OGH 8Ob30/95

OGH8Ob30/9516.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic in der Rechtssache der klagenden Partei Stefan S*****, Tischlermeister, ***** vertreten durch Dr.Herwig Anderle, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Linz, Gruberstraße 77, vertreten durch Dr.Axel Zaglits, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung (S 75.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 11.Juli 1995, GZ 4 R 277/94-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 25.Oktober 1994, GZ 4 Cg 237/94d-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das erstinstanzliche Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, daß es zu lauten hat: Es wird festgestellt, daß nur die auf die Zeit nach Konkurseröffnung entfallenden Anteile der Sonderzahlungen der bei dem Gemeinschuldner beschäftigten Dienstnehmer und die hierauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge Masseforderungen begründen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 811,84 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 5.7.1994, S 56/94-2, wurde der Konkurs über das Vermögen des Klägers eröffnet und der Klagevertreter zum Masseverwalter bestellt. Am 22.7.1994 erfolgte die Betriebsschließung, im Zuge derer gemäß § 25 KO alle Dienstnehmer ihren vorzeitigen Austritt erklärten. Der Konkurs wurde nach Zwangsausgleichsbestätigung am 5.7.1995 aufgehoben.

Im Zuge der von der beklagten Partei durchgeführten Beitragsprüfung war eine Nachverrechnung in der Höhe von S 127.404,10 vorgenommen worden, wobei vom Masseverwalter lediglich ein Betrag von S 52.535,30 als zu Recht bestehend anerkannt wurde. Die von ihm bestrittene Beitragsforderung der Beklagten beruht auf Nachverrechnungen für die zum Austrittszeitpunkt fälligen Anteile an Urlaubszuschüssen und Weihnachtsremunerationen für die betroffenen Arbeitnehmer.

Der Masseverwalter begehrte die Feststellung, daß gemäß § 46 Abs 1 Z 3 KO nur diejenigen Sonderzahlungen und damit verbundenen Sozialversicherungsbeiträge als Masseforderungen gelten sollten, welche ab Konkurseröffnung anwachsen, sowie, daß diejenigen anteiligen Sonderzahlungen, welche bis zu dem Zeitpunkt vor Konkurseröffnung angewachsen seien und die damit verbundenen Sozialversicherungsbeiträge keine Masseforderungen darstellten.

Die Beklagte bestritt, beantragte die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens und brachte dazu vor, daß sich die Qualifikation der Sonderzahlungen als Masseforderungen oder Konkursforderungen nach der Qualifikation des laufenden Entgeltes zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Sonderzahlungen richten müßte.

Das Erstgericht entschied im klagsstattgebenden Sinn.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und begründete seine Entscheidung wie folgt: Die Qualifikation der Sozialversicherungsbeiträge im Insolvenzverfahren richte sich nach der Einordnung der Dienstnehmerforderung (Bartos, IRÄG 1994, SoSi 1994/3, 162). Die als herrschend anzusehende Literatur (Bauer, Arbeitnehmeransprüche: Konkurs- oder Masseforderungen?, ZIK 1995, 43; Holzner/Reissner, Neuerungen im Insovenzrecht aus arbeitsrechtlicher Sicht, DRdA 1994, 473; Liebeg, Die Änderung der Rechtsstellung der Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren, WBl 1994, 144) gehe davon aus, daß die Ansprüche auf Sonderzahlungen aufgrund der Gleichstellung mit dem laufenden Entgelt gemäß § 46 Abs 1 Z 3 KO jedenfalls nach Konkurseröffnung - auch wenn sie anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 25 KO entstünden - mit ihrem aliquoten Anteil als Masseforderungen anzusehen seien.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit einem S 50.000,-- übersteigenden Betrag und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revisionswerberin brachte vor, daß nur mit der Anwendung des Stichtags- und nicht des Anwachsungsprinzipes der Intention des Gesetzgebers entsprochen sei. Bis zum Beendigungszeitpunkt habe lediglich eine Anwartschaft auf die Sonderzahlungen bestanden, die aber keineswegs rechtlich durchsetzbar gewesen sei. Letztlich entstehe der Entgeltanspruch auf Sonderzahlung erst mit Auflösung des Dienstverhältnisses nach § 25 KO.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts, nämlich, ob Sonderzahlungen, die vor der Konkurseröffnung anfallen, dann, wenn das Dienstverhältnis nach dieser gelöst wird, Masse- oder Konkursforderungen darstellen, abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit -, Sicherheit oder - Entwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, weil hiezu eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Der erkennende Senat folgt der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes aus nachstehenden Gründen: Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist Entgelt jede Leistung, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dafür bekommt, daß er ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Zum Entgelt des Arbeitnehmers gehören daher nicht nur das eigentliche Gehalt, sondern auch alle übrigen, ordentlichen oder außerordentlichen Leistungen zusätzlicher Art. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung, sondern nur auf die tatsächliche Funktion der Leistung an. Soweit es sich um einen Teil der Gegenleistung des Arbeitgebers für die Überlassung der Arbeitskraft durch den Arbeitnehmer handelt, gehören somit auch Sonderzahlungen

(Urlaubszuschüsse, Weihnachtsremunerationen) dazu (ZAS 1977/19, 140 =

Arb 9430, Arb 9573 = JBl 1979, 215 = SZ 50/46). Sie sind eine Form

aperiodischen Entgelts, dh mit abweichenden Fälligkeitsterminen. Wegen der Gleichartigkeit der Sonderzahlungen mit dem übrigen Entgelt des Arbeitnehmers - abgesehen von der Fälligkeit -, gehören sie zum "laufenden Entgelt" im Sinn des § 61 Abs 1 Z 1 und 2 ASGG (Kuderna, ASGG 329). Es handelt sich hiebei eben um einen besonderen Teil des Entgelts für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers (8 Ob A 289/95). Bereits der ausdrückliche Wortlaut des durch das IRÄG 1994 neugefaßten § 46 Abs 1 Z 3 KO zeigt, daß die Sonderzahlungen vom Begriff des "laufenden Entgeltes" umfaßt sind.

Gemäß § 25 Abs 1 Z 1 KO kann, wenn der Gemeinschuldner Arbeitgeber und das Arbeitsverhältnis bereits angetreten worden ist, dieses vom Arbeitnehmer innerhalb von zwei Monaten nach Konkurseröffnung bei Anordnung oder Bewilligung der Schließung des Unternehmens durch vorzeitigen Austritt gelöst werden, wobei die Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Konkursforderungen sind. Es erhebt sich daher die Frage, ob Sonderzahlungen solche Ansprüche sind, die aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen.

Bei den Ansprüchen aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses handelt es sich grundsätzlich um solche, bei denen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine maßgebliche Bedingung für ihr Entstehen ist. Entgeltansprüche, die auch sonst entstehen, durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedoch früher als normal fällig werden, gehören grundsätzlich zum laufenden Entgelt (W.Schwarz ua, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz, Gesetzes- und Kommentare/142, Nachtrag 1995, 62). Die Ansprüche auf die aliquoten Sonderzahlungen entstehen nämlich schon während des aufrechten Arbeitsverhältnisses, lediglich die Fälligkeit tritt bei dessen Beendigung ein. Dieser Umstand wird nunmehr vom Gesetz ausdrücklich hervorgehoben (Holzner/Reissner, aaO, 473). Sofern den Arbeitnehmern eine Remuneration (Sonderzahlungen) im Sinn des § 16 AngG gebührt, haben sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Jahres Anspruch auf jenen Teil der Remuneration, der ihrer Dienstzeit während des laufenden Jahres entspricht - Aliquotierungsgrundsatz (Martinek ua, AngG7, 207). Diese Vorschrift hat zwingenden Charakter (vgl 9 Ob A 47/95). Ansprüche, die aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen (Abfertigung, Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) sind hingegen Konkursforderungen. Der Anspruch darauf ist nicht während eines laufenden Dienstverhältnisses entstanden.

Der Gesetzgeber hat mit dem neugeschaffenen § 46 Abs 1 Z 3 KO eine klare Trennlinie zwischen Konkurs- und Masseforderungen gezogen, wobei für deren Einordnung der Zeitpunkt der Konkurseröffnung maßgeblich ist. Neben den bereits oben angeführten Begründungen für die Anwendung des Anwartschafts- und nicht des Stichtagsprinzips sind auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1384 BlgNR 18) zu nennen: Eines der in Punkt 1 angeführten Ziele ist die Erleichterung der Unternehmensfortführung im Insolvenzverfahren: Würde man davon ausgehen, daß die angefallenen Sonderzahlungen in ihrem gesamten Umfang auszuzahlen wären, wäre die Fortführung des insolventen Unternehmens nicht von Interesse für den Masseverwalter. Er würde, um die Masseforderungen gering zu halten, die Arbeitsverhältnisse sofort lösen. Eine ebensolche Zielsetzung sieht der Ausschußbericht (1475 Beil Sten Prot NR 18. GP) vor. Die nunmehr geltende Fassung unterscheidet sich von der der Regierungvorlage im Hinblick auf die §§ 25 und 46 nur dahingehend, daß in dieser letztgenannten Bestimmung der letzte Satz des § 25 Abs 1 ("Die Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind Konkursforderungen") fehlt.

Das von Bauer (aaO S 44 f) angesprochene Problem der Ansprüche bei Beendigung der Arbeitsverhältnisse außerhalb des § 25 KO und das Verhältnis der §§ 25 Abs 1 und 46 Abs 1 Z 3 KO sind für diesen Fall nicht von Relevanz, da die Arbeitsverhältnisse gemäß § 25 Abs 1 KO gelöst wurden.

Weitere, von den oben genannten Autoren nicht relevierte Zielsetzungen sprechen für die Anwendung des Aliquotierungsgrundsatzes:

Es ist nicht schon grundsätzlich einzusehen, warum die Sonderzahlungen (Urlaubszuschüsse und Weihnachtsremunerationen) eine andere insolvenzrechtliche Behandlung erfahren sollten als das laufende Entgelt. Wenn bereits das laufende Entgelt, das die direkte Entlohnung der Leistung-Gegenleistungsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer darstellt, bis zur Konkurseröffnung eine Konkursforderung darstellt, fehlt ein ausreichender Grund für die Behandlung der Sonderzahlungen als Masseforderungen.

Weiters sieht § 13 a Abs 1 IESG vor, daß der Anspruch des Arbeitnehmers auf Insolvenzausfallsgeld auch die auf den Dienstnehmer entfallenden Beitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung umfaßt, die der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds dem zur Beitragseinhebung zuständigen Sozialversicherungsträger schuldet und diesem direkt zu verrechnen hat (§ 13a Abs 2 IESG). Ebenso sieht § 3 Abs 4 IESG vor, daß das Insolvenzausfallsgeld in der Höhe des gesicherten Anspruches vermindert um die Dienstnehmerbeitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung gebührt. Somit ist e silentio zu schließen, daß die Dienstgeberanteile von den Bestimmungen des IESG nicht umfaßt sind. Das Insolvenzausfallsgeld gebührt netto, also abzüglich der Lohnsteuer und der auf den Arbeitnehmer entfallenden Sozialabgaben (Liebeg, Insolvenzentgeltsicherungsgesetz, 123). Auch sind gemäß § 13 a Abs 3 IESG die von den Sozialversicherungsträgern nicht einbringbaren Dienstnehmerbeitragsanteile vom zuständigen Sozialversicherungsträger bekanntzugeben. Daraus folgt, daß die Dienstgeberanteile zur Sozialversicherung keine Deckung im IESG finden.

Schließlich ist die Erkennbarkeit der finanziellen Probleme durch einen in einem insolventen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer gegeben. Zudem ist niemand gezwungen, mit einem im Konkurs befindlichen Unternehmen Geschäfte abzuschließen. Jeder, der mit einer Konkursmasse kontrahiert oder dafür eine Leistung erbringt, kann die Risken, die mit der Fortführung eines zahlungsunfähigen oder überschuldeten Unternehmens notwendigerweise verbunden sind, erkennen (ZIK 1995, 55 = RdW 1995, 362 = DRdA 1995, 424). Das gilt selbstverständlich auch für Arbeitnehmerforderungen, aber nur wenn sie bis zum Ende des dritten Monates entstanden sind, der auf die Eröffnung des Konkurses ...... folgt, womit der erhöhte Schutz des IESG endet (§ 3 Abs 1 IESG). Auch daraus folgt eine zeitliche Begrenzung von Masseforderungen einschließlich der der Sozialversicherungsträger.

Der Sinn und Zweck des nunmehr neugefaßten § 46 Abs 1 Z 3 KO, der die Sonderzahlungen dem laufenden Entgelt gleichsetzt, liegt darin, daß der Arbeitnehmer eine zeitlich befristete "Belohnung" für das Weiterarbeiten für das bereits insolvente Unternehmen nach Konkurseröffnung erhalten soll. Mit diesem Gedanken ist der Zielsetzung der Regierungsvorlage und des Justizausschußberichtes Rechnung getragen.

Es ist daher der Revision nicht Folge zu geben und das durch die Entscheidung des Berufungsgerichtes bestätigte Urteil des Erstgerichtes in seinem Spruche dahin zu formulieren, daß das - entbehrliche - Zitat des § 46 Abs 1 Z 3 KO ebenso zu entfallen hat (§ 114 Abs 2 Geo) wie die Ausführung auch eines Korrelats; soweit die Eigenschaft einer Forderung als Masseforderung nicht reicht, ist ihre Eigenschaft als Konkursforderung im vorliegenden Fall nicht strittig. Eine Umänderung in ein Leistungsbegehren (vgl SZ 51/178) kommt hier nicht in Betracht, weil hier der Kläger Schuldner ist. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung ist im Hinblick auf die unterschiedliche Haftung des Ausgleichsschuldners (Voll- oder Quotenzahlung) gegeben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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