OGH 8ObA86/05p

OGH8ObA86/05p13.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Josef Sinzinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Paula P*****, Arbeiterin, *****, vertreten durch Frischenschlager & Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. Gerhard Rothner, Rechtsanwalt in Linz, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der E*****GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Mitterlehner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung (Streitwert EUR 400,-) und EUR 1.733,85 brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. September 2005, GZ 12 Ra 83/05w-11, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Mai 2005, GZ 9 Cga 30/05i-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 55,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die seit 1. 10. 1973 bei der späteren Gemeinschuldnerin beschäftigte Klägerin arbeitete ab 1. 7. 2002 in Altersteilzeit. Die wöchentliche Normalarbeitszeit von 34 Stunden wurde um 50 % verringert und innerhalb eines Durchrechnungszeitraums von 40 Monaten so verteilt, dass sich im Durchrechnungszeitraum eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 17 Stunden ergab. Vereinbarungsgemäß hat die Klägerin mit der ungekürzten Normalarbeitszeit von 34 Stunden weitergearbeitet und die restliche Zeit eingearbeitet, sodass einer Vollarbeitsphase vom 1. 7. 2002 bis 28. 2. 2004 eine Freizeitphase in der Zeit vom 1. 3. 2004 bis zum 31. 10. 2005 folgen sollte. Ferner wurde vereinbart, dass sich der bisherige Bruttomonatslohn, der herabgesetzten Arbeitszeit entsprechend, von zuletzt EUR 1.101,90 auf EUR 550,95 verringert, dass zusätzlich ein Lohnausgleich in Höhe von 50 % der Differenz zwischen diesem Betrag und der jeweils geltenden Höchsbeitragsgrundlage gemäß § 45 ASVG gewährt wird und dass der somit für die durchschnittliche Wochenarbeitszeit gebührende tatsächliche Istlohn pro Monat (einschließlich Lohnausgleich) während des gesamten Durchrechnungszeitraums fortlaufend in gleicher Höhe gewährt wird.

Am 7. 12. 2004 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin der Konkurs eröffnet; mit 27. 12. 2004 wurde die Schließung des Unternehmens beschlossen. Am 25. 1. 2005 wurde die Klägerin vom Masseverwalter gemäß § 25 KO unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von fünf Monaten gekündigt.

Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung hatte die Klägerin für die Freizeitphase 792,20 Stunden eingearbeitet. Bis 25. 6. 2005 (Ende der Kündigungsfrist) konnte sie davon noch 486,20 Stunden aufbrauchen, sodass ein Zeitguthaben von 306 Stunden verblieb. Das dafür gebührende Entgelt meldete die Klägerin als Konkursforderung an. Ab dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung erhielt die Klägerin weder Lohn noch Weihnachtsremuneration ausgezahlt.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 22. 2. 2005 eingebrachten Klage EUR 1.733,85 brutto sA an Entgelt (Lohn und anteilige Weihnachtsremuneration) für die Zeit vom 8. 12. 2004 bis 31. 1. 2005.

Der beklagte Masseverwalter beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Das „Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis" habe sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens bereits in der Freizeitphase befunden. Die Klägerin habe daher keine Arbeitsleistungen mehr geschuldet. Ihre Entgeltansprüche für das zuvor in der Arbeitsphase erworbene Zeitguthaben sei daher zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung dem Grunde und der Höhe nach bestimmt, aber noch nicht fällig gewesen. Es handle sich somit um einen betagten Anspruch, der im Konkurs gemäß § 14 Abs 2 KO fällig geworden und als Konkursforderung geltend zu machen sei. Es bestehe kein Entgeltanspruch der Klägerin gegenüber der Konkursmasse.

Im Übrigen habe das vorzeitige Fälligwerden des angesparten Zeitguthabens „naturgemäß" zur Verkürzung der Freizeitphase „auf den Zeitpunkt vor Eintritt der Konkurswirkungen per 7. 12. 2004" geführt. Da bereits in der Altersteilzeitvereinbarung mit der Klägerin die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Ende der Altersteilzeitbeschäftigung vereinbart worden sei, habe das Arbeitsverhältnis mit dem Fälligwerden des Entgelts für das noch nicht abgegoltene Zeitguthaben aus der Vollarbeitsphase geendet. Die vom Masseverwalter am 25. 1. 2006 gemäß 25 KO ausgesprochene Kündigung sei nur sicherheitshalber für den Fall erfolgt, dass das Arbeitsverhältnis über den 7. 12. 2004 hinaus weiterbestanden habe.

Die Klägerin hielt dem zuletzt wiedergegebenen Vorbringen entgegen, dass das Arbeitsverhältnis und die Altersteilzeitvereinbarung durch die Konkurseröffnung nicht berührt worden seien. Das Dienstverhältnis ende daher am 25. 6. 2005. Daher habe der Masseverwalter das laufende Entgelt ab 8. 12. 2004 als Masseforderung zu zahlen, und zwar unabhängig davon, welche Gegenleistung er lukrieren könne.

Schließlich erhob die Klägerin in der Tagsatzung vom 12. 5. 2005 das Begehren auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses über den 7. 12. 2004 hinaus.

Das Erstgericht gab beiden Klagebegehren statt. Die Konkurseröffnung berühre weder die Altersteilzeitvereinbarung noch den Bestand des Arbeitsverhältnisses, das daher erst am 25. 6. 2005 geendet habe. Bei den mit dem Leistungsbegehren geltend gemachten Ansprüchen handle es sich um keine betagte Forderung iSd § 14 KO, sondern um laufenden Lohn und daher um eine Masseforderung. Dass sich die Klägerin bereits in der Freizeitphase befunden habe, ändere daran nichts.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Der Beklagte stütze sich auf die Rechtsansicht Anzenbergers (Altersteilzeit und Insolvenz, ZIK 2002, 5), wonach es sich beim Anspruch auf Entgelt während der Freizeitphase um eine vor Konkurseröffnung in der Vollarbeitsphase erworbene betagte Forderung handle, die mit der Konkurseröffnung fällig werde und daher als Konkursforderung zu behandeln sei; dies führe überdies zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, weil die Parteien die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Ende des Entgeltanspruchs (= Ende der Freizeitphase) vereinbart hätten. Dieser Auffassung könne nicht gefolgt werden, weil nach völlig herrschender Rechtsprechung die Insolvenz des Arbeitgebers nicht zu einer automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führe. Der Gesetzgeber erblicke aber in der Konkurseröffnung eine wesentliche Störung des Arbeitsverhältnisses, die sowohl den Arbeitnehmer als auch den Masseverwalter zur (begünstigten) Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 25 KO berechtige. Solange es aber zu keiner wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses komme, werde auch das Entgelt für allfällige Zeitguthaben des Arbeitnehmers an Normalarbeitszeit oder Überstunden nicht fällig. Die Konkurseröffnung lasse demnach nicht nur das Arbeitsverhältnis, sondern auch das bestehende Zeitguthaben des Arbeitnehmers unberührt, das so lange nach Konkurseröffnung noch - in natura - verbraucht werden könne, als das Arbeitsverhältnis aufrecht bestehe. Genau das hätten die Parteien auch hier für den an die Vollarbeitsphase anschließenden Zeitraum vom 1. 3. 2004 bis zum 31. 10. 2005 ausdrücklich vereinbart. Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung habe daher keine betagte Geldforderung sondern ein Zeitguthaben der Klägerin bestanden, das auch nach der Konkurseröffnung habe eingelöst werden können. § 14 Abs 2 KO könne daher nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage für den weiteren Bestand des Arbeitsverhältnisses führen. Die Konkursordnung sehe vielmehr für die Behandlung von Dauerschuldverhältnisses besondere Bestimmungen vor, die erkennen ließen, dass die daraus entspringenden (laufenden) Ansprüche jedenfalls nicht als betagte Forderungen im Sinne des § 14 KO zu werten seien. Demnach seien Ansprüche aus Vermietung oder Verpachtung in Ansehung der nach Konkurseröffnung fälligen Beträge erst nach der Konkurseröffnung entstanden, auch wenn das Schuldverhältnis selbst schon vor Konkurseröffnung begründet worden sei. Nichts anderes gelte für Forderungen der Arbeitnehmer auf laufendes Entgelt, und zwar für jedes Voll- oder Teilzeit-Arbeitsverhältnis und unabhängig davon, ob und allenfalls auf welche Weise die Arbeitszeit im Einzelfall flexibel gestaltet werde. Das Austauschverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Entgeltzahlung/Arbeitsleistung bzw Einlösung eines entsprechenden Zeitguthabens) bleibe daher trotz Konkurseröffnung aufrecht, wobei der Gesetzgeber dem tatsächlichen Zeitausgleich grundsätzlich den Vorzug vor der Abgeltung eines Zeitguthabens einräume.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung der Klagebegehren abzuändern.

Die Klägerin beantragte, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig. Anders als das Berufungsgericht hält der erkennende Senat die hier zu beurteilende Rechtsfrage, deren Bedeutung weit über den Einzelfall hinausgeht, als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO. Daran ändert der Umstand nichts, dass sich der erkennende Senat mittlerweile in seiner Entscheidung 8 ObA 24/05w vom 16. 11. 2005 mit der Frage, ob das Entgelt für Zeitguthaben aus geblockter Altersteilzeit als Masse- oder Konkursforderung zu qualifizieren ist, auseinandergesetzt hat. Abgesehen davon, dass die Vorinstanzen diese Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnten, war damals ein Fall zu beurteilen, in dem der Arbeitnehmer das Zeitguthaben zum weit überwiegenden Teil durch Arbeitsleistung nach der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Arbeitgebers erworben hat. Demgegenüber fiel hier die Arbeitsphase zur Gänze in die Zeit vor Konkurseröffnung, sodass es der Überprüfung bedarf, ob das in der Vorentscheidung erzielte Ergebnis auf den hier zu beurteilenden Fall übertragen werden kann.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Im Wesentlichen kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist wie folgt auszuführen:

Nach § 46 Abs 1 Z 3 KO sind die „Forderungen der Arbeitnehmer (arbeitnehmerähnlichen Personen) auf laufendes Entgelt (einschließlich Sonderzahlungen) für die Zeit nach der Konkurseröffnung" als Masseforderungen zu qualifizieren. Der Revisionswerber stützt seine Rechtsauffassung, dass diese Voraussetzung hier nicht gegeben seien, auf die Ausführungen Anzenbergers (Altersteilzeit und Insolvenz, ZIK 2002, 5), der offenbar davon ausgeht, dass das in der Arbeitsphase erarbeitete Guthaben für diese Phase geschuldet, aber zunächst noch nicht fällig sei, was ihn - konsequent - zur Anwendung des § 14 KO führt. Diese Auffassung steht aber mit dem Wesen des hier vereinbarten Modells und - ganz konkret - mit dem Inhalt der hier getroffenen Vereinbarung nicht im Einklang. Die Parteien haben in ihrer Altersteilzeitvereinbarung einen Durchrechnungszeitraum vereinbart, in dessen Rahmen sie einerseits die Verteilung der Arbeitszeit und andererseits das dem Arbeitnehmer zu zahlende Entgelt geregelt haben. Dabei wurde - dem Wesen des hier gewählten Modells entsprechend - ausdrücklich vereinbart, dass der vereinbarte Istlohn (einschließlich Lohnausgleich) während des gesamten Durchrechnungszeitraums in gleicher Höhe gewährt wird. Damit ist aber klar, dass das ab Konkurseröffnung geschuldete Entgelt „für die Zeit nach Konkurseröffnung" gebührt. Insofern unterscheidet sich das hier vereinbarte Modell nicht grundsätzlich von anderen Arbeitszeitmodellen, bei denen zwar keine längere Freizeitphase vereinbart, aber die Arbeitszeit über einen längeren Durchrechnungszeitraum unterschiedlich verteilt wird. Auch derartige Vereinbarungen können nicht dazu führen, dass im Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Arbeitgebers - in Widerspruch zur Vereinbarung der gleichmäßigen Lohnzahlung während des gesamten Durchrechnungszeitraums - Teile des nach Konkurseröffnung geschuldeten Entgelts unter Hinweis auf überdurchschnittliche Arbeitsleistungen vor Konkurseröffnung als auf die Zeit vor Konkurs entfallend und daher als Konkursforderung qualifiziert werden.

Die Ausführungen Anzenbergers über eine Vorverlegung des Zeitpunktes der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruhen auf seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsauffassung. Auch ihnen ist daher das Berufungsgericht zu Recht nicht gefolgt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründen sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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