalb der Anspruch zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Richtig sei, dass für die Qualifikation als laufendes Entgelt grundsätzlich der Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung maßgeblich sei. Werde aber als Abgeltung für Überstunden Zeitausgleich vereinbart, komme es im Zeitpunkt der Leistungserbringung zu keinem Anspruch, der insolvenzrechtlich qualifiziert werden könnte. Der Naturalanspruch wandle sich erst während des Insolvenzverfahrens durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Geldanspruch. Könne der Arbeitnehmer die Gutstunden nicht anstatt der laufenden Arbeitsleistung abbauen, weil seine Arbeitskraft während des Insolvenzverfahrens benötigt werde, profitiere die Masse von der Arbeitsleistung trotz des an sich bestehenden bezahlten Freizeitanspruchs. Damit gebühre der Anspruch im Ergebnis für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft in diesem Zeitraum, sei daher eine Masseforderung. Würde man bei einem offenen Zeitguthaben eine bedingte Massseforderung annehmen, die in dem Umfang zur Masseforderung mutiere, in dem das Zeitguthaben nach der Insolvenzeröffnung abgebaut werde, könnte der Insolvenzverwalter entscheiden, ob ein Arbeitnehmer eine quotenmäßige Befriedigung erlange oder vorrangig zu befriedigen sei. Um dies zu vermeiden, sei mit der Insolvenzeröffnung eine Zäsur zu machen. Wenn der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis während des Insolvenzverfahrens aufrecht lasse, seien auch Ansprüche aus vorbestehenden, nicht konsumierten Zeitguthaben als Masseforderungen zu qualifizieren.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, da zur vorliegenden Thematik nur eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorliege, die sich hauptsächlich mit anderen Fragen befasse. Auch die Literatur zu diesem Thema sei nicht einheitlich. Insoweit sei eine Klarstellung des Obersten Gerichtshofs erforderlich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragt die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Unstrittig sind die Forderungen der Arbeitnehmer der Schuldnerin nach § 11 Abs 1 IESG auf die Klägerin übergegangen. Inwieweit diese Forderungen Masseforderungen sind, richtet sich daher nach der Einordnung der Arbeitnehmerforderung nach den maßgeblichen Bestimmungen der IO.

2. Gemäß § 46 Abs 1 Z 3 IO sind Masseforderungen unter anderem die Forderungen der Arbeitnehmer auf laufendes Entgelt für die Zeit nach Konkurseröffnung. Gemäß § 46 Abs 1 Z 3a IO gehören zu den Masseforderungen auch die Beendigungsansprüche, wenn das Beschäftigungsverhältnis vor Insolvenzeröffnung eingegangen worden ist und danach, jedoch nicht nach § 25 IO, durch den Insolvenzverwalter gelöst wurde oder – wenn die Beendigung auf eine Rechtshandlung oder ein sonstiges Verhalten des Insolvenzverwalters, insbesondere die Nichtzahlung des Entgelts, zurückzuführen ist – durch den Arbeitnehmer gelöst wird.

Korrespondierend bezeichnet § 51 Abs 2 Z 2 IO als Insolvenzforderungen auch Ansprüche aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses a) nach § 25 IO oder c) wenn das Beschäftigungsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nach § 25 IO vom Arbeitnehmer gelöst wird und dies nicht auf eine Rechtshandlung oder ein sonstiges Verhalten des Insolvenzverwalters zurückzuführen ist.

Da die Beschäftigungsverhältnisse unstrittig nach § 25 IO beendet wurden, können die verfahrensgegenständlichen Forderungen nur dann als Masseforderungen angesehen werden, wenn sie als „laufendes Entgelt“ für die Zeit nach Insolvenzeröffnung zu qualifizieren wären.

3. Der Begriff „laufendes Entgelt“ ist im weiteren Sinn zu verstehen. Allgemein werden dazu die zeitbezogenen Ansprüche des Arbeitnehmers gezählt, die ihm für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft als Erfüllung des zweiseitigen Arbeitsvertrags zustehen. Zum Entgelt des Arbeitnehmers gehört daher nicht nur das eigentliche Gehalt, sondern auch alle übrigen ordentlichen und außerordentlichen Leistungen zusätzlicher Art (vgl 8 ObA 11/08p). Das laufende Entgelt ist für die Periode ab Insolvenzeröffnung nach dem Anwartschaftsprinzip im Verhältnis des Anspruchszeitraums vor und nach Insolvenzeröffnung aliquot zu errechnen. Nicht maßgeblich ist das Stichtagsprinzip, das heißt, ob Ansprüche zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits erworben wurden oder fällig sind (Engelhart in Konecny, Insolvenzgesetze § 46 IO Rz 262). So sind sowohl die laufenden Bezüge in dem Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung zu teilen, als auch etwa die Sonderzahlungen teilweise Insolvenzforderung und teilweise Masseforderung (vgl 8 Ob 30/95).

4. Die Parteien eines Arbeitsvertrags können anstelle einer Überstundenvergütung in Geld Zeitausgleich vereinbaren. Die mit BGBl I 1997/46 novellierte Bestimmung des § 10 AZG macht deutlich, dass die Rechtsnatur des Anspruchs zunächst in einem Entgeltanspruch für geleistete Überstunden besteht, der sodann im Wege einer Leistung an Zahlung statt (§ 1414 ABGB) durch Zeitausgleich abgegolten werden soll (RIS‑Justiz RS0051632 [T8]). Zeitausgleich stellt nicht bloß das Synonym für eine „entgeltneutrale Ruhezeit“ dar, sondern ist vielmehr eine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht (RIS‑Justiz RS0109976). Die Vereinbarung, dass Zeitguthaben erwirtschaftet werden können und durch Zeitausgleich abzubauen sind, führt letztlich nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit, ohne dass die Gewährung eines auf der Normalarbeitszeit anzurechnenden Freizeitausgleichs ein zusätzliches Entgelt für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft darstellen könnte (9 ObA 11/13b). Damit werden zunächst in einer Periode über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus Leistungen erbracht, ohne dass ein höheres Entgelt bezahlt wird, in der Folgeperiode, für die Zeitausgleich vereinbart wird, wird bei gleichem Entgelt eine geringere Arbeitsleistung geschuldet. Wird durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses der vereinbarte Zeitausgleich unmöglich, so tritt anstelle des Zeitausgleichs wieder die ursprüngliche Entgeltforderung.

5. Der Beklagte geht davon aus, dass bereits mit Insolvenzeröffnung der Anspruch auf Zeitausgleich in Geld umzuwandeln ist. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Durch die Insolvenz des Arbeitgebers wird das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Dieses bleibt vielmehr, solange es zu keiner wirksamen Beendigung (§ 25 IO) kommt, aufrecht. Damit erfolgt aber auch mit Insolvenzeröffnung keine Umwandlung allfälliger Zeitguthaben in Geldforderungen. Diese Zeitguthaben können vielmehr auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in natura verbraucht werden (vgl RIS‑Justiz RS0120934; Sundl in Reissner [Hrsg] Arbeitsverhältnis und Insolvenz5, § 3a IESG Rz 19). Erst wenn das Arbeitsverhältnis in der Folge beendet wird, kommt es zu einem Geldanspruch des Arbeitnehmers.

6. Sundl (aaO) geht davon aus, dass, soweit der Zeitausgleich durch Arbeitsstunden nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden sei, der umgewandelte Geldanspruch als Masseforderung gemäß § 46 Z 3 IO zu qualifizieren sei, soweit er durch Arbeitsstunden vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden sei, sei der Anspruch als Insolvenzforderung gemäß § 51 Abs 1 IO zu qualifizieren. Auch Reissner (in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 46 IO Rz 7) verweist darauf, dass Mehr‑ und Überstundenabgeltungen – wie laufendes Entgelt allgemein – mit der Erbringung der zusätzlichen Arbeitsleistung entstehen und dementsprechend zu qualifizieren seien. Werde als Abgeltung Zeitausgleich festgelegt, so komme es – zumindest vorerst – zu keinem Entgeltanspruch, sodass auch keine insolvenzrechtliche Forderungsqualifikation vorgenommen werden könne. Erst wenn sich der Naturalanspruch während des Insolvenzverfahrens – zB durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses – in einen Geldanspruch wandle, stelle sich die Frage der Forderungsqualifikation, die sich danach orientiere, wie die Arbeitsleistungen, auf welche die nunmehr in Geld fällige Zeitguthabensabgeltung zurückgehe, zeitlich gelagert gewesen sei. Diese Ansicht vertreten auch Holzer/Reissner in Reissner (Hrsg) Arbeitsverhältnis und Insolvenz, § 46 IO Rz 9.

7. Der Oberste Gerichtshof war mit Zeitguthaben zunächst in Zusammenhang mit Ansprüchen aus Altersteilzeitvereinbarungen befasst:

In der Entscheidung 8 ObA 24/05w war ein Sachverhalt zu beurteilen, in dem der Arbeitnehmer das Zeitguthaben zum weit überwiegenden Teil durch Arbeitsleistung nach der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Arbeitgebers erworben hatte. Er hatte nach Konkurseröffnung weiter 38,5 Stunden gearbeitet, dafür aber entsprechend der getroffenen Altersteilzeitvereinbarung nur 70 % des dafür gebührenden Gehalts bekommen. Der Oberste Gerichtshof teilte die Ansicht des Berufungsgerichts, der Arbeitnehmer habe zufolge der Unmöglichkeit des Verbrauchs des angesparten Zeitguthabens in einer Freizeitphase nunmehr Anspruch auf Entgelt für die erbrachte Mehrarbeitsleistung, was als Anspruch auf laufendes Entgelt und nicht als Beendigungsanspruch zu qualifizieren sei. Es solle jener Vorteil als Masseforderung abgegolten werden, der der Masse durch das Zurverfügungstehen des Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitsvertrags zukomme. Hier seien die Gutstunden als laufende Arbeitsleistung während des Konkursverfahrens von der Masse „konsumiert worden“. Daher seien auch die darauf entfallenden Entgeltansprüche als laufendes Entgelt als Masseforderung im Sinn des § 46 Abs 1 Z 3 KO zu qualifizieren.

Demgegenüber befand sich der Arbeitnehmer bei dem der Entscheidung 8 ObA 86/05p zugrunde liegenden Sachverhalt bereits in der Freizeitphase. Das (verfahrensgegenständliche) laufende Entgelt für die Zeit nach der Konkurseröffnung wurde als Masseforderung qualifiziert. Die Parteien hätten in ihrer Altersteilzeitvereinbarung einen Durchrechnungszeitraum vereinbart, in dessen Rahmen einerseits die Verteilung der Arbeitszeit und andererseits das dem Arbeitnehmer zu zahlende Entgelt geregelt worden sei. Dabei sei ausdrücklich vereinbart worden, dass der vereinbarte Ist‑Lohn (einschließlich Lohnausgleich) während des gesamten Durchrechnungszeitraums in gleicher Höhe gewährt werde. Damit sei aber klar, dass das ab Konkurseröffnung geschuldete Entgelt „für die Zeit nach Konkurseröffnung“ gebühre. Insofern unterscheide sich dieses Modell nicht grundsätzlich von anderen Arbeitsfreizeitmodellen, bei denen zwar keine längere Freizeitphase vereinbart, aber die Arbeitszeit über einen längeren Durchrechnungszeitraum unterschiedlich verteilt werde. Auch derartige Vereinbarungen könnten nicht dazu führen, dass im Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Arbeitgebers – in Widerspruch zur Vereinbarung der gleichmäßigen Lohnzahlung während des gesamten Durchrechnungszeitraums  – Teile des nach Konkurseröffnung geschuldeten Entgelts unter Hinweis auf überdurchschnittliche Arbeitsleistungen vor Konkurseröffnung als auf die Zeit vor Konkurs entfallend und daher als Konkursforderung qualifiziert werden.

Zur Qualifikation von Entgelt statt Zeitausgleich im Konkurs wurde in der Entscheidung 9 ObA 50/12m in Hinblick auf 8 ObA 86/05p nur darauf verwiesen, dass ein Zeitguthaben keine betagte, mit der Insolvenzeröffnung fällig werdende Geldforderung darstelle, sondern dann, wenn es in der Folge nicht konsumierbar sei, als Masseforderung zu qualifizieren sei. Allerdings war in dieser Entscheidung maßgeblich die Frage zu behandeln, inwieweit die Forderungsfeststellung in der Insolvenz Bindungswirkung bezüglich ihrer Rechtsqualität entfaltet, nicht die Qualifikation der Forderung als solches.

8. Wie dargelegt stellen Zeitguthaben Überstunden dar, die in einer bestimmten Periode erbracht werden. Die Qualifikation von Überstunden als Insolvenz- oder Masseforderung hängt grundsätzlich davon ab, ob die Leistung, die den Anspruch begründet, vor oder nach Konkurseröffnung erfolgte.

Bei einem Zeitguthaben besteht (zunächst) die Möglichkeit, dass es während des auch nach Insolvenzeröffnung aufrechten Vertragsverhältnisses in natura verbraucht wird. Mit der Konsumation von Zeitausgleich kommt es dann zu einer bezahlten Freistellung von der Arbeitspflicht. In einem solchen Fall wird das laufende Entgelt für eine Leistung nach Insolvenzeröffnung geschuldet, die geringere Arbeitspflicht ändert daran nichts. Es handelt sich daher um eine Masseforderung. Dagegen stellt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Erbringung der normalen Arbeitsleistung, wenn kein Zeitausgleich konsumiert wird, keine Mehrleistung nach Insolvenzeröffnung dar.

Das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses für das nicht verbrauchte Zeitguthaben zu bezahlende Entgelt wird daher für Leistungen geschuldet, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (zusätzlich zur normalen Arbeitsleistung) erbracht wurden. Die grundsätzliche Möglichkeit, diese Überstunden auch durch Zeitausgleich abgegolten zu bekommen, ändert an diesem Umstand nichts und bietet keine Grundlage für eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Überstunden im Hinblick auf ihre Qualifikation als Masse‑ bzw Insolvenzforderung. Dies entspricht auch dem Prinzip, laufende Bezüge in den Zeitraum vor und nach Insolvenzeröffnung danach zu zerlegen, wann die entsprechende Gegenleistung des Arbeitnehmers erbracht wurde.

Richtig ist, dass damit dem Insolvenzverwalter eine gewisse Dispositionsbefugnis hinsichtlich des Abbaus des Zeitguthabens eröffnet sein kann (vgl aber auch etwa § 19 Abs 4 AZG). Die gegenteilige Lösung hätte jedoch zur Folge, dass Zeitguthaben aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung, auf die der Insolvenzverwalter überhaupt keinen Einfluss hat, zumeist als Masseforderung anzusehen wären. Der Verbrauch von Zeitguthaben kann vom Insolvenzverwalter regelmäßig nicht einseitig angeordnet werden.

9. Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu den zitierten Entscheidungen 8 ObA 24/05w und 8 ObA 86/05p, da in diesen Fällen jeweils die Arbeitsleistung bzw die Zahlung des vereinbarten Entgelts für Perioden nach Konkurseröffnung zu beurteilen waren. Soweit die Entscheidung 9 ObA 50/12m dahingehend verstanden werden könnte, dass Zeitguthaben vor der Insolvenzeröffnung in jedem Fall, wenn sie in der Folge nicht konsumiert wurden, als Masseforderungen zu qualifizieren sind, wird diese Rechtsansicht nicht aufrecht erhalten.

10. Da im vorliegenden Fall sämtliche Zeitguthaben, die dem Klagsanspruch zugrunde liegen, aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung resultieren, war in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen das Klagebegehren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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